Nun kennt das amerikanische Fernsehen keine Samstagabendsendungen, und schon gar keine Unterhaltungsshows, die länger als eine Stunde dauern. Dazu kommt, dass US-Stars darin geschult sind, ihre Erlebnisse in unterhaltsame, gern übertriebene Geschichten zu verpacken, um etwas zu erzählen zu haben. Dennoch zeigen ihre Anekdoten, welche außergewöhnliche Stellung «Wetten, dass..?» in Fernsehdeutschland darstellt. Etwas anders formulieren es die ZDF-Chefs: „Der Rückgang der Zuschauerzahlen zeigt, dass sich die Sehgewohnheiten verändert haben und das Format an Anziehungskraft verloren hat.“ Anders gesagt: Das Konzept, das die Hollywoodstars belächeln, ist unmodern geworden. Aber ist es das wirklich?
- ZDF/Patrick Seeger1 / 5
Spaß auf dem Sofa, wenige Minuten bevor das Ende der Wettshow durch Markus Lanz verkündet wurde: Auf Couch eingeladen waren im April 2014 unter anderem Schauspielerin Veronica Ferres, am Montagabend in einem ZDF-Fernsehfilm zu sehen und Hape Kerkeling, der nach Bekanntwerden des Endes von Thomas Gottschalk bei der Wettshow eine Zeit lang als Nachfolger gehandelt wurde.
«Wetten, dass..?» aus Offenburg
Trotz aller Verdienste für Markus Lanz, in die riesengroßen Fußstapfen von Thomas Gottschalk zu treten, wurde in den vergangenen zwei Jahren eines deutlich: Lanz ist kein Entertainer, kein Unterhalter für die große Samstagabendshow, sondern ein für dieses Format zu nüchterner Moderator – im wahrsten Sinne des Wortes. Für «Wetten, dass..?» war dies zu wenig. Dementsprechend hat der dramatische Rückgang der Zuschauerzahlen auch mit seiner Person zu tun, da die Show schlicht weniger unterhaltsam wurde. Lag die Reichweite der letzten regulären Gottschalk-Staffel, als vom Rücktritt noch nichts bekannt war, bei rund 9,5 Millionen, lag sie mit der vergangenen Lanz-Staffel bei etwa 6,5 Millionen. Dieser Unterschied ist nicht allein mit veränderten Sehgewohnheiten innerhalb von drei Jahren zu erklären.
Wenn Markus Lanz am 13. Dezember die letzte «Wetten, dass..?»-Show präsentieren wird, soll es keine große Abschiedsgala geben. Anfängliche Pläne, die früheren Gastgeber der Show einzuladen, wurden wieder verworfen. Man will «Wetten, dass..?» still und heimlich beerdigen – angesichts der zu erwartenden niedrigen Zuschauerzahlen ein machbarer Plan. Aber warum denn kein großer Abschied? Will man Markus Lanz ersparen, neben den erfolgreicheren Showgrößen abzumoderieren? Schämt man sich um das unrühmlich zu Grabe getragene Format? Oder will man sich vielleicht doch die Hintertür für ein Comeback offen lassen?
Zumindest ausgeschlossen ist letzteres nicht. Immer wieder gab es Gerüchte um eine baldige Rückkehr, die – selbstverständlich – energisch dementiert wurden. Sollte «Wetten, dass..?» einmal wiederauferstehen, wird dies nicht bald geschehen: Man wird Gras über die Lanz-Sache wachsen lassen wollen und das eigene Sendergesicht nicht vergraulen. Schließlich ist der Mann weiterhin sehr erfolgreicher ZDF-Talker unter der Woche. Ein Comeback vor oder wenige Monate nach seinem Abschied zu verkünden, verbietet sich strategisch. Generell hat das ZDF selbst nie ausgeschlossen, dass die Show irgendwann wieder den Weg ins Rampenlicht findet: In der damaligen Pressemitteilung zur Einstellung betonte man ausdrücklich, dass der Sender „alle Rechte an der Marke «Wetten, dass..?» behalten und gegebenenfalls auch wieder aktivieren” werde; Programmchef Norbert Himmler schließe „nicht aus, dass es [das Konzept, Anm.] irgendwann noch einmal auflebt.“ Ein Kernargument für die Rückkehr der Show ist damit benannt: Auch wenn der Ruf des Formats in den letzten Jahren angesichts negativer Schlagzeilen – auch schon unter Gottschalk – gelitten hat, so bleibt «Wetten, dass..?» eine Marke, die fast jeder Fernsehzuschauer kennt und mit der jeder etwas verbindet. Die Show hat einen unvergleichbaren Bekanntheitsgrad in Deutschland, und damit weiterhin ein extrem großes (Zuschauer-)Potenzial. Dies ungenutzt einfach im Archiv verstauben zu lassen, wäre eher unvernünftig.
