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Auch die finanzielle Abhängigkeit vom Kredit des Schwiegervaters macht Noah zu schaffen: Nicht, weil er Angst haben müsste, dass der ihm aufgekündigt wird, sondern weil dieser Mann ihn auch in seinem künstlerischen Leben erdrückt. Denn während Noah an seinem zweiten Roman gerade kaum weiterkommt, ist der Schwiegervater durch seine schriftstellerische Arbeit steinreich geworden: „Everyone has one book in them. Almost nobody has two“, sagt der alte Mann auf seinem prachtvollen Grundstück sitzend, das er sich von den Filmrechten an seinen zahlreichen Büchern finanziert hat.
Die andere Hälfte der Showtime-Serie gehört Alison Lockhart, die mit ihrem Mann Cole in jener verschlafenen New Yorker Kleinstadt wohnt, die Noah mit seiner Familie gerade besucht. Sie hält sich dort mit einem Kellnerjob in einem Restaurant über Wasser. Die Beziehung zwischen Alison und Cole wirkt von Anfang an gereizter als die der Solloways. Das hat Gründe: Die Lockharts haben 2012 ihr damals vierjähriges Kind verloren. Beide haben das nicht verkraftet, obwohl sie den Schmerz nach außen hin gut kaschieren können. Der Zusammenbruch findet statt, wenn die beiden allein sind und in ihrer Trauer trotz aller körperlichen Intimitäten nicht mehr zueinander finden können. Oder wenn sie völlig für sich sind, etwa in einer der ergreifendsten Szenen des Piloten, in der Alison am Grab ihres Kindes sitzt und Peter Pan liest.
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- Showtime
Joshua Jackson, Ruth Wilson, Dominic West und Maura Tierney sind die Hauptdarsteller von Showtimes neuester Eigenproduktion «The Affair».
Doch Distanz bedeutet keinen Verlust von Nahbarkeit oder Intensität. Ganz im Gegenteil: Das Auge des Betrachters sieht in «The Affair» auch dann nicht weg, wenn es schwer zu ertragen wird. Gleichzeitig stellt dieses Stilmittel sicher, dass die Serie nie den Weg des billigen Emotionalisierens geht: die intensiven Momente sind durch das starke Spiel von Dominic West und Ruth Wilson sowie das spannende, wohl durchdachte Drehbuch emotional deutlich fordernder als das wahrscheinlich bei einer Erzählform gelänge, die vermeintlich näher an den Figuren wäre.
«The Affair» wirkt deshalb auch für Premium-Cable-Verhältnisse ungewohnt. Doch die konsequente Zweiteilung der Episoden und das Spiel mit den falschen oder verfälschten Erinnerungen der beiden Hauptfiguren ist kein bloßes Gimmick, sondern essentieller Bestandteil des Konzepts, ein neuer, kontraintuitiver Weg zum nahbaren Erzählen. Die Serie verdient nicht nur Aufmerksamkeit, weil sie dramaturgisch anders aufgebaut ist als das Regelfernsehen. Sondern primär weil ihr eine sehr spannende, intensiv erzählte Geschichte gelungen ist, die man unbedingt weiterverfolgen will.
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16.10.2014 20:31 Uhr 1