«Gone Girl - Das perfekte Opfer»
- Kinostart: 02. Oktober 2014
- Genre: Thriller
- FSK: 16
- Laufzeit: 145 Min.
- Kamera: Jeff Cronenweth
- Musik: Trent Reznor, Atticus Ross
- Buch: Gillian Flynn
- Regie: David Fincher
- Darsteller: Ben Affleck, Rosamund Pike, Neil Patrick Harris, Tyler Perry, Carrie Coon, Kim DIckens, Missi Pyle
- OT: Gone Girl (USA 2014)
Wie gut kennt man den Menschen, den man liebt, wirklich? Diese Frage stellt sich Nick Dunne (Ben Affleck) an seinem fünften Hochzeitstag, dem Tag, an dem seine schöne Frau Amy (Rosamund Pike) spurlos verschwindet. Unter dem Druck der Polizei und des wachsenden Medienspektakels, bröckelt Nicks Darstellung einer glücklichen Ehe. Durch seine Lügen, Täuschungen und sein merkwürdiges Verhalten stellt sich jeder bald dieselbe unheimliche Frage: Hat Nick Dunne seine Frau ermordet?
Von der Besetzung über die visuelle Gestaltung bis hin zur geschickten Irreführung des Publikums erweist sich «Gone Girl – Das perfekte Opfer» als erster ernst zu nehmender Beitrag zur Oscar-Saison 2015. Was wie ein Entführungsdrama beginnt, durchläuft in seiner üppigen Laufzeit von knapp zweieinhalb Stunden mehrere Stationen vom bitterbösen Psychogramm zweier Eheleute über einen stechend satirischen Blick auf die manipulativen Fähigkeiten der (US-amerikanischen) Medien bis hin zum klassischen Gerichts- und Copthriller. Wer nun fürchtet, dass selbst ein Profifilmer wie David Fincher diesem Wust an Handlungssträngen nicht gewachsen sein kann, der irrt gewaltig: Die für das Drehbuch verantwortliche Gillian Flynn, die schon die Romanverlage verfasste, hangelt sich galant von Schwerpunkt zu Schwerpunkt und gestaltet die Übergänge als originelle Twists, die aus Spoilergründen an dieser Stelle nicht verraten werden sollen. Nur so viel: Wer glaubt, das grobe Storygerüst von «Gone Girl – Das perfekte Opfer» durchschaut zu haben, der wird schon in der nächsten Szene sein blaues Wunder erleben.
- © 2014 Twentieth Century Fox
Nach seiner Arbeit bei «House of Cards» widmet sich Regisseur Fincher nun wieder dem Thrillergenre.
Wenngleich insbesondere die zahlreichen Wendungen ebenso für Überraschung wie den notwendigen Spannungsaufbau sorgen, ist «Gone Girl» weit mehr als ein moderner Twist-Ride. David Fincher nimmt sich nicht bloß die Zeit einer ausführlichen Charakterformung, sondern untermauert den Status seines außergewöhnlichen Thrillers durch eine ausgeklügelte, sich stark am Roman orientierende Erzählweise. Während die Story an der Seite von Nick einsteigt und das aktuelle Geschehen aus der Perspektive des Protagonisten betrachtet wird, setzen Rückblenden aus der Sicht der vermissten Amy nach und nach die fragwürdigen Ereignisse einer vermeintlichen Bilderbuchehe der vergangenen Wochen und Monate zusammen. Wen «Gone Girl» für den Pro- und wen für den Antagonisten befindet, legt Fincher lange Zeit nicht offen. Immer wieder spielt das Drehbuch mit den Erwartungen des Publikums, unterläuft sie gekonnt und katapultiert den Zuschauer anschließend – wieder einmal – in die vollkommene Ungewissheit. Dies könnte, in eine schwächere Geschichte eingebettet, alsbald an der Glaubwürdigkeit der Gegebenheiten nagen; doch «Gone Girl – Das perfekte Opfer» ist so voll von ebenso eindringlichen wie lebensechten Dialogen, dass die fiktive Handlung trotz des überbordenden Ideenreichtums der Schriftstellerin nicht selten den Eindruck einer Nacherzählung von Tatsachen erweckt.
