Cast und Crew
- Regie: Will Gluck
- Darsteller: Quvenzhané Wallis, Jamie Foxx, Rose Byrne, Bobby Cannavale, Cameron Diaz, Adewale Akinnuoye-Agbaje, David Zayas
- Produktion: Will Smith, Jada Pinkett Smith, Shawn "Jay-Z" Carter, Caleeb Pinkett, James Lassiter, Lawrence "Jay" Brown, Tyran "Ty Ty" Smith
- Kamera: Michael Grady
- Schnitt: Tia Nolan
- Drehbuch: Will Gluck, Aline Brosh McKenna
- Original-Broadwaylieder: Charles Strouse & Martin Charnin
- Musikalisches Neuarrangement für den Film: Sia & Greg Kurstin
- Neue Filmsongs: Sia & Greg Kurstin, Sia & Stargate
Mehr noch: Die ironiefreie, warmherzige Story und die fast schon unverschämt eingängigen Lieder sind in den Staaten geradezu Heiligtümer. In den Jahrzehnten nach der Erstaufführung hielten unter anderem eine Kino- und eine Fernsehverfilmung die Musik im kollektiven Bewusstsein. In den 90ern machte außerdem der von Jay-Z produzierte Chartstürmer „Hard Knock Life (Ghetto Anthem)“ als Hip-Hop-Cover einer «Annie»-Nummer einen Teil des Musicals auch auf dieser Seite des großen Teichs ein gutes Stück populärer.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich Hollywood an eine neue Adaption heranwagt – und diese Stunde hat nun geschlagen. Obwohl die unter anderem von Will Smith produzierte «Annie»-Variante streng genommen kaum etwas mit Wagemut zu tun hat. Die von «Einfach zu haben»-Regisseur Will Gluck inszenierte Neuverfilmung verlegt zwar das während der Großen Depression angesiedelte Musical-Geschehen in die Gegenwart. Zeitgenössische musikalische Akzente setzt die Sony-Produktion aber nicht. Trotzdem dürfen Anhänger klassischer Musicals wenig von diesem Film erwarten. Denn genauso, wie der Mut zum Umdichten der Originalsongs fehlt, lässt die neue «Annie» auch ein ehrliches Bekenntnis zum Musicalhandwerk vermissen. Sämtlichen Liedern wurde ihre orchestrale Wucht genommen, stattdessen erklingt die instrumentale Begleitung komprimiert oder gar auf das Niveau von Radiogedudel normalisiert.
Es ist ein Symptom, das bezeichnend für dieses 65 Millionen Dollar schwere Unterfangen steht. Denn die Verantwortlichen sind einerseits zu feige, die geheiligte Musik dieser „Rags to riches“-Story aufzugeben oder von Grund auf zu erneuern. Es könnte ja die Fans verärgern. Andererseits haben die Produzenten zu wenig Vertrauen in die altmodische Vorlage, um sie zu zelebrieren. Manchen Kids könnte das ja zu piefig sein. Dadurch manövriert sich dieser «Annie»-Film in eine Zwickmühle und bietet niemandem im Publikum vollauf das, was er verdient hat. Dabei gibt der Film eine ganz passable Familienkomödie ab – wären da halt nicht die tumben Musicalpassagen.
