Inwiefern verstehen Sie ihre Beiträge aus den Krisengebieten als einen Mehrwert im Vergleich zu Zeitungsartikeln oder Fernsehbeiträgen? In welchen Aspekten stechen Ihrer Meinung nach Ihre Berichte heraus?
(lacht) Das ist total schwer zu sagen, wenn man sich selbst bewerten soll, aber ich glaube, dass gerade Videoformate für uns eine ganz neue Möglichkeit darstellen und dass sie neben der Zeitung eine große Zukunft haben. Der Zuschauer fühlt sich anders mitgenommen. Wir glauben, dass die Leute Orientierung und zu Geschichten ein Gesicht brauchen, jemanden, der ihnen das erklärt und dessen Beiträge sich von den Nachrichten der Agenturen abheben. Ein Videoreporter nimmt den Zuschauer mit und beschreibt auch, was er nicht sehen kann und was die entsprechenden Probleme dafür sind. Er schafft eine andere Bindung zwischen Konsument und Reporter. Der Mehrwert ist, dass wir versuchen, so nah wie irgendwie möglich an den Geschichten dran zu sein und zweitens die Protagonisten der verschiedenen Lager ihre eigenen Geschichten erzählen zu lassen. In unserem Fall in der Ukraine war es so, dass wir einerseits versucht haben so gut wie möglich die ukrainische Seite zu beleuchten, indem wir Vitali Klitschko, Petro Poroschenko oder Leuten auf dem Maidan gefolgt sind. Aber wir waren in der Ostukraine dann auch mehr oder weniger ‚embedded‘ mit dem damaligen Bürgermeister Ponomarjow, wo wir als einzige westliche Journalisten sehr nah dran waren. Wir versuchen eben Leute zu überzeugen, mit uns zu sprechen und ich glaube, das ist schon der Unterschied zum Fernsehen, weil das Fernsehen einen anderen Druck hat. Sie müssen täglich viele Schalten machen und haben im Zweifel auch weniger Minuten zur Verfügung als wir.
In den sozialen Netzwerken begegnen viele Leute Ihren Berichterstattungen dennoch mit Unmut und sogar mit Aggressionen. Viele bezeichnen ihre Berichte als einseitig. Was entgegnen Sie diesen Kritikern und wie haben Sie vor sie vom Gegenteil zu überzeugen?
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Ich nehme die sozialen Netzwerke sehr ernst, besonders Twitter und Facebook. Aber gleichzeitig denke ich auch, dass man die Leute, die die Berichterstattung positiv wahrnehmen, immer weniger hören wird als die, die sie kritisieren.
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Bild-Reporter Paul Ronzheimer über die Reaktionen auf seine Arbeit
Ist es vielleicht so, dass die Bild in den Köpfen vieler Bürger immer noch ein negatives Image hat? Woher rührt das Ihrer Ansicht nach?
Ich glaube, das hat sich schon stark verändert, zumindest nehme ich das so wahr. Freunde von mir, die jetzt nicht unbedingt die BILD-Zeitung lesen würden, nutzen unser Onlineportal dagegen sehr intensiv und sehen so das gesamte Produkt mit anderen Augen.
Wenn Sie aber so eine Kritik lesen, hemmt das in gewisser Weise Ihre Arbeitsmoral und Motivation?
Ich arbeite jetzt schon sechs Jahre für BILD. Und wer austeilt, muss eben auch einstecken können. Ich versuche Kritik ernst zu nehmen, leider wird sie aber oft sehr unsachlich geäußert.
Es gibt bei Facebook einen „Sonstiges“-Ordner, wo man Messages bekommt, wenn man nicht miteinander befreundet ist. Wenn ich den mal alle paar Wochen aufmache, sind da einige Nachrichten. Die meisten sind in einer Sprache gehalten, wo ich denke: „Leute, ihr stellt euch hier mit eurem vollen Namen hin und beleidigt und droht in einer unsäglichen Art und Weise.“ Aber es gibt natürlich auch Nachrichten von Leuten, die nachdenklich machen oder freundlich sind oder ernsthaft Kritik vorbringen. Diesen Leuten schreibe ich dann auch zurück, bedanke mich und erkläre meine Sicht. Jeder, der mir da vernünftig begegnet, bekommt von mir auch eine Antwort.
Sie haben gerade erwähnt, dass sie auch im Rahmen der Ukraine-Berichterstattung versucht haben, beide Seiten der Medaille zu zeigen. Wieso ist Bild Ihrer Meinung nach trotz aller Kritik als Boulevardzeitung ein zuverlässiges Medium was Kriegsberichte und Polit-Journalismus angeht?
Ich glaube wir sind, gerade was die Auslandsberichterstattung angeht, immer besser geworden. Das bestätigen auch viele, wenn man sich umhört. Das begann insbesondere mit Julian Reichelt (Bild.de-Chef, Anm. d. Red.), der fast zehn Jahre Kriegsreporter war und zum Beispiel als einer der wenigen immer wieder aus Syrien berichtet hat und dort an allen Hotspots war. BILD zeigt, dass sich der Aufwand lohnt und dass man nah dran sein kann. Was die Glaubwürdigkeit angeht: Wie gesagt, zeigen wir beide Seiten, was aber nicht heißt, dass wir nicht unseren eigenen Standpunkt haben und nicht klar sagen, was wir denken. Wir sagen, dass es den Krieg in der Ost-Ukraine nicht ohne russische Einflussnahme gegeben hätte, was ja unsere Politiker lange nicht wahrhaben wollten. Nur weil wir das klar in unseren Analysen und Kommentaren benennen, heißt das nicht, dass wir nicht beide Seiten zu Wort kommen lassen.
Gab es dennoch Berichterstattungen in Ihrer Karriere, die Sie bereuen? Sie waren ja schon viel unterwegs. Insbesondere die Drachmenrückgabe im Rahmen der Griechenland-Berichterstattung wurde harsch kritisiert.
(lacht) Wenn man zurückdenkt, kann man über einige Headlines und Geschichten immer streiten. Natürlich macht auch BILD Fehler, wie jedes andere Medium auch. Aber weil Sie gerade die Drachmen-Geschichte ansprechen: Dazu stehe ich trotz aller Kritik auch heute noch. Ich habe heute noch wahnsinnig viele Freunde in Griechenland, gute Kontakte in die Politik und kenne dort viele Journalisten. Einige sagen mir sogar, dass die BILD-Berichterstattung zwar heftig, aber gleichzeitig auch heilsam war.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Ronzheimer.
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