Seit Anfang des Jahres misst die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung, kurz agf, nicht mehr nur die Reichweiten und Quoten im Fernsehen, sondern auch die Abrufzahlen der Mediatheken. Trotz teilweise passabler Auswahl und interessanten Extras, werden diese allerdings nur von einer Minderheit genutzt. Die Gründe hierfür? Wohl zahlreich. Zum einen bieten die Fernsehsender von den beliebtesten Sendungen für gewöhnlich Wiederholungen, zum anderen gelten einige Mediatheken schlicht als unübersichtlich. Als weiterer Grund gilt sicherlich, dass ein Großteil der Inhalte nur vorübergehend kostenfrei zum Abruf steht.
Wer also die aktuelle Folge von «Bauer sucht Frau» oder «Berlin - Tag & Nacht» verpasst hat und dies online nachholen möchte, hat dafür nur sieben Tage Zeit, sofern er nicht in den eigenen Geldbeutel langen will. Diese Gebühren belaufen sich in der Regel auf 0,99 Euro pro Titel. Ein weiteres Problem für viele Nutzer ist die zeitliche Verfügbarkeit eines Titels: Wer zum Beispiel den «Tatort» im Ersten gerne ein weiteres Mal sehen möchte, kann dies erst aus Jugendschutzgründen oft erst ab 20.00 Uhr.
Nichtsdestotrotz werden die Mediatheken der Sender teilweise recht intensiv genutzt. Blickt man auf die jeweiligen Wochencharts des Jahres, fällt auf, dass ProSieben mit «Germany’s next Topmodel» einen echten Hit im Internet hat. Die Castingshow für angehende Models rangiert auf den Plätzen eins bis 13 der häufigsten Abrufe und ist insgesamt 15 Mal in den Top 50 vertreten. Die meistabgerufene Episode kam in der Woche zwischen dem 14. und 20. April auf 479.260 Klicks. Passenderweise erreichte die elfte Folge der abgelaufenen Staffel im Fernsehen nur 2,35 Millionen Zuschauer und damit den niedrigsten Wert der Staffel. Überträgt man die Abrufzahl auf die Zielgruppe, wird der Unterschied noch deutlicher.
Am 17. April schalteten lediglich 1,47 Millionen Zuschauer im Alter zwischen 14 und 49 Jahren zur damals neuesten Ausgabe ein. In den Wochen zuvor erreichte man noch 100.000 bis 200.000 mehr junge Zuschauer. Die Abrufzahl entsprach also beinahe einem Drittel der Zielgruppe. Logisch, dass dies einen Fernsehsender wie ProSieben schmerzt. Hätten also sämtliche Zuschauer der Mediathek bereits am Donnerstag eingeschaltet, hätte die Ausgabe an der Marke von 1,95 Millionen Zuschauern gekratzt. Selbstverständlich ist dies reine Spekulation, da Mehrfachaufrufe nicht erfasst werden, und sich auch nicht sagen lässt, ob Zuschauer am Donnerstagabend tatsächlich keine Zeit hatten oder sie die Folge noch einmal seben wollten. Auch lässt sich nicht jeder Aufruf auf eine Person der Zielgruppe 1:1 übertragen, schließlich sind sie nicht die einzigen Menschen, die einen Computer bedienen können.
Die Top 13 werden dabei von einer Episode mit 358.070 Aufrufen abgerundet. Erst auf Platz 14 findet sich eine erste Live-Übertragung. Das Halbfinalspiel der Fußballweltmeisterschaft zwischen Deutschland und Brasilien lockte am 8. Juli 351.894 Fans auf die Webseite des ZDF. Dieser Wert ist im Vergleich zur Reichweite der Übertragung im Fernsehen mit 32,57 Millionen Zuschauern ab 22.00 Uhr verschwindend gering. Ähnliches gilt aber auch für den meistabgerufenen «Tatort» vom 12. Oktober, der auf 342.614 Abrufe kam. Das Erste freute sich damals über 9,29 Millionen Krimibegeisterte ab 20.15 Uhr, aus der Zielgruppe erreichte man 3,11 Millionen Zuschauer. Beim «Tatort» greift allerdings eine Besonderheit, für die Reichweitenmessung werden die Kalenderwochen berücksichtigt, also Montag bis Sonntag. Es schalteten also parallel oder im Anschluss an die Fernsehübertragung 342.614 Zuschauer online ein.
Dramatisch wird allerdings erst der Blick ans untere Ende der Tabelle. Denn dort offenbart sich, dass eine Sendung mit 178.338 Aufrufen, in diesem Fall die dritte Folge des «Tauschkonzerts» auf VOX, bereits in die Top 50 aufgenommen wird. Bei dieser Folge stand Andreas Gabalier im Vordergrund. Er erwies sich auch als enormes Zugpferd für die Fernsehausgabe und lockte 2,45 Millionen Zuschauer an und sorgte somit für die reichweitenstärkste Ausgabe des Formats. Im Vergleich zu den Reichweiten des Fernsehens fällt also auf, dass die Abrufzahlen teilweise noch deutlich hinterher hängen und vom Gesamtvolumen häufig nichts ausmachen.
Betrachtet man allerdings noch einmal die gut 178.000 Klicks, zeigt sich eine enorme Diskrepanz zu weiteren Videoportalen. So ist es auf YouTube quasi selbstverständlich, dass Jugendliche mit ihren Videos mehr als 100.000 Zuschauer erreichen. Deutschlands momentan erfolgreichster YouTuber, wie der Beruf oder das Hobby neudeutsch genannt wird, Gronkh, hat mehr als 3,3 Millionen Abonnenten, die seine Videos regelmäßig sehen. Sein meistabgerufenes Video steuert unterdessen auf 11,1 Millionen Klicks zu. Die drei Jungs von der Gruppe Y-Titty blicken mit dem Video zum Song „Der letzte Sommer“ inzwischen sogar auf mehr als 22 Millionen Abrufe. Der über iTunes erhältliche Song war zwischenzeitlich sogar an der Spitze der Downloadcharts.
Doch auch hier hinkt der Vergleich selbstverständlich wieder, denn während das Video von Gronkh vor über vier Jahren veröffentlicht wurde und „Der Letzte Sommer“ bereits vor zwei Jahren auf den Markt kam, sind die Angebote der Mediatheken nur für eine Woche verfügbar. Blickt man allerdings auf das neueste Video der Gruppe ApeCrime „Mäuse Situation eskaliert“ sieht man, dass die Drei an einem Tag bereits fast 600.000 Aufrufe generierten.
Dass auch die Fernsehmacher die Plattform YouTube nicht unterschätzen, beweisen ZDFneo und einsplus regelmäßig. Auch wenn die beiden Kanäle jeweils nur knapp unter 60.000 beziehungsweise 30.000 Abonnenten haben, zeigen sie immer wieder, dass eine große Reichweite nicht für einen Erfolg nötig ist. In der jüngsten Ausgabe des «NeoMagazin» ging Moderator Jan Böhmermann satirisch auf das Band Aid 30 Projekt aus Deutschland ein. Das Video „Eier aus Stahl: Campino & Band Aid 30“ steht unmittelbar vor der Marke von 450.000 Aufrufen und würde somit den dritten Platz in der wöchentlichen Jahreswertung einnehmen.
Die Nutzerzahlen sind allerdings nicht nur bei YouTube enorm, sondern auch im Bereich der Streamingdienste. So ist Netflix für gut ein Drittel des Downstreams in Nordamerika verantwortlich, YouTube nutzt mit 14 Prozent des Online Traffics vergleichsweise wenig. Dies lässt natürlich Rückschlüsse auf die mittel- bis langfristige Entwicklung in Deutschland zu. Doch hier ergibt die Messung nur das reine Datenvolumen und nicht die einzelnen Abrufe an. Diese geben Netflix, Amazon und Co. nämlich nicht heraus.
Insgesamt fällt aber auf, dass die Mediatheken hierzulande noch in ihren Kindeschuhen stecken und im Vergleich zu großen Videoportalen oder Subscription-Video-on-Demand-Anbietern immer mehr ins Hintertreffen geraten. Doch bereits jetzt fällt auf, dass abseits der beliebten Fernsehsendungen, gerade die Wiederholungen im Internet den Fernsehsendern mittelfristig sauer aufstoßen werden. Denn trotz kurzer Werbeblöcke vor, während und nach den Videos in einer Mediathek, werden die damit generierten Einnahmen nicht mit denen der Fernsehübertragung mithalten können. Spannend wird das Jahr 2015 vor allem, weil sich dann erstmals Vergleichswerte anbieten und sich zeigen wird, wie stark die Nutzung der Mediatheken sich steigerte.