Cast & Crew
Vor der Kamera:Alice Dwyer («Heute bin ich blond») als Laura (18-21 Jahre), Julia Niegel als Laura (14-15 Jahre), Naomi Krauss («Nacht über Berlin») als Mutter (39-45 Jahre), Katharina Nesytowa («Zorn – Tod und Regen») als Mutter (24-37 Jahre), Maxim Mehmet («Männertreu») als Vater (30-50 Jahre), Fabian Feder als Gabi (22 Jahre), Monika Manz als Tante Ida
Hinter den Kulissen:
Regie und Drehbuch: Michael Verhoeven, frei nach dem Roman „Von Zuhause wird nichts erzählt“ von Laura Waco, Musik: Manu Kurz, Kamera: Wolfgang Aichholzer, Schnitt: Romy Schumann, Produktion: Eikon Süd und Sentana Filmproduktion
Die Protagonistin zeigt, als jüdisches Mädchen, dass es im Nachkriegsdeutschland nicht nur den weiterbestehenden Judenhass gab. Auch auf Seiten der jüdischen Mitbürger wird Verachtung dargestellt, die sich gegen die Deutschen und die eigene nationale Identität richtet – dies aber lehnt Laura ab. Und das obwohl – so verallgemeinernd es auch sein mag – diese Abneigung durchaus verständlich erscheint (zumindest weit nachvollziehbarer als der anlasslose Antisemitismus), so man sich die Geschichte von Lauras Familie anschaut: Beide Elternteile haben unterschiedliche Konzentrationslager überlebt. Nach dem Krieg landeten sie in Freising, wo die Protagonistin Laura 1947 geboren wurde. In ihrer Kindheit musste das Mädchen miterleben, wie die Mutter auf dem Schwarzmarkt gerade so das Nötigste besorgte, zugleich wuchs Laura im Umfeld vieler verstörter und psychisch beeinträchtigter Menschen auf. Unter schwierigen Umständen kam sie schließlich nach München. Die Crux des Films allerdings zeigt sich schon dann, wenn es an wirklichen Inhalten im Folgenden eher mangelt: Das Grundgerüst wird ergänzt durch eine Art Coming of Age-Story in besonderen Umständen, betrachtet in der Retrospektive, und eine Rahmenhandlung, in der die ausgewanderte Laura aufgrund des Unfalltods ihres Vaters in die Heimat zurückfliegt.
An sich könnte das Heranwachsen in dieser Zeit (oder generell im historischen Kontext begriffen) durchaus interessant sein, zumal die Thematik nicht zu abgegriffen ist. Aber zu dem Mangel an Handlung kommt noch, dass die angesprochenen Probleme zu platt angepackt werden: Die jüdische Familie steht im Konflikt zwischen Geschäft und Verwandtschaft, dann ist da eine Protagonistin, die mit ihren Eltern Schwierigkeiten bekommt, weil die Religion und das religiöse Verständnis des potenziellen Ehegatten nicht übereinstimmen und schließlich gibt es noch diesen Rahmen, der nicht sonderlich klug integriert zu sein scheint und die Situation eher wirr erscheinen lässt. So schrecklich das Einzelschicksal hier auch sein mag, so platt und verwechselbar wird es dargestellt.
Ja, es werden furchtbare Zustände und nach dem Krieg durchaus existenter Antisemitismus beschrieben. Und ja, die Geschichte erscheint wirklich authentisch. Genau so mag sich das Geschehen nach dem Krieg dargestellt haben. Aber reicht das schon? Klare Antwort: Nein. Nein, das reicht bei weitem nicht. Denn die potenziell vorhandene Brisanz schafft es nicht das Potenzial zu entfalten, welches nötig gewesen wäre, sondern erstickt die meisten Ansätze im Keim.
Einem Themenaspekt allerdings gelingt es dann doch – zumindest im Ansatz – die Relevanz zu entwickeln, der es bedarf: Wenn über die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit des Auswanderns (aus politischen Gründen) diskutiert und gestritten wird, so ist das zumeist recht interessant. Gerade hier werden die Schwierigkeiten in der Identitätssuche deutlich. Genau hier wird klar, warum das Aufwachsen der Kinder so kompliziert war. Auch die retrospektive Betrachtungsweise hilft an dieser Stelle merklich.
Was die Buchvorlage anbelangt, hat der Spiegel seinerzeit ebenfalls davon gesprochen, dass es sich nur wenige zuvor getraut haben, den Hass herauszuschreien. Eben dieses, vielleicht befreiende, für den Zuschauer aber sicherlich auch beklemmende Element fehlt dem Film jedoch. Man hat zu den wenigsten Zeitpunkten das Gefühl, dass wirklich alle Dämme brechen, das wirklich alles raus gelassen wird, was raus gemusst hätte. Um wirklich zu überzeugen, ist «Let's Go» womöglich noch zu sensibel und nicht drastisch genug. So aber bleibt ein Produkt über, das zwar durchaus eine relevante Grundthematik behandelt, dem es aber an Brisanz zu sehr mangelt. Auf die immer wieder auftretende und fast aktionistisch wirkende Aufforderung von Lauras Vater „Let's go!“ lässt sich so nur erwidern „Wohin denn?“. In welche Richtung es gehen sollte, wird nämlich nie wirklich klar – auch zum Finale nicht. Dazu passt, der fast schon billig wirkende Clou, als erklärt wird woher dieser Ausspruch, eben jenes „Let's go!“, kommt. Sehen sie selbst. Aber keine Sorge: Sie verpassen auch nichts, wenn sie es nicht sehen.
«Let's Go» ist am Mittwoch, 8.Oktober um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.