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Dabei hatte es doch zunächst so gewirkt, als könne die neunte Staffel der showgewordenen Mixtur aus Voyeurismus, Sozialstudie und Medienkritik schon nach wenigen Stunden die erhoffte und von Fans geschätzte Eigendynamik der Vorjahre entwickeln. Walter Freiwald erboste sich über verloren gegangene Schuheinlagen, dramatische Brandwunden in Folge äußerst aggressiver Quallenattacken und dem generell viel zu unkonfortabel eingerichteten Camp. Klischee-Macho Aurelio Savinas kündigte Freiwalds augenblickliche Stilllegung an, sollte dieser zum Messer greifen. Und Sara Kulka weckte mit beinahe vorhandenen Basiskenntnissen der englischen Sprache und ihrer äußerst gewählten Ausdrucksform Hoffnungen, schon früh das neue "Opfer der Nation" gefunden zu haben. Doch während Walters Repertoire an Wehleidigkeiten, Weisheiten und (zumindest selbstempfundenen) Kompetenzen in den Kernbereichen Politik, Psychologie und Unterhaltung auch in den darauf folgenden Tagen schier unerschöpflich war, legten sich Sara und Aurelio rasch zur Ruh - ohne damit den Selbstinszenierungsdrang anderer Camper zu stimulieren.
Und so ließ sich spätestens seit der dritten Tageszusammenfassung eine Bipolarität im Camp ausmachen: Der nimmermüde Zankonkel und die zehn restlichen Teilnehmer, die ihre Screentime vorwiegend lethargisch auf den Hängematten verbringen oder mit erschreckender Offenheit kundtun, wie sehr sie ihre Gage und die Rückkehr in die westliche Zivilisation herbeisehnen. RTL reagierte hierauf zunächst mit einer völligen Fokussierung auf den schillernden Walter, wohl in der Hoffnung, damit die Zeit bis zum ersten großen Lagerkoller unterhaltsam überbrücken zu können. Doch die große Mehrzahl der Kandidaten blieb friedlich - sogar, als man mit Psychospielchen versuchte, einen Streit um Bekanntheitsgrad und Attraktivität zu entflammen. Mehr als ein temporär amüsanter Wettstreit um Einschaltquoten, bei dem vor allem Maren Gilzer ungewohnt beharrlich auf ihre nationale Popularität bestand, sprang allerdings auch hierbei nicht heraus.
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Gleichwohl bewegt sich das Teilnehmerfeld in diesem Jahr auf einem äußerst bescheidenen nominellen Niveau. Die Hälfte der Promis konstituieren sich aus der Teilnahme an irgendeiner Casting- oder Reality-Show, die wenigsten Namen ließen schon im Vorfeld wirklich aufhorchen. Zu sehr konzentrierte man sich darauf, möglichst viele Menschen zu finden, die für etwas Geld und Publicity Werte wie Selbstachtung oder Moral in den Hintergrund rücken lassen - vermutlich mit dem Hintergedanken, dass irgendwer schon für Stimmung sorgen dürfte. Dabei vergaß man aber offenbar, dass nicht nur die Marolts und Knappiks alleine ihre Staffeln getragen haben, sondern es viel mehr eine stimmige Gesamtkomposition verschiedenster Charaktere waren. Vor allem der verschrobene Intellektuelle, der vermeintlich über dieser trivialen Form der TV-Unterhaltung steht, fehlt in diesem Jahr an allen Ecken und Enden. Wo sind die Winfried Glatzeders und Mathieu Carrieres mit ihren feingeistigen und oftmals auch weltfremden Kommentaren? Muss das der Walter denn jetzt auch noch machen?
Unter dem geringen Popularitätsgrad leiden folglich auch die Autoren, die in vielen Fällen kaum mehr als die zwei bis drei offensichtlichen Angriffsflächen für ihre Sprüche finden. Zwar ist das Niveau diesbezüglich noch immer hoch, kommt allerdings bei weitem noch nicht an die Glanzzeiten vorheriger Staffeln heran. Im fünften Dschungel-Jahr in Folge scheint sich ohnehin allmählich doch so etwas wie Routine bemerkbar zu machen - selbst bei einem Micky Beisenherz. Viel deutlicher schlägt es sich jedoch auf die Dschungel-Prüfungen nieder, wo ein mit Kakerlaken gefüllter Glaskasten oder die obligatorischen Kamelpenisse schlicht nicht mehr die verstörende Wirkung vergangener Tage haben. Gerade in einer Staffel wie dieser, wo der Cast bei weitem kein Selbstläufer ist, muss die Redaktion umso mehr Kreativität beweisen. Gute Ansätze hierfür waren die witzige Schatzsuche mit Tanja und Jörn, vor allem aber das hundsgemeine Ranking-Spiel am Dienstag.
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Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
23.01.2015 15:46 Uhr 1
Dafür haben dann andere Staffeln mehr gehalten als sie versprochen hatten. Es ist halt immer wieder ein schwächerer Jahrgang dabei.
23.01.2015 15:49 Uhr 2
Es tut der "Serie" auch nicht gut, wenn man Staffel für Staffel versucht dieses zu übertreffen - denn die Auswahl an.... "Idioten" ist begrenzt und da man schon in der letzten Staffeln, und in dieser erst recht, alle Teilnehmer mit ihren Vorgängern vergleicht, so fällt umso schneller auf wo die Grenzen sind.
RTL sollte evt. einfach wieder ne Staffelpause machen. Das hat letztes Mal auch funktioniert und hilft dabei, das die Medienvertreter und "Zuschauer" im Januar da wieder etwas abstand dazu bekommen.
23.01.2015 20:10 Uhr 3
Die Gags und die Prüfungen zünden auch nicht wirklich gut, weil dem Zuschauer die Kandidaten einigermaßen egal sind. Und das wird sich bis zum Ende auch nicht mehr ändern.