Die Kino-Kritiker

«The Imitation Game»

von

«Sherlock»-Star Benedict Cumberbatch brilliert als britischer Mathematiker Alan Turing in einem bewegenden Biopic.

Filmfacts «The Imitation Game»

  • Kinostart: 22. Januar 2015
  • Genre: Historiendrama/Biopic
  • FSK: 12
  • Laufzeit: 114 Min.
  • Regie: Morten Tyldum
  • Drehbuch: Graham Moore
  • Darsteller: Benedict Cumberbatch, Keira Knightley, Matthew Goode, Mark Strong, Charles Dance, Rory Kinnear
  • OT: The Imitation Game (USA/GB 2014)
In unserer heutigen technisierten Gesellschaft dürfte es vielen schwer fallen, sich ein Leben gänzlich ohne Computer und die Vorzüge, die diese zweifellos mit sich bringen, vorzustellen. Ohne den Mathematiker Alan Turing wären die entsprechenden Technologien in ihrer jetzigen Form und dem gegenwärtigen Entwicklungsstand wohl kaum denkbar, lieferte der Brite im Laufe seiner Forschungen doch wegweisende Erkenntnisse und Grundlagen für die moderne Computertechnik. Der norwegische «Headhunters»-Regisseur Morten Tyldum hat sich in seinem achtfach oscarnominierten Biopic «The Imitation Game» einer der wohl wichtigsten Phasen in Turings Leben gewidmet und damit ein fantastisch gespieltes und elegant erzähltes, wenn auch etwas formelhaftes Drama über einen Mann geschaffen, der an seinen Geheimnissen schließlich zerbrach.

Im Jahr 1939 spricht der junge Cambridge-Absolvent Alan Turing (Benedict Cumberbatch) beim britischen Geheimdienst für ein streng geheimes Projekt vor, das den Alliierten dazu verhelfen soll, den Zweiten Weltkrieg siegreich zu beenden. Dabei geht es darum, den von den Deutschen zur verschlüsselten Kommunikation genutzten und äußerst komplexen Enigma-Code zu knacken, um durch das Abfangen geheimer Botschaften endlich einen entscheidenden Vorteil bei der Kriegsführung zu erhalten. Trotz seiner arroganten Art, die beim Befehlshaber Admiral Denniston (Charles Dance) auf wenig Gegenliebe stößt, verschaffen sein Ehrgeiz und seine Zuversicht Alan einen Platz im bereits bestehenden Team des Schachprofis Hugh Alexander (Matthew Goode), dessen Leitung er wenig später unter der Aufsicht des MI-6-Agenten Stewart Menzies (Mark Strong) übernimmt.

Auf der Suche nach weiteren fähigen Köpfen, die ihn bei seinem Vorhaben unterstützen, lernt Alan schon bald die ebenso charmante wie kluge Mathematikstudentin Joan Clarke (Keira Knightley) kennen. Doch im Laufe seiner kräftezehrenden Arbeit kapselt sich der unnahbare Turing mehr und mehr von seinen Kollegen ab, um eigenständig an einer ausgeklügelten Rechenmaschine zu tüfteln, die die unzähligen Kombinationen des Enigma-Codes dechiffrieren soll. Aber die ausbleibenden Ergebnisse lassen Alans Vorgesetzte bald ungeduldig werden, sodass diese ihm schließlich ein knallhartes Ultimatum setzen.

Glücklicherweise haben Autor Graham Moore und Regisseur Morten Tyldum mit «The Imitation Game» nicht versucht, Alan Turings gesamtes Leben auf knapp zwei Stunden Film herunterzubrechen. Tatsächlich beschränken sie sich in erster Linie auf Turings bedeutende Unterstützung des britischen Geheimdienstes zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, ohne sich allzu sehr mit den technischen Hintergründen seiner Arbeit zu befassen. Dennoch werden im Laufe jener Geschehnisse an geeigneten Stellen vereinzelt zeitliche Sprünge eingebaut, zum einen zu Turings schwerer Jugend am Internat und zum anderen zu einem Polizeiverhör im Jahr 1952, in das die Haupthandlung eingebettet ist und in dem Turing diese rückblickend erzählt. Die Szenen der drei Zeitebenen, zwischen denen nach ihrer Etablierung fleißig hin- und hergesprungen wird, sind dabei schlüssig aufeinander bezogen, sodass sich eine clever konstruierte Erzählung entspinnen kann, die aus dem Voraus- und Zurückschauen stets einen Mehrwert für den emotionalen Unterbau des eigentlichen Plots bezieht.

