Disney war ja schon immer gut darin, Geschichten über Außenseiter zu erzählen. Oder über Underdogs, Nerds – wie man es halt nennen will …
[euphorisch] Ja! Und wir sind ja alle auf unsere eigene Art Außenseiter oder Nerds.
Genau. Und ich finde, diese Erkenntnis war über lange Zeit etwas, das Disney auszeichnete. In der jüngeren Vergangenheit hat sich meiner Beobachtung nach die Mentalität in unserer Gesellschaft jedoch ein wenig verschoben. Ich glaube, dass mittlerweile immer mehr Menschen offen dazu stehen, wenn sie sich in ihren Ansichten oder Hobbys von der Masse abheben. Und die Medien reflektieren das. Vor zehn Jahren hätte es wohl kaum eine Sitcom wie «The Big Bang Theory» gegeben. Hat das wiederum Einfluss darauf, wie bei Disney solche Außenseitergeschichten erzählt werden, da dies nun zur Norm wird?

„
In meinen Augen sind wir im Grunde unseres Herzens sowieso alle Nerds.
”
Roy Conli, Disney
Ich weiß nicht. Denken wir beispielsweise an meinen liebsten Disney-Animationsfilm zurück – an «Pinocchio». Und Pinocchio war am Anfang eine Marionette, die davon träumte, ein kleiner Junge zu werden. Pinocchio hat also eine große Sehnsucht, und es dreht sich bei einer Geschichte immer darum, wonach die zentrale Figur strebt. Das muss für das Publikum Sinn ergeben, und solange man als Zuschauer diese Figur lieben lernt und will, dass sie ihr Ziel erreicht, funktioniert die Geschichte. Das hat sich über die Jahrzehnte nicht verändert, und je mehr ich darüber nachdenke: Mir fallen keine Storys über coole, akzeptierte Personen ein. In gewisser Weise stehen immer unangepasste Figuren im Mittelpunkt. Im Realfilm sind dies derzeit oft Typen wie Seth Rogen oder Ben Stiller, und die spielen zweifelsfrei keine Normalos. Ihre Figuren sind immer zu einem bestimmten Grad Außenseiter. Ich denke schon, dass Ihr Grundgedanke interessant ist, doch in meinen Augen haben wir schon immer unsere eigene Unangepasstheit gewürdigt und Erzählungen über Außenseiter zelebriert.
Musik ist ebenfalls ein unerlässlicher Teil des Disney-Erbes. Was hat «Baymax – Riesiges Robowabohu» in dieser Hinsicht zu bieten – zusätzlich zum neuen Song von Fall Out Boy, der wirklich gut klingt ..?

Disneyland und seine Themengebiete
Das Original-Disneyland in Kalifornien ist in die Themenländer Main Street, U.S.A., Adventureland, New Orleans Square, Frontierland, Critter Country, Fantasyland, Tomorrowland und Mickey's Toontown aufgeteilt. Die Regisseure Kirk Wise und Gary Trousdale etablierten die scherzhafte Idee, Disney-Filme danach zu sortieren, in welches Land sie passen: Märchenfilme wie «Arielle, die Meerjungfrau» sind Abstecher ins Fantasyland, Sci-Fi-Filme wie «Atlantis» gehören ins Tomorrowland.Nein, ich denke nicht. «Der König der Löwen» passt nicht ins Fantasyland, genauso wenig würde ich «Aladdin» in diesen Bereich stecken. Aber es ist schon eine interessante Beobachtung, gerade weil ich Teil des Teams von «Der Schatzplanet» war und ich diesen Film absolut liebe. Doch ich bin mir sicher, dass die Welt bereit für die Figur Baymax ist und auch für eine Story, die so viel Herz, Action und Humor hat wie «Baymax – Riesiges Robowabohu». Ich denke die tonale Balance des Films ist genau richtig. Nun liegt es an Ihnen, einen Erfolg daraus zu machen. [lacht]
Wir haben mit «Baymax – Riesiges Robowabohu» bald einen Disney-Animationsfilm, der auf einem Marvel-Comic basiert. Wie gut stehen die Chancen für einen Disney-Film, der auf einem Disney-Comic basiert? Zumindest hier in Europa erfreuen sich die Comics weiterhin überaus großer Beliebtheit …
Die Comics mit Micky oder Donald?
Genau.
Schön zu hören, denn Donald ist einer meiner Lieblinge. Ich mag generell widersprüchliche Persönlichkeiten und Donald ist ein Paradebeispiel an inneren Widersprüchen. Aber bei den Walt Disney Animation Studios werden Filme wie folgt gemacht: Wenn ein Regisseur eine Idee hat, an die er glaubt, dann stellt er sie dem Studio vor. Und wenn die Präsentation glaubhaft macht, dass diese Idee zu einem Film führen kann, auf den Amerika und die Welt gewartet haben, dann wird sie umgesetzt.
Okay, also abwarten. Um aber zurück zu «Baymax – Riesiges Robowabohu» zu kommen: Gab es abseits der Comicvorlage weitere Inspirationen?
Ja. Ein Aspekt, der mir an diesem Film sehr gefällt, ist die Kameraarbeit, und da gibt es Momente, die direkt aus einem klassischen Hitchock-Film stammen könnten. Die Handlung weißt auch ein kleines Mysterium auf, und wenn sich so etwas visuell widerspiegelt, dann ist das für mich Kino in Höchstform.
Gibt es auch Disney-Filme, die einen großen Einfluss auf «Baymax – Riesiges Robowabohu» hatten?
Nicht direkt, «Baymax – Riesiges Robowabohu» ähnelt aber den großen Disney-Klassikern insofern, als dass er viel Herz hat. Wenn wir einen Film verwirklichen, denken wir nicht: „Oh, lasst ihn uns wie «101 Dalmatiner» machen!“ Was aber vielleicht passiert ist, dass wir visuelle Überlegungen anstellen und wiederentdecken, dass «101 Dalmatiner» einen bemerkenswerten Look hat. Dennoch suchen wir stets nach einer Handlung, die alleine stehen kann und die unverbraucht wirkt. Das ist etwas, bei dem uns [unser Chief Creative Officer] John Lasseter sehr geholfen hat. Für mich sind die Disney-Studios am besten, wenn sie neue, aufregende Figuren entwickeln. Und ich denke, dass uns das mit «Baymax – Riesiges Robowabohu» gelungen ist.
Können Sie mir zum Abschluss etwas über «Moana» verraten, den neuen Film ihrer alten Weggefährten John Musker und Ron Clements?

Mr. Conli, herzlichen Dank für das spannende Gespräch und noch viel Erfolg mit «Baymax – Riesiges Robowabohu».
«Baymax – Riesiges Robowabohu» startet am 22. Januar 2015 in den deutschen Kinos.
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