Die Kritiker

«Polizeiruf 110: Eine mörderische Idee»

von

Der neueste «Polizeiruf» setzt sich aus einem spektakulären Ablenkungsmanöver, einem schweren Raub und einem Cyberkriminalfall zusammen – und ergibt somit einen spannenden Krimi.

Cast und Crew

Vor der Kamera: Claudia Michelsen («Napola - Elite für den Führer»), Sylvester Groth («Inglorious Basterds»), Felix Vörtler («Die Holzbaronin»), Steve Windolf («SOKO Köln»), Oliver Korittke («Bang Boom Bang»), Judith Rosmair («Paul Kemp»), Jonas Minthe («Wilsberg»), Tonio Arango («Offroad»), Laura Berlin («Rubinrot»)


Hinter der Kamera: Regie: Stephan Rick Drehbuch: (Stephan Brüggenthies, Olaf Kaiser, Stephan Rick, Kamera: Anton Klima, Musik: Stefan Schulzki

Die neueste Ausgabe des «Polizeiruf 110» verbindet einen klassischen Raub mit einem Ablenkungsmanöver und Cyberkriminalität. Das Team aus Magdeburg ist zunächst in einem Großeinsatz beschäftigt, da ein anonymer Anrufer drohte, alle Supermärkte in die Luft zu sprengen. Gleichzeitig findet ein Überfall auf den Containerhafen statt, bei dem der Wachmann ermordet wird und ein Container mit Mobiltelefonen gestohlen wird.
Schnell wird klar, dass beide Fälle zusammenhängen.

Doch auch wenn dem Zuschauer und den Protagonisten der Zusammenhang schnell deutlich wird, heißt dies nicht, dass deshalb der komplette Fall von Beginn an durchsichtig ist. Als der Verdacht auf einen Professor der örtlichen Universität fällt, der im Computermilieu beheimatet ist, steigt die Spannungskurve weiter an. Die Rolle wird von Tonio Arango gespielt, der hier sein Talent einmal mehr aufleben lässt. Auch das Duo der ermittelnden Hauptkommissare Brasch und Drexler, gespielt von Claudia Michelsen und Sylvester Groth, harmoniert großartig.

Die Anspannung zwischen beiden Hauptfiguren, um die Rolle des Alphatiers und die anzuwendenden Methoden, klingt in jeder Szene durch. Eigentlich sind die beiden eingespielte Kollegen und kennen einander sehr gut, doch keiner möchte sich in diesem Fall dem Anderen gegenüber Offenbaren. Und so tappt das Duo im Dunkeln: Ganz egal was die Ermittler versuchen, der Täter scheint ihnen immer einen Schritt voraus zu sein. Dies wird brillant inszeniert, da der Anonyme stets in dunkle Schatten getaucht wird und die Kamera seine Macht zugleich unterstreicht, indem sie zeigt, dass er sich einen Zugang zum System der Polizei verschafft hat.

Der Neunzigminüter legt in der zweiten Hälfte nochmals deutlich an Spannung und Nervenkitzel zu. Zum einen wird der Kreis der Tatverdächtigen immer größer und mehr und mehr Nebenhandlungen gewinnen an Relevanz. Und zu guter Letzt jagen Brasch und Drexler in einer packenden Hatz die fähige Phantomgestalt. Dies liegt an den dynamischen Kamerafahrten, die Regisseur Stephan Rick hier immer wieder nutzt, gepaart mit der musikalischen Untermalung. Als dann noch einer der Tatverdächtigen ums Leben kommt und das Ganze der Inszenierung eines Selbstmord ähnelt, wird das Team vor eine Zerreißprobe gestellt.

Wohlgemerkt: In diesen Nebensträngen gelingt es weder Oliver Korritke noch Judith Rosmair herauszustechen. So ist es gemäß der Genrestandards auch leider nicht nicht verwunderlich, dass die Motivsuche bei beiden in den Hintergrund fällt, nur um dann später – vermeintlich überraschend – mit aller Kraft noch einmal in den Vordergrund geschoben zu werden. Dabei traut man den Rollen mehr zu, als sie eigentlich hergeben. Der Spediteur, der bereits einmal pleite war und dessen Frau in Wahrheit das Unternehmen leitet, soll plötzlich ein geniales Computergenie sein. Glücklicherweise schafft der «Polizeiruf» es schnell, von diesem Hirngespinst abzuweichen und sich auf das Kernthema zu fokussieren. Auf dem Weg dorthin wird zudem einmal das omnipräsente Thema des Datenschutzes aufgegriffen.

Letztendlich schafft der Krimi es, ein reichlich komplexes Thema, welches den Zuschauer im positiven Sinne verwirrt, simpel aufzulösen. Ein junger, genialer Fachmann wurde erwischt und um nicht verraten zu werden, muss er seine bahnbrechende Erfindung hergeben und zurück ins Glied treten, wo er nur einer von vielen ist. Doch dies reicht ihm nicht, sein persönlicher Antrieb ist der Ruhm. Er möchte anerkannt und bewundert werden. Diese Rolle sieht Geld als höchstes Gut der Anerkennung an und ist bereit alles dafür zu tun, auch wenn er seine Erfindung möglicherweise für immer verliert oder Menschen töten muss.

Leider gibt der «Polizeiruf» dieser Figur viel zu wenig Raum und Zeit sich zu entfalten, die große Offenbarung passiert in den letzten Minuten, da das Böse zuvor nur im Dunklen stattfand. Die Charakterentwicklung, die der Informatiker nimmt, ist zweifelsohne sehr gut und wirkt aufgrund des schauspielerischen Talents absolut glaubwürdig, nur leider geschieht sie aus thematischer und dramaturgischer Sicht zu abrupt.

Dieser Mangel zieht sich leider durch den kompletten Film, denn auch wenn der Fall mysteriös und rätselhaft aufgezogen ist, so fehlen stets die letzten Prozente zum ganz großen Film. Der größte Mangel des Films ist schlicht und ergreifend die formatgebundene Laufzeit. Eine weitere Viertelstunde hätte dem Film mehr als gut getan, um nicht zu überhastet zu wirken. Was aber auch in dieser Form ein enormer Pluspunkt des Krimis ist: „Eine mörderische Idee“ glänzt immer wieder durch Tempowechsel, so folgt auf den gemütlichen Plausch unter Kollegen im Café eine Verfolgungsjagd, bevor die Kollegen eine gemeinsame Pause auf der Terrasse einlegen und das Tempo wieder drosseln.

Kurzum: Regisseur Stephan Rick bringt eine spannende Geschichte, die mit Leidenschaft erzählt wird, auf die Fernsehgeräte. Das Ensemble liefert durchweg gute bis sehr gute Leistungen, besonders Sylvester Groth als Hauptkommissar Drexler ist hier hervorzuheben, da es ihm gelingt, den Sonntagabendkrimi um eine ordentliche Portion Drama und Charakterstudie zu bereichern. Auch die Kamerafahrten und -winkel tragen, besonders in der ersten Filmhälfte, enorm zur Spannung bei. Insgesamt ist der «Polizeiruf 110: Eine mörderische Idee» durchweg gelungen und orientiert sich stärker an den psychologischen Hintergründen als am gewöhnlichen Räuber-und-Gendarm-Spiel anderer Kriminalfilme. Mit einer großzügigeren Laufzeit wäre sogar noch mehr drin gewesen!

Das Erste strahlt den «Polizeiruf 110: Eine mörderische Idee» am Sonntag, den 9. November um 20.15 Uhr aus.

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