Die Kritiker

«Mörderhus»

von

Unter der Regie von Genre-Spezialist Andreas Herzog entstand der gelungene Start einer neuen ARD-Krimireihe, die Usedom zum Schauplatz hat.

Hinter den Kulissen

  • Regie: Andreas Herzog
  • Drehbuch: Scarlett Kleint, Michael Illner, Alfred Roesler-Kleint
  • Besetzung: Katrin Sass (als Karin Lossow), Lisa Maria Potthoff (als Julia Thiel), Peter Schneider (als Stefan Thiel), Emma Bading (als Sophie Thiel), Dirk Borchardt (als Heiner Krenzlin) und andere
  • Kamera: Philipp Sichler
  • Schnitt: Gerald Slovak
  • Szenenbild: Monika Nix
  • Casting: Anja Dihrberg
  • Kostümbild: Ulla Gothe
  • Musik: Colin Towns
  • Ton: Andreas Kluge, Axel Behrens
Ein Inselkrimi – diese Umschreibung lässt manch einen Zuschauer frösteln, wäre es doch nicht das erste Mal, dass sich ein filmisches Werk viel mehr mit seiner Kulisse, als dem Erzählen einer Geschichte aufhält. Diese Gefahr besteht bei «Mörderhus» nicht – wobei ein Frösteln beim Betrachter dennoch nicht ganz auszuschließen ist, spielt der Film doch im wettertechnisch unangenehmen Spätwinter. In diesen tritt Karin Lossow zu Beginn des Films hinaus, als sie nach sechs Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen wird. Die ehemalige Staatsanwältin, gespielt von Katrin Sass, betrachtete die vorangegangenen Jahreszeiten durch schwedische Gardinen, weil sie im Affekt ihren untreuen Ehemann erschossen hatte. Tatwerkzeug war die Dienstwaffe ihrer Tochter, ihres Zeichens Polizistin, die unter dem Verlust des Vaters bis heute leidet und sich nach deren Entlassung außerstande sieht, wieder eine Beziehung zu ihrer Mutter aufzubauen. Dass sie selbst, neben Ehemann und Tochter, eine Affäre pflegt, erleichtert ihr dabei kaum, den neuen Alltag zu meistern.

Diese Konstellation schafft spannende Figuren, die sich nicht nur durch interessant ausgearbeitete Persönlichkeiten auszeichnen, sondern auch dadurch, dass die Autoren vermeiden, jeden Charakterzug der Protagonisten innerhalb der neunzig Minuten aufzulösen. Sicherlich ist das auch dem Umstand geschuldet, dass der Film als Start einer Reihe geplant ist, die sich zukünftig mit anderen Formaten den Sendeplatz in der Donnerstags-Primetime teilen soll. Dennoch machen die Geheimnisse der Figuren und hier insbesondere die verurteilte Staatsanwältin, nicht nur Lust auf eine Fortsetzung der Geschichte, sondern tragen ganz zweifelsfrei zur Stimmung der Erzählung bei, über der die Hintergründe der Ermordung des untreuen Ehemanns auch Jahre nach der Tat wie ein Damoklesschwert hängen. Mit einer Rückblende zeigt der Film die Tat selbst zwar überdeutlich, Einblicke in die psychischen Abgründe, die damit einhergehen, werden den Zuschauern aber höchstens Häppchenweise vorgesetzt.

In vielerlei Hinsicht wird gelingt es «Mörderhus», zu überraschen. Der im Wesentliche im Februar dieses Jahres abgedrehte Film verzichtet darauf, Usedom als Idylle darzustellen. Das betrifft sowohl die landschaftlichen Aspekte, die durch die frostige Witterung und den Toten am Bootssteg deutlich an Charme verlieren, als auch die gesellschaftliche Realität vor Ort, die sich weniger durch glückliches Leben am Ostseestrand auszeichnet, als viel mehr Intrigen, sozialen Abstieg und Rachegelüste betont. Auch die beiden Hauptfiguren geben den Zuschauern Rätsel auf. Wie empfindet die ehemalige Staatsanwältin mit Rückblick auf die Tötung ihres Mannes, spürt sie Reue oder hält sie ihr Vorgehen mit Blick auf die Schwere seines Vertrauensbruchs doch für gerechtfertigt? Und wie „meistert“ die Tochter, erfolgreiche Polizistin, ihr Doppelleben als Ehefrau und Geliebte und welchen Ausweg aus der widersprüchlichen Beziehungslage steht ihr im Sinn?

Der rätselhafte Tod eines gelähmten Mannes, der samt Rollstuhl in die Ostsee stürzt, gerät dabei fast zur Nebensache. Dem ersten Film der Reihe ist das zu verzeihen, jedoch darf mit Spannung erwartet werden, wie die Autoren zukünftig die Geschichte der Hauptfiguren mit den Verbrechen vor Ort verknüpfen. Das ist insbesondere deshalb interessant, weil die Beziehungen innerhalb der Familie jegliche Trivialität vermissen lassen und kaum eine einfache Auflösung finden werden – das wäre jedenfalls enttäuschend. Getragen wird die Erzählung dabei nicht nur vom guten Buch und der gekonnten Regie, sondern auch von den ausnahmslos großartigen Schauspielern. Katrin Sass wird ihrem Ruf gerecht, Lisa Maria Potthoff verleiht der Tochter große Glaubwürdigkeit. Als jüngstes Mitglied der Familie überzeugt Emma Bading, der es gelingt, die zwischen Großmutter, Mutter und Pubertät hin- und hergerissene Figur der Sophie Thiel mit Leben zu füllen.

Nicht unerwähnt darf die Kameraarbeit von Philipp Sichler bleiben, der das Geschehen aus spannenden Perspektiven eingefangen hat und dessen Talent insbesondere in der Konfrontation zwischen Mutter und Tochter offensichtlich wird. Ihm gelingt es dabei, die Beziehung der beiden, die ebenso von Gegensätzen wie von Parallelen geprägt ist, auf der Bildebene festzuhalten. Untermalt wird die Erzählung von der Musik Colin Towns, die mit leisen Tönen glänzt. In der Gesamtheit präsentiert sich «Mörderhus» als gelungenes Werk, das Vorfreude auf kommende Fernsehfilme macht. Dabei bleibt zu hoffen, dass die Geschichte und Stimmung des Auftakts im Folgenden würdig weitergetragen wird, ohne in die Untiefen künstlerischer Irrelevanz abzutauchen, in der sich andere Krimi-Produktionen der ARD bisweilen wiederfinden.

«Mörderhus – Der Usedom-Krimi» wird am Donnerstag, den 30. Oktober 2014, ab 20.15 Uhr im Ersten ausgestrahlt.

Kurz-URL: qmde.de/74103
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