Hingeschaut

Stuckrad mal ganz zahm

von

Die Premiere von «Stuckrads Homestory» überraschte vor allem durch einen erstaunlich zurückhaltenden Moderator. Dem Unterhaltungswert war das jedoch eher abträglich.

Schaffen von Stuckrad-Barre

  • Schrieb u.a. für Rolling Stone, FAZ, Die Woche, Stern und taz
  • Schrieb nach seinem Debütroman «Soloalbum» (1998) noch einige weitere Bücher
  • War als Autor für die «Harald Schmidt Show» tätig
  • Präsentierte von 2010-2013 eigene Late-Night (erst bei ZDFneo, dann bei Tele 5)
Benjamin von Stuckrad-Barre war immer schon ein streitbarer Charakter. Der Schriftsteller, Journalist und Moderator ließ sich vor zehn Jahren nach einem öffentlichen Bekenntnis zur Alkohol- und Kokainsucht bei seinem Entzug filmen und moderierte zuletzt knapp drei Jahre lang eine politische Late-Night-Show, in der er auch hochrangige Politiker mit diversen kritischen Fragen immer wieder ins Schwitzen brachte. Doch hiervon war in seinem neuesten Format «Stuckrads Homestory», das am späten Donnerstagabend erstmals im rbb ausgestrahlt wurde, nur noch wenig zu sehen. Das Treffen mit Udo Lindenberg entwickelte sich viel mehr zu einem intimen Plausch unter guten Bekannten, bei dem man dem Moderator seine Sympathie für den Gast deutlich anmerkte.

Konzeptionell ist das Format sehr schlicht gehalten: Stuckrad-Barre trifft in jeder Folge auf eine bekannte Persönlichkeit, wobei er erst unmittelbar vor dem Aufeinandertreffen erfährt, um wen es sich handelt. Ob Udo Lindenberg unbedingt die beste Wahl für das erste Meeting ist, kommt auf die Erwartungshaltung des Zuschauers an. Die beiden Protagonisten kennen sich bereits seit Jahren, was auf der einen Seite eine authentische Zuneigung zueinander kreiert, ihnen andererseits aber auch viele Ecken und Kanten raubt, durch die man sie in der Öffentlichkeit vornehmlich kennt. Dies wirkt sich vor allem auf Stuckrad-Barre erheblich aus, der an diesem Abend kaum etwas von seinem sonst so prägnanten Zynismus zeigt.

Ohnehin ist diese Homestory im krassen Gegensatz zu «Stuckrad Late Night» klar auf den Gast fokussiert, während Stuckrad-Barre den ernsthaft interessierten, partiell fast untertänig wirkenden Fragesteller gibt, der im Hintergrund bleibt und seinem Gegenüber alle Chancen gibt, sich in Szene zu setzen. Hierfür ist der erfahrene Kult-Musiker natürlich ein dankbarer Gast, der auf eine bewegte Lebensgeschichte mit vielen Erfolgen und Rückschlägen zurückblicken kann. An verschiedenen Schauplätzen Berlins berichtet er von großen Konzerten, Durststrecken, seiner Stasi-Akte und seinem langjährigen sozialen Engagement, während hin und wieder einige Musikclips und Konzert-Mitschnitte zu sehen sind.

Inhaltlich bewegt sich der Talk auf einem durchaus anspruchsvollen Niveau, erreicht aber nie eine so große Tiefe, dass man von einem höchst substanziellen Gespräch sprechen könnte. Gleichwohl ist ein gewisses Grundinteresse am Gast unerlässlich, um Freude an der Sendung empfinden zu können. Wer mit Lindenberg, seinem Schaffen und seiner Haltung wenig bis gar nichts anfangen kann, wird dessen Ausführungen schnell nicht mehr wirklich folgen wollen. Auf überraschende Elemente oder Aktionen zugunsten eines höheren Unterhaltungswertes und Abwechslungsreichtums verzichtet die Produktion völlig. Der Star ist einzig Lindenberg - und Stuckrad-Barre scheint damit auch überhaupt kein Problem zu haben.

Zumindest in den letzten Minuten der halbstündigen TV-Ausstrahlung bemüht man sich dann doch noch um ein wenig Tempo, als der Moderator seinem Gast Fragen stellt, auf die er in wenigen Worten zu antworten hat. Nettes Gimmick hierbei: Sie hocken an einer Theke und schieben sich gegenseitig ein augenscheinlich mit hochprozentigem Alkohol gefülltes Glas hin und her - immer zu demjenigen, der gerade das Wort hat. Anschließend verlassen sie den Ort und joggen noch ein wenig, bis Udo verabschiedet wird. An seine Stelle tritt nun Christian Ulmen, der Stuckrad-Barre das soeben geführte Gespräch noch einmal rekapitulieren lässt. Diese Reflexion ist eine schöne Idee, fällt in diesem Fall jedoch auch recht karg und unspektakulär aus.

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Insgesamt ist «Stuckrads Homestory» ein Format, das vor allem dadurch überrascht, dass es kaum überrascht. Der Moderator wirkt deutlich geerdeter, aber letztlich eben auch austauschbarer und haltungsärmer als in seiner Late-Night zuletzt. Hatte er dort ein klares Profil, mit dem er einige Zuschauer verschreckte und eine vergleichsweise kleine Minderheit begeisterte, hat man bei seiner Homestory das Gefühl, an seiner Stelle hätten auch viele andere Journalisten stehen können, ohne dass der Sendung viel verloren gegangen wäre. Ein Must-See ist das neue rbb-Projekt also mit Sicherheit nicht - gerade dann nicht, wenn man mit dem jeweiligen Gast nicht allzu viel anfangen kann.

Die weiteren fünf Folgen von «Stuckrads Homestory» laufen bis Ende November donnerstags um 22:45 Uhr im Rundfunk Berlin-Brandenburg.

Kurz-URL: qmde.de/73853
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