Hinter den Kulissen
- Regie: Phillip Noyce
- Produktion: Jeff Bridges, Neil Koenigsberg und Nikki Silver
- Drehbuch: Michael Mitnick und Robert B. Weide
- Basierend auf dem Roman von Lois Lowry
- Musik: Marco Beltrami
- Kamera: Ross Emery
- Schnitt: Barry Alexander Brown
Schlussendlich landeten die Lizenzen bei Walden Media, dem Produktionshaus hinter «Die Chroniken von Narnia», sowie The Weinstein Company, die erhofften, mit «Hüter der Erinnerung – The Giver» auf der «Tribute von Panem»-Erfolgswelle mitreiten zu können. Jeff Bridges, der sich mittlerweile selber die Titelrolle zutraute, wurde in eben dieser besetzt und wirkte zudem als Produzent mit. Insofern bekam der Oscar-Preisträger nach langem Warten endlich seinen Willen. Allerdings ist fraglich, ob sich die Wartezeit wirklich bezahlt gemacht hat, denn Bridges' engagierte Darbietung versackt in einem substanzlosen Film.
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Denn Jonas bekommt keine geringere Position als die des nächsten Hüters der Erinnerung zugewiesen. Sein Mentor, der derzeitige Hüter der Erinnerung (Jeff Bridges), gehört zu den angesehensten Mitgliedern der Gemeinde und lebt abgeschieden in einer kümmerlich aussehenden Hütte am Rande einer Klippe. Dort wacht er über das Wissen um die Zeit vor dem großen Krieg – und wie sich zeigt, ruht dieses Wissen nicht nur in den vom Hüter gehorteten Büchern. Er verfügt auch über eine besondere Gabe, die er nutzt, um Jonas die Augen zu öffnen …
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Die hölzerne Dynamik unter den drei Teenagerfiguren wird im Finale dieser Dystopie endgültig zum Ballast, wenn Noyce mit dem Brecheisen eine antiklimatische Actionszene in die Story zwängt. Diese zählt mangels Charaktertiefe und Schwung in der Inszenierung zu den Tiefpunkten des Films. Unter den unnötigen Actioneinlagen und der schalen Teenieromanze leiden wiederum wichtigere Aspekte wie die interne Logik der von «Hüter der Erinnerung – The Giver» aufgebauten Filmwelt. Wichtige Fragen, wie der den Schauplatz der Handlung umgebende Grenzzaun funktioniert und weshalb eine ihre Vergangenheit fürchtende Gesellschaft ausgerechnet dem Hüter der Erinnerung umfassende Sonderrechte einräumt, bleiben bis zum Schluss ungeklärt. Da sie jedoch handlungsrelevant sind, lassen sich diese Logiklöcher nicht ohne Weiteres ignorieren. Stattdessen drängen sie sich nach und nach immer stärker auf und lenken die Aufmerksamkeit auf weitere narrative Stolpersteine.
Wichtiger als die innere Logik der Geschichte ist Noyce eine plakative visuelle Umsetzung der zentralen Botschaft von Louis Lowrys Roman: Durch die Lektionen des Hüters lernt Jonas, dass die menschliche Fähigkeit, Liebe und Glück zu empfinden, so erfüllend ist, dass es sich lohnt, auch Leid in Kauf zu nehmen. Um dies zu verdeutlichen, zeigt Noyce die gefühlsbefreite Kommune eingangs in kargem Schwarz-Weiß und lässt mit Jonas' steigendem Emotionsvermögen mehr und mehr Farbe ins Bild fließen. Dieses pfiffige Konzept setzen Noyce und sein Kameramann Ross Emery allerdings nur dürftig um: Die ersten Farbtupfer werden inkonsequent verwendet und die Schwarz-Weiß-Kinematografie macht kaum etwas aus den mannigfaltigen Möglichkeiten dieser altehrwürdigen filmischen Kunstform. Die Visionen, die Jonas durch seinen Mentor übermittelt bekommt und die ihm die unsrige Welt der Gefühle aufzeigt, sind dafür umso prägnanter: Ikonische, Bände sprechende Bilder in lebhaften Farben fassen das Spektrum der menschlichen Emotion griffig zusammen und sind von einer solchen Aussagekraft, dass es nicht verwundert, weshalb sie eine lebenslange Indoktrination durch die Kommune vergessen machen.
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Da «Hüter der Erinnerung – The Giver» weder mit seinen Figuren, noch mit seiner spröden Action oder seiner Weltbildung punktet, fällt umso stärker auf, wie einseitig Noyces Film auf den Zuschauer einhämmert. Die Moral, dass das Lebensglück das Leid überwiegt, mag sympathisch sein. Da sie die gesamte Laufzeit über dem Publikum ins Gesicht gebrüllt wird und sich aus ihr keine spannende Erzählung entwickelt, ist aber diese Erkenntnis spätestens nach der Hälfte des Films bloß ermüdend. Da helfen auch Bridges und der eingängige Score von Marco Beltrami nicht weiter.
Fazit: Blasse Hauptdarsteller und lahme Erzählweise: Die ideenarme Kinoadaption des Jugendbuchbestsellers ruht sich auf ihrer positiven Aussage und einem eifrigen Jeff Bridges aus.
«Hüter der Erinnerung – The Giver» ist ab dem 2. Oktober 2014 in vielen deutschen Kinos zu sehen.