Sonntagsfragen

Thomas Brezina: 'Ich will Kinder weder erziehen, noch belehren'

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Er ist der Held vieler Jugendlicher: Kinderbuchautor Thomas Brezina, der inzwischen für den ORF auch «okidoki» verantwortet. Wie er die künftige Entwicklung des Kinderfernsehens sieht...

Zur Person: Thomas Brezina

Thomas Brezina begann bereits zu Schulzeiten mit dem Schreiben und hatte auch schnell Erfolg damit. Im Alter von 15 Jahren gewann er den „Großen Österreichischen Jugendpreis“, für sein Drehbuch zur Puppen-Fernsehserie «Tim, Tom und Dominik». Dann arbeitete Thomas Brezina beim Radio, wo er unter anderem Hörbücher schrieb. Beim österreichischen Fernsehsender ORF war er zunächst Regieassistent. Er stellte sein Talent aber zur Genüge unter Beweis und übernahm dort 2008 schließlich die Verantwortung für das Kinderprogramm «okidoki». 1990 hatte Thomas Brezina mit der Buchreihe «Die Knickerbocker-Bande» dann auch als Autor seinen Durchbruch, der Erfolg seiner interaktiven Kinderserie «Tom Turbo» aus den 90er Jahren ist bis heute ungebrochen. Auch am Theater feierte Brezina Erfolge. Zu seinen zahlreichen Tätigkeiten zählen heute also unter anderem das Schreiben, Produzieren und das Moderieren. Durch seine Erfahrung weiß er also genau, auf was es beim Fernsehen ankommt, wie er Kinder mit seinen Geschichten fesselt und fasziniert – und wo die heutigen Probleme des Kinderfernsehens liegen. Momentan ist Thomas Brezina mit den Dreharbeiten für seine neue, interaktive Wissensshow «Knall Genial» beschäftigt, mit Sendungen wie dem «Forscherexpress» bringt er Kindern schon seit Jahren spannende wissenschaftliche Fakten nahe.
Ich bin mit Ihrer Buchreihe «No Jungs! – Zutritt nur für Hexen» aufgewachsen, da es mich als Kind begeistert hat, dass mal die Mädchen die starken sind. So kam ich auf die Frage, wie Sie es schaffen, so viele verschiedene Kindergruppen mit Ihren Büchern anzusprechen und immer genau deren Geschmack zu treffen?
Es freut mich sehr, wenn Sie das so sehen. Dass ich so viele Mädchengeschichten schreibe, das verwundert viele, inklusive vielleicht auch mich selbst, aber ich habe nie darüber nachgedacht, dass das so besonders ist. Es macht mir einfach Spaß. Mein Anspruch ist folgender: Ich will Kinder weder erziehen, noch belehren. Aber ich möchte sie begeistern und ich möchte sie bestärken, dass viel in ihnen steckt und dass das Leben nicht nur lebenswert ist, sondern auch tolle Sachen bringt und dass man viel daraus machen kann. Das ist mein Bestreben in allem. Was ich mache, wenn ich eine neue Geschichte entwickle: Ich schaue mir immer Kinder an und frage mich, würden die das lesen, ja oder nein? Ohne mit ihnen groß zu reden. Ich schaue sie mir nur an. Und dann stelle ich mir wenn ich schreibe vor, wenn ich jetzt vor vielen Kindern sitze und ihnen das vorlese, hören sie mir zu, ja oder nein? Danach entscheide ich, ob ich das so schreibe oder nicht. Aber mein Ziel war es immer, Kinder zu erreichen und vor allem, bei den Büchern, sie zum Lesen zu bringen. Und wenn ich vielleicht auf etwas wirklich stolz bin, dann darauf, dass ich sehr viele Kinder zum Lesen gebracht habe.

Eine Frage zu Ihrer Show «Tom Turbo». War es Ihre Idee, das Format interaktiv zu gestalten?
Ja, das war meine Idee, weil ich das als Kind so geliebt habe.

