Die Kritiker

Tierfreund in Kuhdorf

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Die Kritiker: Der Auftakt der neuen ARD-Krimireihe «Nord bei Nordwest» zeigt in Ansätzen sein Potenzial für weitere Ausgaben, richtig Fahrt nimmt der Fernsehfilm jedoch erst im letzten Drittel auf.

Cast und Crew

Vor der Kamera:
Hinnerk Schönemann, Henny Reents, Marleen Lohse, Peter Prager, Tambet Tuisk und Jan Henrik Stahlberg

Hinter der Kamera:
Drehbuch: Holger Karsten Schmidt
Regie: Marc Brummund
Produzentin: Claudia Schröder (Aspekt Telefilm)
Kamera: Eeva Fleig
Produktionsleiter: Joshua Lantow
Redaktion: Donald Kraemer (NDR) und Katja Kirchen (ARD Degeto)
Hinnerk Schönemann zählt zu den talentiertesten deutschen Mimen, deshalb bewarben die Pressemitteilungen die erste Folge der neuen Krimireihe «Nord bei Nordwest» mit dem Titel «Käpt’n Hook» zum Drehstart und Terminierung auch mit seinem Namen. Darüber hinaus hat Schönemann den Luxus, dass die Rolle des Hauke Jacobs ihm von Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt quasi auf den Leib geschrieben wurde – schließlich kennzeichnet «Nord bei Nordwest – Käpt’n Hook» bereits die siebte Zusammenarbeit der beiden, sodass sie einander bestens kennen. Hinzu kommt Regisseur Markus Imboden, der in Kooperation mit Schmidt ebenfalls schon acht Filme inszenierte, womit die Krimireihe auf ein eingespieltes Team bauen kann.

Ganz passend zu Nordlicht Schönemann und dessen oft gestummelte Dialoge legt Schmidt den Protagonist Hauke Jacobs als zurückgezogenen, introvertierten und etwas schroffen Zeitgesellen an, der sich an der Ostsee absichtlich das am dünnsten besiedelte Örtchen gesucht hat. Kontakt mit Menschen will Jacobs nämlich lieber meiden, denn „wenn man was nicht mag, dann ist einem weniger davon lieber.“ Mit Menschen, vor allem mit Toten, hat Jacobs jedoch bald mehr zu tun als ihm lieb ist. Zufällig wird er Zeuge, wie der örtliche Tierarzt sich mit dem Auto in seinen Suizid fährt, später findet er in einem gestrandeten Boot zwei weitere Tote auf. Dabei kommt er in Kontakt mit der Ortspolizistin Lona (Henny Reents), die in der Interaktion mit Jacobs einige Ähnlichkeiten zu ihm offenbart. Beide sind eher mürrisch und angespannt, vielleicht gerade deswegen entwickelt sich zwischen den beiden schnell ein zartes Band der Freundschaft, auch wenn sie einander davon zunächst wenig zeigen.

Dass Jacobs Menschen meidet, könnte daran liegen, dass auch er in der Vergangenheit als Polizist tätig war und so einiges erlebte. Dieser Umstand kommt Lona jedoch zugute, als Jacobs bei den gefundenen Leichen ganz beiläufig sachdienliche und goldrichtige Hinweise liefert. Doch was soll Lonas gute Freundin Jule machen, die in der örtlichen Praxis des toten Doktors als Tierarzthelferin beschäftigt war? Glücklicherweise verdingt sich Hauke Jacobs dieser Tage ebenfalls als Tierarzt, weshalb er schnell die Praxis samt Tierarzthelferin übernimmt. Die beiden Kollegen offenbaren ebenfalls etliche Parallelen, unter anderem die Meinung, dass Tiere die besseren Menschen seien. Mit der Frohnatur Jule, die in emotional oftmals überrumpelt, muss Jacobs jedoch erst zurechtkommen. Und wo ist der Krimi? Der nimmt nach dem Auftauchen der Leichen erst recht spät Formen an. Neben Mord geht es beim neuen ARD-Krimi wie so oft um Menschenhandel.