So, wie Regisseur/Autor Will Gluck sowie Ko-Autorin Aline Brosh McKenna die Handlung erzählen, käme sie mühelos ohne die Gesangspassagen aus: Die 10-jährige Annie (Quvenzhané Wallis) sehnt sich zwar nach einer Familie und muss tagtäglich die grausigen Erziehungsmethoden ihrer Pflegemutter Colleen Hannigan (Cameron Diaz) durchstehen, trotzdem behält sie tapfer ihren Optimismus. Als Will Stacks (Jamie Foxx), seines Zeichens Telekommunikations-Gigant und Kandidat für das New Yorker Bürgermeisteramt, sie eines Tages vor einem Autounfall bewahrt, gewinnt Stacks dank eines Webvideos dieser Tat massiv an Zuspruch unter den Wählern. Also bittet er darum, die Vormundschaft für Annie übernehmen zu dürfen – zunächst aus reinem Kalkül, doch sehr schnell erweicht die Waise sein Herz …
Über die deutsche Synchronfassung
In der deutschen Synchronfassung werden sowohl die Dialog- als auch die Gesangsparts übersetzt. Die Lokalisierung der Musicalnummern durch die Songtexter Christine Roche, Klaus-Rüdiger Paulus, Thomas Amper ist weitestgehend adäquat und treffend, allein die Übertragung von "It's a Hard Knock Life" zu "Unser Leben ist voll krass" bereitet leichte Bauchschmerzen. Die Titelrolle wird von «The Voice Kids»-Teilnehmerin Chelsea Fontenel gesprochen und gesungen, die sich als sehr talentierte Synchronkünstlerin herausstellt. Einen kleinen Casting-Fauxpas leistete sich das Synchronstudio derweil bei Jamie Foxx: Als Gesangsstimme erhielt er Manuel Straube – einen fähigen Künstler, der bereits zahlreiche Synchronrollen als Sprecher und Sänger meisterte. Bloß passt sein Timbre überhaupt nicht zu Foxx.Auch die Umsiedelung der Story ins 21. Jahrhundert ist gelungen, so werden die Allgegenwärtigkeit von Social Media und die Funktionsweise des modernen Wahlkampfes (für einen Familienfilm) recht süffisant eingearbeitet. Dank mehrerer Seitenhiebe aufs heutige Leben lässt sich auch so manch unkritischer Plotaspekt über Hedonismus und Telefonüberwachung verzeihen. Cameron Diaz ist als versoffene, verruchte Pflegemutter indes ein kleiner Problemfall: Wann immer andere Figuren auf sie reagieren, sind gute Lacher drin, wenn sie aber selber im Zentrum steht, trägt Diaz ungeheuerlich dick auf, so dass ihre Figur schnell lästig wird. Lachhaft sind zudem die gelegentlichen ironischen Kommentare auf Musicals, die bemüht, deplatziert und tonal unausgegoren sind. Umso stärker ist dafür eine kleine Gastsequenz der «The LEGO Movie»- und «22 Jump Street»-Regisseur Phil Lord & Chris Miller, die sich über moderne Jugendbuchadaptionen lustig macht.
Mit einer gutherzigen, ehrlich gemeinten Prise Wohlfühlkitsch und den wohlig aufgelegten Akteuren, die ansteckende Freude an der Situationskomik dieses Films haben, wäre «Annie» recht sympathisches Familienkino. Nur sind da halt die ganzen Gesangseinlagen, die keinen erzählerischen Beitrag leisten, allesamt ideenlos in Szene gesetzt sind und zudem mit leblosem Arrangement dahinplätschern.
Wer Musicals liebt, ist daher mit den anderen beiden «Annie»-Musicalfilmen besser bedient – die Songs klingen in ihnen besser, sind nahtlos integriert und zudem lebhafter. Wer Musicals verabscheut, wird dieser «Annie» eh nichts abgewinnen können. Für wen also soll dieser Film sein? Vielleicht für Leute, die lauwarm zu Musicals stehen. Jene bekommen hier eine süße, belanglose Komödie mit einigen denkwürdigen Sprüchen – die ab und an zu einem halbherzig umgesetzten Musical wird.
Fazit: Tut nicht weh, tut nichts zur Sache: «Annie» hat so seine Momente und bietet daher adäquate, vorhersehbar-fröhliche Familienunterhaltung. Allerdings fehlt aufgrund der unmotivierten Gesangspassagen jeglicher Pepp.
«Annie» ist ab dem 15. Januar 2015 in zahlreichen deutschen Kinos zu sehen.