Gibt es denn dann auch etwas, dass Sie den Kindern mit Ihren Sendungen vermitteln wollen, zum Beispiel selbständig zu denken?
Das ist ganz unterschiedlich. Ich mache ja auch sehr viele Wissens- und Kreativsendungen und dabei geht es immer darum, Kinder für etwas zu begeistern. Ich drehe jetzt gerade für eine neue Wissenssendung und da geht es mir einfach darum, Kinder für «Knall Genial» zu begeistern, für geniale Ideen, die oft ganz klein sind oder für geniale Sachen, die es auf der Welt gibt. Das ist das Ziel dahinter, ich möchte diesen Wow-Effekt haben, dass man staunt, was es auf der Welt alles gibt, was man selber alles machen kann, was verblüffend ist. Bei «Tom Turbo» geht es darum, Kindern Geschichten zu erzählen, Abenteuer, sodass sie das Gefühl haben, hinter der nächsten Ecke könnte so ein Abenteuer auch auf mich warten und das regt doch die Fantasie ungeheuer an.

In Ihren Büchern geht es ja auch oft um Übernatürliches, was ja auch in die Richtung des Fantasieanregens geht.
Bei der Serie «No Jungs!» stand zum Beispiel – das weiß nur keiner – über jedem Buch eine kleine Lebensweisheit, die ich Kindern vermitteln wollte. Das weiß kein Mensch außer mir, dass ich diese zusätzliche Überschrift hatte - und der Rest ist in der Geschichte erzählt worden.
Thomas Brezina
Ja. Also bei der Serie «No Jungs!» stand zum Beispiel – das weiß nur keiner – über jedem Buch eine kleine Lebensweisheit, die ich Kindern vermitteln wollte. Das weiß kein Mensch außer mir, dass ich diese zusätzliche Überschrift hatte - und der Rest ist in der Geschichte erzählt worden.

Hatten Sie beim Schreiben der «Knickerbocker-Bande» bereits im Hinterkopf, dass die Bücher auch verfilmt werden könnten, oder haben Sie einfach mit dem Schreiben losgelegt?
Ich lege immer nur los. Alles andere kommt. Ich schreibe Bücher sehr filmisch, sie fangen alle sehr spannend an, die meisten Kapitel haben einen Cliffhanger, wo man gespannt ist, wie es weitergeht und auch von der Sprache her ist alles sehr bildlich.

Also haben Sie zu Beginn des Schaffensprozesses auch noch kein fertiges Konzept für die Bücher?
Wenn ich mich hinsetze und zu schreiben beginne, habe ich 60 Prozent der Geschichte im Kopf, der Rest entwickelt sich beim Schreiben.

Was bereitet Ihnen an der Arbeit mit Kindern die meiste Freude?
Die meiste Freude bereitet es mir, wenn sie mir erzählen, wie sehr sie etwas begeistert hat, was ich geschrieben oder gemacht habe. Das ist die größte Freude und die höchste Auszeichnung, wenn heute 35-Jährige mir erzählen, welche Bedeutung meine Bücher in ihrer Jugend hatten. Oder wie ich vor allem das Mädchenbild sehr stark geprägt habe, weil ich immer über starke Mädchen geschrieben habe. Als ich begann, die «Knickerbocker-Bande» zu schreiben, habe ich gesagt, das Oberhaupt der Bande ist ein Mädchen. Mir hat jeder gesagt, das ist unverkäuflich, mach das nicht, das wird ein Flop. Ich habe es doch gemacht – und es ist ein Erfolg geworden. Und wenn mir heute eben Erwachsene erzählen, wie sie das geprägt und beeinflusst hat, dann muss ich ganz ehrlich sagen, das ist unfassbar berührend für mich. Und genauso berührend ist es, wenn mir Kinder das heute erzählen.