Dass Thomas Gottschalk sogar der neue, alte Moderator wird, ist ebenfalls nicht auszuschließen, wenn auch wenig wahrscheinlich. Zumindest der erste Schritt ist damit getan, nicht in der vorerst letzten «Wetten, dass..?»-Sendung mit Lanz aufzutreten – so hält er seinen Namen aus den Schlagzeilen und wird nicht in Verbindung gebracht mit dem unrühmlichen letzten Kapitel der Formatgeschichte. Die letzte Gottschalk-Staffel war sehr erfolgreich, und alle nachfolgenden Engagements im Ersten und bei RTL wenig bemerkenswert. Auch kehrt das Urgestein bald wieder ins ZDF zurück: mit der Preisverleihung «Die goldene Kamera», die er bereits elf Mal präsentiert hatte. Offenbar redet man also wieder miteinander. Ob eine Rückkehr Gottschalks zu «Wetten, dass..?» aber überhaupt im Bereich des Möglichen liegt, hängt von zwei Dingen ab: erstens von der Frage, ob er und das ZDF eine gemeinsame Zusammenarbeit überhaupt noch einmal wollen. Und zweitens davon, wie ein zukünftiges «Wetten, dass..?» aussehen soll.
Diese konzeptuelle Überarbeitung ist eine Mammut-Aufgabe: Wie kann die Samstagabendshow funktionieren, wenn sie in ein paar Jahren wiederauferstehen sollte? Mit dem derzeitigen Konzept wäre vermutlich nichts gewonnen. Vor allem muss der Event-Charakter der Show wiederbelebt werden: Zuletzt dümpelte die Show als beliebiges Fernsehprogramm dahin, dem manchmal sogar schon die Schlagzeilen fehlen. Angesichts veränderter Sehgewohnheiten muss man den Live-Charakter stärker betonen und einzigartige Erlebnisse schaffen, die es wert sind, am Samstagabend eingeschaltet zu werden und nicht erst in der Mediathek. Stefan Raab schafft dies mit «Schlag den Raab» beispielsweise seit Jahren. Für «Wetten, dass..?» wäre ein geringerer Ausstrahlungsrhythmus ein wichtiger Weg zum Event: Nur noch zwei, vielleicht drei Shows pro Jahr mit ganz großen Namen würden die Wertigkeit erhöhen. Zumal es dann auch nur noch die besten, spektakulärsten Wetten in die Sendung schaffen. Besondere Locations wie das Open-Air-Special auf Mallorca sollten forciert werden. Überraschende Elemente – zum Beispiel unangekündigte Gäste oder Interaktionen mit dem Publikum – sind wichtig, um das starre Konzept aufzulockern.
Spannend wären auch wechselnde Gastmoderationen: Anke Engelke, Hape Kerkeling oder andere Unterhaltungsgrößen könnten sich die Klinke in die Hand geben – und müssten sich nicht an eine regelmäßige Präsentation binden, damit verantwortlich für eventuelle Negativschlagzeilen sein. Und an der Sendezeit kann man ebenfalls schrauben: Zwar treiben lange Shows die Marktanteile in die Höhe, die erfolgreichsten Jahre erlebte «Wetten, dass..?» aber, als die reguläre Sendedauer noch deutlich kürzer war. Inhaltlich ist angeraten, die Auftritte der US-Stars zu optimieren: Ein deutscher Dolmetscher sollte, wenn überhaupt, nur noch für Fernsehzuschauer zu hören sein und nicht mehr in der Halle, damit dies nicht ablenkend wirkt. Außerdem sollten sich Moderator und Gast direkt auf englisch unterhalten und nicht ebenfalls noch übersetzen lassen – dies nämlich schaffen erst die zähe Gesprächsatmosphäre und Missverständnisse, die vielfach kritisiert wurden. Oder man lässt Talkpassagen mit ausländischen Gästen ganz außen vor.
Am wichtigsten bleiben jedoch erstens der Event-Charakter der Show und zweitens das Gesicht, das eine mögliche Rückkehr präsentiert. Es muss ein Gesicht mit Entertainer-Qualitäten sein; eines, das von sich selbst aus großen Unterhaltungscharakter mitbringt. Davon gibt es leider nur wenige im deutschen Fernsehen.
Wird noch was aus «Wetten, dass..?»? Möglicherweise, auch wenn der Patient klinisch tot ist. Aber so manche Wiederbelebungsmaßnahme ist erfolgreich…
Es gibt 4 Kommentare zum Artikel
06.11.2014 21:14 Uhr 1
08.11.2014 08:49 Uhr 2
08.11.2014 11:08 Uhr 3
Nö, sehe ich nicht so! Ein Neuanfang kann und wird es nur auch weiterhin unter diesem Titel geben!
08.11.2014 12:27 Uhr 4
Wer streute denn die Gerüchte, wenn nicht Artikel wie dieser?
Ich persönlich verstehe nicht, wieso man das nicht einfach als Chance sieht mal was neues auszuprobieren, gerade wenn plötzlich so viel Geld nicht mehr verplant wird.