Diesen Anschein bestätigt auch die perfekte Besetzung: In den Hauptrollen spielen sich «Argo»-Mastermind Ben Affleck und die britische Schönheit Rosamund Pike («Hectors Reise oder Die Suche nach dem Glück») in die Gunst der Academy und deren Figuren um Kopf und Kragen. Während Affleck vor allem der Spagat zwischen glaubhafter Verzweiflung und vermeintlicher Gleichgültigkeit gelingt und er sich dadurch eine stete Undurchsichtigkeit bewahrt, agiert Pike vollkommen jenseits von Gut und Böse. Das Repertoire an Emotionen, welche die Aktrice in den 145 Minuten des Films abruft, ist in seiner Bandbreite und nuanciert vorgetragenen Spielweise vor allem eins: oscarwürdig! An der Seite dieses (Alb)Traumduos haben es die Nebendarsteller umso schwerer, zu bestehen. Das gelingt den meisten von ihnen dennoch hervorragend: Neben Missi Pyle («The Artist»), die den Inbegriff der mediengemachten Oberflächlichkeit mimt, beeindruckt insbesondere der vornehmlich durch TV-Formate bekannte Filmemacher Tyler Perry («If Loving You is Wrong») als den düsteren Grundton ab und an durch flotte Sprüche aufpeppender Star-Anwalt Nicks. Wer sich an dieser Stelle nun um die so konsequent bedrückende Film-Atmosphäre sorgt, kann beruhigt sein: Zwar erweist sich die Figur des charismatisch-extrovertierten Advokaten Tanner Bolt als überdeutliches Zugeständnis an die Sehgewohnheiten des Gelegenheitskinogängers, gleichzeitig wirken die zum Schmunzeln anregenden Äußerungen Perrys nie bemüht, sondern sind in den Momenten des Auftauchens regelrecht befreiend. In weiteren Rollen überzeugen Carrie Coon («The Leftovers») als Nicks dünnhäutige Schwester Margo, Casey Wilson («Bride Wars – Beste Feindinnen») als toughe Ermittlerin sowie «How I Met Your Mother»-Kultakteur Neil Patrick Harris, dessen schwer zu durchschauender Figur leider nur wenig Screentime vergönnt ist.
Visuell und akustisch ist «Gone Girl – Das perfekte Opfer» ein Fincher-Thriller nach Maß. Kein Wunder: Wie schon in seinen Vor-Werken wie «Verblendung» oder «The Social Network» steht auch in seinem neusten Werk Jeff Cronenweth hinter der Kamera. Helle Farben oder starke Kontraste gehörten noch nie zu den bewährten Stilmitteln des 52-jährigen Filmemachers; auch in «Gone Girl» dominieren dunkle, weiche Farben und eine dadurch entstehende allgegenwärtig angespannte Atmosphäre. Ähnlich verhält es sich bei dem Komponistenduo Trent Reznor und Atticus Ross: Ganz nach dem Motto „Never change a Winning Team“ greift Fincher auch an dieser Stelle auf ein altbewährtes Team zurück, das für seinen Thriller keinen einheitlichen Score komponierte, sondern deren einzeln auf die Szenen zugeschnittenen Musikfragmente sich in Instrumentalisierung und Tonfall unterscheiden. Mal untermalt ein leichter Electrobeat das Geschehen treibend, dann wiederum erweisen sich bedrohliche Streicher als richtige Wahl. In jeder Hinsicht gehört der Soundtrack zu «Gone Girl» zu den besten des Kinojahres!
Fazit: Mutiger war David Fincher mit Werken wie «Fight Club» oder «Sieben» sicherlich schon. Mit dem Zurückgreifen auf einen Weltbestseller unterwirft sich der Starregisseur einer bekannten Vorlage, die Gillian Flynn jedoch einst mit solch einer Akribie für menschliche Perversionen und seelische Abgründe verfasste, dass diese bei dem vielzitierten Regisseur in den allerbesten Händen ist. «Gone Girl – Das perfekte Opfer» ist ein in bestem Maße unterhaltsamer Thriller, der so viel mehr ist, als bloßes Spannungskino – diesen Film wird man nicht vergessen. Punkt.
«Gone Girl - Das perfekte Opfer» ist ab dem 02. Oktober bundesweit in den Kinos zu sehen!
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Welchen schwedischen Bestseller adaptierte David Fincher 2012 für die große Leinwand?
Tipp: Der Titel findet sich auch in der obigen Filmkritik.
Teilnahmeschluss ist am 12. Oktober 2014 um 23:59 Uhr. Viel Glück!
Weitere Informationen zu den Teilnahmebedingungen findet ihr unter http://tinyurl.com/QuotenmeterGewinn.
Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
29.09.2014 10:46 Uhr 1
29.09.2014 12:08 Uhr 2
23.02.2017 13:05 Uhr 3