Wenn Sie Ihre Erzählungen jeweils in gedruckter und gefilmter Form betrachten, bleibt es für Sie in beiden Medien dieselbe Geschichte, oder sind das zwei unterschiedliche Sachen?
Das sind zwei völlig unterschiedliche Medien, die die gleichen Charaktere und ähnliche Geschichten haben, die aber für das Medium unterschiedlich erzählt werden.

Man kennt es ja, dass man sich den Film zu einem Buch ansieht und feststellt, dass es doch zwei verschiedene paar Schuhe sind.
Ja, das muss auch leider so sein. Das ist so, weil es ein anderes Medium ist.

Das muss ja nicht zwingend etwas Schlechtes heißen.
Nicht immer, aber man hat Bilder im Kopf und mit denen kämpft man. Es gibt viele Motive, die oft stark vereinfacht werden und das sind die Probleme, die man hat und das enttäuscht dann.

Also würden Sie sich wünschen, dass man erst Ihre Bücher und dann die dazugehörigen Filme ansieht?
Nein, das muss ich jetzt ganz ehrlich sagen. Von welcher Seite auch immer jemand kommen will, mir ist alles Recht.

Wie sehen Sie die Zukunft des Kinderprogramms auf dem ORF, haben Sie in diesem Bereich noch bestimmte Wünsche oder Pläne?
Naja, Pläne gibt es einige, Wünsche gibt es auch. Es geht immer darum, dass wir neue Formate schaffen und trotz gekürzter Budgets weiterhin gute Sachen liefern können und dass vor allem die Programmflächen für Kinder gut erhalten bleiben. Das ist heute sehr wichtig.

Wo sehen Sie denn die großen Probleme des Kinderfernsehens? In Deutschland gibt es ja immer wieder Probleme, wie zum Beispiel die Verschiebung von Kindersendungen zu Gunsten anderer Formate.
Das Wichtigste heute sind Spartensender für Kinder, der KIKA zum Beispiel hat ja einen riesen Erfolg, denn er bietet Verlässlichkeit. Die Eltern wissen, wenn das Kind das aufdreht, was dort kommt und dass es immer zur gleichen Zeit kommt
Thomas Brezina
Das ist ganz einfach und ganz klar. Öffentlich-rechtliche Sender haben nach wie vor Kinderprogramme, zum Beispiel zum Wochenende. Das ist sehr nett, es fällt aber dann sofort, wenn Sport läuft, wieder aus und hat keine Verlässlichkeit. Das Wichtigste heute sind Spartensender für Kinder, der KIKA zum Beispiel hat ja einen riesen Erfolg, denn er bietet Verlässlichkeit. Die Eltern wissen, wenn das Kind das aufdreht, was dort kommt und dass es immer zur gleichen Zeit kommt und das ist ganz wichtig. Ich glaube, die Zukunft des Kinderprogramms liegt in Spartensendern – und liegt außerdem darin, dass wir die Kinderprogramme über Live-Streaming zugänglich machen, also über Video-on-Demand, über Apps, etc. Das heißt, dass wir hier einen größeren Zugang schaffen, es muss immer eine Erstausstrahlung auf dem Sender geben, aber danach braucht es einen Zugriff über andere Medien, der vor allem auch zeitunabhängig ist und der dann vielleicht auch in der Interaktivität zusätzliche Punkte bringt.

Kommen Sie neben Ihren zahlreichen Aufgaben beim Fernsehen denn noch zum Schreiben?
Das ist eine Einteilungssache. Ich habe beim Fernsehen zu tun, ich bin jetzt zwei Wochen hier, habe Dreharbeiten und viele Besprechungen und danach geht es zwei Wochen nach England zurück und dort schreibe ich dann ausschließlich.

Also schreiben Sie lieber in England als in Österreich?
Ja. Ich schreibe seit 20 Jahren in England.

Herr Brezina, damit bedanke ich mich ganz herzlich bei Ihnen für Ihre Zeit und die Beantwortung meiner Fragen.

Lesen Sie auch: Den ersten Teil unseres großen Interviews mit Erfolgsautor Thomas Brezina.

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