Die Kritiker

Vorabend geht auch anders...

von

Wer nach «Dating Daisy» die Hoffnung auf einen halbwegs gelungenen Vorabend aufgegeben hat, sollte zum ZDF rüberschalten: zur neuen Serie «Dr. Klein».

Hinter den Kulissen von «Dr. Klein»

Vor der Kamera:
Christine Urspruch als Dr. Valerie Klein
Miroslav Nemec als Prof. Dr. Magnus Eisner
Simon Licht als Dr. Bernd Lang
Clelia Sarto als Dr. Luna Haller
Michael Klammer als Dr. Jonas Müller
Martina Eitner-Acheampong als Gundula Pieper
Nora Huetz als Nanny Abel

Hinter der Kamera:
Produktion: Bavaria Fernsehproduktion
Headautor: Torsten Lenkeit
weitere Autoren: Thomas Frydetzki, Stephan Wuschansky, Andreas Knaup, Axel Hildebrandt und Mira Roth
Regie: Gero Weinreuter und Rainer Matsutani
Kamera: Thomas Ch. Weber
Produzent: Oliver Vogel
Wer im Ersten gerade Daisy gedatet hat, wird nun bestimmt ein ganz grässliches Bild vom öffentlich-rechtlichen Vorabend haben. Schwer vorstellbar, dass das Rüberschalten zum ZDF diesen schlechten Eindruck wieder gerade rücken könnte.

Aber wenn man «Dr. Klein» eine Chance geben will, dürfte sich eine solche Wirkung glatt einstellen.

Denn während ARD-Daisy ein völlig unambitioniertes Stück haltungslose Kitschfiction mit allerhand realitätsfremden Plots und maßlos überkandidelten Figuren ist, ist «Dr. Klein» zwar sicherlich nicht die Speerspitze der deutschen Serie, aber doch eine liebevoll erzählte Produktion mit verhältnismäßig nahbaren Figuren und einem zumindest erträglichen Kitsch- und Klischeequantum.

Auch wenn die dramaturgische Grundsituation zunächst wenig einladend wirkt: Eine kleinwüchsige Ärztin arbeitet auf der Kinderstation. Zu groß ist die Angst vor all den platten Witzchen, die man in einer innovationslosen Vorabendserie erwartet. Oder die Befürchtung, dass „Hihi, die ist ja nur genauso groß wie ihre sechsjährigen Patienten, und dann heißt die auch noch Klein, wie lustig“ der komödiantische Maßstab sein soll.

Vorneweg: Viele dieser schalen Gagimitate finden hier auch statt. Anders als in einer Serie wie «Dating Daisy», wo dieses Fips-Asmussen-Niveau tatsächlich Lacher abräumen soll, werden die drögen Punchlines bei «Dr. Klein» allerdings zur Charakterisierung genutzt. Speziell der Charakterisierung ihres Antagonisten Dr. Lang, der mit seinen selbstgefälligen Attitüden und den zahlreichen Spötteleien gleich sämtliche Antipathiepunkte auf sich vereint.

Um Dr. Valerie Klein muss man sich sowieso keine Sorgen machen: Die ist eine Koryphäe auf ihrem Fachgebiet, glücklich verheiratet, hat zwei Kinder – und wird von Christine Urspruch wunderbar liebenswert verkörpert. Will man einer ZDF-Vorabendserie tatsächlich einen normativen Charakter zugestehen, so ließe sich gar argumentieren, dass dieser hoch intelligenten und sehr nahbaren Figur auch eine gewisse Vorbildfunktion zugeschrieben werden kann: Schließlich illustriert Dr. Klein, dass man trotz einem von der Norm abweichenden körperlichen Erscheinungsbild ein sehr erfülltes Berufs- und Privatleben führen kann. Angesichts des Sendeplatzes ist diese Funktion wahrscheinlich auch nicht zu unterschätzen.

Natürlich ist diese Serie gleichzeitig keine narrative Revolution: Alle Kernmerkmale des Genres, die einfach gestrickten Plots, die moralisch höchstens geringfügig ambivalenten Figuren und die vorhersehbaren Handlungsverläufe, werden restlos bedient. Trotzdem ist «Dr. Klein» weitaus angenehmer als vergleichbare Formate, zum Beispiel das unerträglich doofe «Dating Daisy»: Denn «Dr. Klein» lebt nicht allein vom abgedroschen Klamauk, sondern hat eine außergewöhnliche Hauptfigur in ihrem dramaturgischen Zentrum, die nicht so billig auf Massengeschmack getrimmt ist, aus der man keine hohle Dumpfbacke gemacht hat, im Glauben, das komme an. Die neue ZDF-Serie ist da – man wagt es kaum zu schreiben – eleganter, vielschichtiger, cleverer, mit der Ambition entworfen, weg von der Wiederverwertung jahrzehntealter Versatzstücke zu kommen und gleichzeitig doch Gewohntes zu präsentieren. Eine äußerst schwierige Gratwanderung, wahrscheinlich eine der schwierigsten, die das deutsche Fernsehen überhaupt zu bewältigen hat. Und eine, die selten so gut gelingt wie hier.

Das ZDF zeigt zwölf Folgen von «Dr. Klein» ab Freitag, den 10. Oktober um 19.25 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/73683
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelDie «Tortenschlacht» kehrt zurücknächster ArtikelSport1 begleitet die Baskets durch Europa

Optionen

Drucken Merken Leserbrief



Heute für Sie im Dienst: Fabian Riedner Veit-Luca Roth

E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung