Die Kritiker

«Hannah Arendt»

von

Margarethe von Trotta erzählt in ihrem Film «Hannah Arendt» vom späteren Leben der gleichnamigen jüdischen Philosophin – und fesselt die Zuschauer damit.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Barbara Sukowa («Homo Faber») als Hannah Arendt, Axel Milberg («Tatort – Borowski») als Heinrich Blücher, Janet McTeer («Waking the Dead») als Mary McCarthy, Julia Jentsch («Die fetten Jahre sind vorbei») als Lotte Köhler, Ulrich Noethen («Der Untergang») als Hans Jonas, Michael Degen («Ausgerechnet Sibirien») als Kurt Blumenfeld, Nicholas Woodeson als William Shawn, Sascha Ley als Lore Jonas, Victoria Trauttmansdorff als Charlotte Beradt und Klaus Pohl als Martin Heidegger


Hinter den Kulissen:
Regie: Margarethe von Trotta, Buch: Pam Katz und Margarethe von Trotta, Musik: André Mergenthaler, Kamera: Caroline Champetier, Schnitt: Bettina Böhler, Produktion: Heimatfilm in Zusammenarbeit mit Amour Fou Luxembourg, MACT Productions (Frankreich) sowie Metro Communications (Israel)

Es ist wahrlich kein leichter Stoff, den sich Margarethe von Trotta für ihr 2012 entstandenes Werk «Hannah Arendt» ausgesucht hat. Doch die Geschichte der Philosophin steht in der Tradition der Arbeit von Trottas: Schon 1986 widmete sie sich mit Rosa Luxemburg einer wichtigen weiblichen Persönlichkeit der Geschichte, 2009 folgte ein Film zu Hildegard von Bingen.

Als erster digital produzierter Film der Regisseurin fand dann die internationale Koproduktion «Hannah Arendt» den Weg in die Kinos. In ihrem Drama widmet sich von Trotta dem späten Leben der jüdischen Philosophin. Erzählt wird die Geschichte vom Prozess gegen den Nationalsozialisten Adolf Eichmann, der erst im Jahr 1961, lange nach Kriegsende, begann. Als aufmerksame Prozessbeobachterin soll die Protagonistin des Films für das US-Magazin „New Yorker“ vom Verfahren berichten. Doch Arendt sieht nicht das „Ungeheuer“, welches man in dem Verbrecher vermuten würde. Als sie jedoch ihre Berichte Jahre später veröffentlicht, muss die Philosophin Stürme der Entrüstung über sich ergehen lassen: Sie steht mit ihrer Meinung weitgehend alleine da.

Wenig subtil wird dem Zuschauer zu Beginn erklärt, wer Hannah Arendt eigentlich ist – nur eines der Elemente, in dem sich zeigt, dass trotz des schwierigen Themas keine zu spitze Zielgruppe angesprochen werden sollte. Ein weiteres Indiz: Die im Original englischsprachigen Szenen hat man ins Deutsche übersetzt. Hier hätte es dem Film besser getan auf eine Synchronisierung zu verzichten und diese Szenen lediglich zu untertiteln, schon allein, weil dadurch einiges an Authentizität gewonnen worden wäre. Auch inhaltlich aber wäre es interessant zu wissen, wann Deutsch und wann Englisch gesprochen wird, weil schon das gewissermaßen als Konfliktlinie zu betrachten ist. Außerdem gibt es einige Stellen, an denen deutlich erkennbar nicht lippensynchron gearbeitet wurde. Gerade dieser Aspekt ist extrem problematisch. Offensichtlich ist es der Regisseurin von Trotta hier nicht gelungen, sich gegenüber dem Verleiher durchzusetzen, anders als bei den hebräischen Passagen. Diese wurden im Original belassen, gerade eben jene Szenen sind häufig außerordentlich beeindruckend: Es wurden echte Ausschnitte aus dem Prozess gegen Adolf Eichmann genutzt. So soll dem Zuschauer die Gelegenheit gegeben werden, sich selbst ein Bild des Nationalsozialisten zu machen. Schauderhaft wird es in den Originalbildern aber gleichermaßen, nicht nur weil an einer Stelle ein Zeuge – noch mehr als 15 Jahre nach Kriegsende – während seiner Vernehmung vor Gericht in Konfrontation mit Eichmann zusammenbricht.

Beeindruckendes Ensemble; subtile, aber nicht weniger starke Kameraarbeit
Mehr als bezahlt gemacht hat sich die prominente Besetzung des Werks: Grandios bis preiswürdig wirkt das Zusammenspiel zwischen Barbara Sukowa als Hannah Arendt und Axel Milberg, der Arendts Lebensgefährten Heinrich Blücher spielt. Aber nicht nur als Duo, sondern auch jede für sich betrachtet agieren die Figuren stark, wobei Auftritte von Milberg ohne Sukowa eher eine Ausnahme bilden. Regisseurin von Trotta hatte Barbara Sukowa von Anfang an für die Hauptrolle vorgesehen, weil sie der Überzeugung war, dass sie als einzige Schauspielerin in der Lage wäre darzustellen, wie Hannah Arendt gedacht hat. Ob es tatsächlich sonst niemanden gegeben hätte ist unklar. Sicher ist jedoch: Barbara Sukowa schafft das tatsächlich. Phasenweise hat der Zuschauer das Gefühl mitten im Denken der Philosophin angekommen zu sein. Nicht nur die Hauptdarsteller überzeugen allerdings, bis in die Nebenrollen spielt das Ensemble stark. Neben den den beiden genannten Schauspielern, ist noch die Leistung Ulrich Noethens besonders bemerkenswert, er regt wahrlich zum Denken an.

Nun ist es keine komplizierte Erzählstruktur, die für den Film gewählt wurde. Die Story wird linear ausgebreitet und ist nicht sonderlich vertrackt. Auf den ersten Blick setzt sich das auch in der Kameraarbeit fort. Doch schaut man genauer hin, so wird klar, dass immer wieder, fast unbemerkt, Gesichter in einschneidenden Momenten eng fokussiert werden und gerade so die Akteure auf subtile Art ihre Charakterisierung erfahren. Die Marschrichtung für die Protagonistin ist hier klar: Es soll die Stärke der Figur gezeigt werden. Am Ende fragt man sich dennoch, mit was für einer Art von Heldin man es zu tun hat: Ist Hannah Arendt, nachdem sich eine Vielzahl von Freunden und Vertrauten von ihr abgewendet haben, gebrochen? Nicht wirklich. Nur ungebrochen ist sie eben auch nicht.

Immer wieder schafft es der Film in den Momenten aufzutrumpfen, in denen sich, auch schon lange vor Veröffentlichung der Thesen, intellektuelle Debatten im Hause Arendt entspinnen. Wenn die Stube der Philosophin zum kontroversen Diskussionszirkel wird, bleiben jene vor den Schirmen voller Bewunderung zurück. Nicht nur dass die Debatte realistisch und emotional gespielt ist, viel mehr ist sie auch so tabu- und schonungslos, wie man es bei solch anspruchsvollen Kontroversen selten sieht. Ähnlich glaubhaft sind auch die aufrüttelnden Erinnerungen Hannah Arendts, die geschildert werden. Sehr aufschlussreich ist ferner der Moment, als israelische Staatsmänner erklären, dass das Buch über Eichmann in ihrem Land nicht über die Theke gehen wird.

Ein Film mit Haltung


Man muss Hannah Arendts “New Yorker“-Artikel, die in längerer Buchfassung unter dem Titel «Ein Bericht von der Banalität des Bösen» veröffentlicht wurden, nicht gelesen haben, um zu verstehen, worum es geht. Das macht der Film selbst auf eindrucksvolle Weise klar. Eichmann ist nach Ansicht der Hauptfigur ein Schreibtischtäter, ein reiner Bürokrat. Das nimmt ihm nicht die Schuld, auch das ist die feste Überzeugung der Philosophin, die die Todesstrafe für Eichmann durchaus begrüßte. Doch es lässt das Böse eben banal werden. Genau diese These war es, die in der breiten Bevölkerung auf Unverständnis stieß, ebenso wie die Aussage, dass unter entsprechendem Handeln der sogenannten Judenräte seinerzeit viel Schaden hätte abgewendet werden. Von vielen Seiten wurde das als Reinwaschung Eichmanns verstanden und außerdem so, als seien Juden mitschuldig am Holocaust. Und selbstverständlich: Betrachtet man es so, dann sind die Thesen wahrlich fragwürdig. Diese Interpretation aber entspricht nicht einmal annähernd dem, was Arendt ausdrücken wollte.

Was klar gesagt werden muss: Der Film hat eine Haltung. Er steht eindeutig auf der Seite Hannah Arendts, erzählt eben genau aus ihrer Perspektive. Das ist nicht notwendigerweise schlimm, dennoch sollte man sich dem als Zuschauer bewusst sein. Der Inszenierung Arendts als unverstandene Weise kann man sicherlich viel entgegenstellen. Klar ist: Hannah Arendt war sehr reflektiert, ist offenkundig auch stets mit sich selbst kritisch ins Gericht gegangen. Kann man mit ihrer These „der Banalität des Bösen“ nichts anfangen, so ist auch ihr filmisches Portrait nicht sonderlich aufschlussreich, zumal dieses Kernthema einige andere Aspekte nur in marginaler Weise auf den Schirm treten lässt. Gerade die Ambivalenz von Arendts Ziehvater Martin Heidegger, der mit den Nazis sympathisierte, wird nur angerissen. Auch wird nicht wirklich klar, dass zwischen dem Prozess und der Artikelveröffentlichung stolze zwei Jahre vergangen sind – eine Zeitspanne, die jedem Chefredakteur größte Schweißperlen auf die Stirn treten lassen würde.

Das aber sind letztlich lediglich kleine Wermutstropfen, die den Gesamteindruck des Films nicht besonders schmälern. «Hannah Arendt» ist ein affirmatives, aber dadurch nicht weniger beeindruckendes Portrait einer der wichtigsten politischen Philosophinnen der Historie. Dass das Biopic einer solchen Person nicht mal eben nebenbei zu konsumieren ist, dürfte kaum überraschen. Doch wer sich auf den Film einlässt und mit der Meinung Arendts zumindest im Entferntesten etwas anzufangen weiß, den erwartet ein beeindruckendes Machwerk, welches den Zuschauer insbesondere aufgrund der starken Besetzung annähernd über die vollen 106 Minuten Laufzeit vor den Bildschirm fesselt.

«Hannah Arendt» ist am Sonntag, 7. Dezember um 21.45 Uhr im Ersten zu sehen.

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