Über weite Strecken ist «The Imitation Game» allerdings einer durchaus klassischen Biopic-Struktur verschrieben, bei deren Ausarbeitung etwaige Oscar-Nominierungen scheinbar schon mit einberechnet wurden. Ganz in diesem Sinne konnte sich Moore hin und wieder auch die eine oder andere pathetische Dialogzeile nicht verkneifen, vor allem wenn es – ebenfalls ganz Biopic-typisch – darum geht, mehrfach etwas ungelenk vorauszudeuten, dass Turing einmal Großes leisten wird. Dass dem in der Tat so war, steht dabei natürlich außer Frage. Doch obwohl es sich bei Alan Turing um eine reale Persönlichkeit handelt, ist der Mathematiker in seiner fiktionalisierten Form als Filmfigur letztlich nur so gut wie der Schauspieler, der versucht, ihm Leben einzuhauchen.

Benedict Cumberbatch erweist sich hier als absoluter Glücksgriff. Zwar muss der «Sherlock»-Star allmählich aufpassen, dass er nicht zu sehr auf die Rolle des sozial minderbemittelten Genies festgelegt wird, doch füllt er diese auch in «The Imitation Game» großartig aus. Turings Verhalten geht unter anderem mit der Schwierigkeit einher, seine Emotionen nach außen zu tragen. Dennoch lässt Cumberbatches nuanciertes Spiel – auch in den häufigen Momenten, in denen das Innenleben seines Charakters nicht eindeutig offenbar wird – zumindest erahnen, was in ihm vorgeht. Trotz des immer wieder eingestreuten und sogar zündenden Humors, der aus Turings sehr spezieller Art bezogen wird, bleibt der Mathematiker am Ende doch ohne Frage eine äußerst tragische Figur. Cumberbatch deckt diese verschiedenen Facetten durchweg bravourös, rührend und intensiv ab, was ihm völlig zu recht seine erste Oscar-Nominierung einbrachte.

Dass bei einer derartigen Fokussierung auf Alan Turing die Nebenfiguren zwangsläufig blass bleiben (auch wenn zumindest Matthew Goode, Charles Dance und Mark Strong mit gewohnt einnehmender Präsenz glänzen können), ist dabei zu verschmerzen. Immerhin weiß aber Hauptdarstellerin Keira Knightley sich ihrem männlichen Counterpart gegenüber bemerkenswert zu behaupten. Mit einer eindringlich vermittelten Mischung aus Ehrgeiz, Offenheit und Einfühlungsvermögen bildet ihre Joan Clarke genau das menschliche Gegengewicht, das Turing den Anschluss an seine Mitmenschen nicht gänzlich verlieren lässt.

Fazit: Es braucht gar nicht erst Alan Turings anfängliche Mahnung, ja aufmerksam zuzuhören, um von «The Imitation Game» gefesselt zu sein. Dafür sorgen allein schon der atemberaubend aufspielende Benedict Cumberbatch und das größtenteils geschickt aufgebaute Drehbuch. Der Norweger Morten Tyldum bietet mit seinem mal witzigem, mal ergreifendem Biopic somit einen faszinierenden und spannenden Einblick in das Dasein eines brillanten Wissenschaftlers, der zur Beendigung des Zweiten Weltkriegs beitrug und dabei die technologische Grundlage unserer heutigen Zeit mit prägte, dem die freie Entfaltung seines wahren Ichs zu Lebzeiten aber verwehrt geblieben ist.

«The Imitation Game - Ein streng geheimes Leben» ist ab dem 22. Januar in den deutschen Kinos zu sehen.

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