Die Auftaktfolge scheint «Nord bei Nordwest» schwer zu fallen. Lange ist unklar, wohin der Krimi eigentlich will. Der eigentliche Fall wird lange Zeit außer Acht gelassen und plätschert scheinbar unstrukturiert vor sich hin. Unterdessen kommen die Annäherungsversuche zwischen dem Ex-Polizisten und den beiden Dorfrotschöpfen umso besser voran. Denn die Frauen in Schwanitz sehnen sich doch so sehr nach neuen Männern, die im kleinen Örtchen rar gesät sind. Die Visualisierung dieses Umstands sorgt für einige Schmunzler, denn bereits der Anblick eines leicht bekleideten, wenn auch wenig gepflegten Mannes, bringt das Blut der sonst eher bescheiden gelaunten Lona in Wallung. «Nord bei Nordwest – Käpt’n Hook» setzt fast gänzlich auf die Chemie seines Darstellerensembles, das mit Schönemann, Marleen Lohse und Henny Reents bestens besetzt ist. Tierarzthelferin Jule, die sofort Feuer und Flamme für ihren neuen Arbeitgeber ist, überfordert den zugezogenen Tierfreund ein ums andere Mal und sorgt neben den melancholischen Momenten Jacobs‘ mit Lona für zwischenmenschliche Höhepunkte und auch leicht nuancierte Erotik. Statt des bemühten Hau Drauf-Humors zieht «Nord bei Nordwest» komödiantische Momente eher aus den Dialogen der Hauptfiguren. Eine Ausnahme stellt ein Meta-Witz dar, als sich Hauke Jacobs über den Namen eines weiteren Dorfbewohners wundert, dessen Eltern ihn Hinnerk getauft haben.

Lange Zeit hangelt sich der Krimi jedoch an scheinbar für den Fall irrelevanten Zwischensequenzen entlang, wie Dumme-Jungen-Streiche oder einem kurzen, aber umso tränenreicheren Besuch Lonas bei ihrem Vater, dem wohl erst in späteren Ausgaben der zwei Mal im Jahr erscheinenden Krimireihe Bedeutung verliehen wird. So winkt dem Zuschauer über 60 Minuten eine Wohlfühlepisode, die von einem fast wellnessartigen Score untermalt wird und damit ganz klar im Kontrast zum düsteren und außerordentlich erfolgreichen Nordkrimi-Pendant «Mörderhus» steht. Mit dem Verbrechen wird sich erst im letzten Drittel so richtig beschäftigt, dafür aber umso intensiver. Denn immer zielstrebiger läuft die Folge auf ihren Showdown hin, der im Vergleich zum Rest der Episode überraschend brutal und düster ist. Das Gangsterduo sorgt schauspielerisch für einige Glanzpunkte, besonders Jan Henrik Stahlberg überzeugt als hinterlistiger und kaltherziger Menschenhändler. Dass jedoch der titelgebende Papagei „Käpt’n Hook“ in Jacobs‘ Tierarztpraxis den entscheidenden Hinweis zur Aufklärung der bis zuletzt scheinbar zusammenhangslosen Vorfälle gibt, ist so realitätsfern wie abgedroschen.

Insgesamt verschenkt «Nord bei Nordwest» in seinem Debüt etwas Potenzial, das durch das Ensemble zweifelsohne gegeben ist. Autor Schmidt hätte besser daran getan weniger Themen anzureißen, um selbige dann in weiteren Folgen umso konsequenter zu bedienen. Letztendlich macht aber vor allem das Dreiecksgespann Schönemann, Reents und Lohse Lust auf mehr und regt die Fantasie der Zuschauer an, die gespannt erwarten, wie die beiden Dorfschönheiten den zurückhaltenden Tierarzt aus seinem Boot locken. Aus einem etwas hinkenden Debüt, könnte sich künftig eine der besseren ARD-Reihen entwickeln, die so gar nicht nach Degeto aussieht.

Das Erste zeigt «Nord bei Nordwest - Käpt'n Hook» am Donnerstag, dem 6.11., ab 20.15 Uhr.

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