Cast & Crew
Vor der Kamera:Felicitas Woll als Pia Kirchhoff
Tim Bergmann als Oliver von Bodenstein
Kai Scheve als Dr. Henning Kirchhoff
Michael Schenk als Kai Ostermann
Anke Sevenich als Nicola Engel
Barnaby Metschurat als Thomas Ritter
Gudrun Landgrebe als Katharina Ehrmann
Hinter der Kamera:
Produktion: all-in-production GmbH
Drehbuch: Anna Tebbe
Regie: Marcus O. Rosenmüller
Kamera: Stefan Spreer
Produzenten: Annette Reeker und Levon Melikian
Die Taunus-Cops Oliver und Pia nehmen sich des Falls mit mäßiger Kompetenz und Begeisterung an, sollen ihn aber bald ans BKA abgeben. „Weil das Opfer Jude war?“, fragt Pia ganz entsetzt. Nein, wegen seiner amerikanischen Staatsbürgerschaft, kontert die Dienstvorgesetzte. Egal: Jetzt wollen sie den Fall unbedingt haben. Ein Vorwand, ihn zu behalten, findet sich schnell: ein zweites Mordopfer wird gefunden, und wieder hat der Täter den Schriftzug „16145“ am Tatort hinterlassen.
Eine Verbindung ist schnell gefunden: Beide Tote waren enge Freunde von Vera Kaltensee gewesen, einer neunzigjährigen alten Landadeligen, die in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs von ihrem Landsitz in Ostpreußen in den Taunus geflüchtet war und heute in ihrer Villa mit zahllosen Bediensteten und ihrem unterwürfigen Sohn wohnt.
Wirklich weiter bringt Oliver und Pia aber eine andere Spur: Bei der Obduktion von Goldbergs Leiche ist auf seinem Unterarm nirgendwo eine Häftlingsnummer zu finden, wie sie in Auschwitz den Insassen eingepresst wurde. Dafür finden sich Reste einer Blutgruppentätowierung, wie sie bei der Waffen-SS üblich war. Der Tote war kein Jude und erst recht kein KZ-Häftling, sondern Nazi gewesen. Die Wohnung des zweiten Opfers lässt auf einen ähnlichen Hintergrund schließen: Im Arbeitszimmer hängt ein Porträt von Joseph Goebbels und an einem alten Projektor hatte sich das Opfer allerhand Nazifilme reingezogen. Fest steht: Die Toten aus dem Kaltensee-Umfeld waren nicht die gewesen, für die man sie jahrzehntelang gehalten hatte.
Der Stoff um späte Rache für alte Sünden aus der Nazizeit hätte zweifelsohne Potential gehabt. Allein: Die historischen Zusammenhänge sind nur Kulisse, die tiefen Wunden, derer sich dieses Machwerk im Titel rühmt, sind eher aufgesetzter und pathetischer statt wirklich tiefer, historischer, psychologischer Natur.
Dem in die Hände spielen die ambitionslose Inszenierung und die langweilige, völlig spannungsfreie Dramaturgie. Die Figuren sind uninteressante bis alberne Karikaturen verschiedener Milieus und Lebensanschauungen, vom selbstbesoffenen, antiquierten Großbürgertum zu den bodenständigen hessischen Cops, mit einer schalen, gesichts- und facettenlosen Polizistin und einem schnieken jungen Vater in den Hauptrollen. Massenkompatibel, ohne Esprit, austauschbar. Nicht viel anders ihre Darsteller: Felicitas Woll hechtet manchmal süffisant, aber immer seelenlos durch ihre Szenen, Kollege Tim Bergmann sticht aus dem Wust junger, adretter deutscher Serienpolizisten mit Dreitagebart nicht heraus.
Wo es an narrativer und psychologischer Komplexität fehlt, haben sich Autorin Anna Tebbe und Nele Neuhaus, die Verfasserin des Romans, der zu «Tiefe Wunden» adaptiert wurde, dagegen alle Mühe gegeben, ihre Geschichte mit einem nur schwer überschaubaren Figurenwust vollzustopfen, von dem gefühlt die Hälfte dramaturgisch vollständig irrelevant ist. Doch ein vollgepfropftes Figurenpersonal macht eben noch lange keine differenzierte Geschichte. Und so erzählt «Tiefe Wunden» am liebsten oberflächlich, mit Rache um der Rache Willen als Tatmotiv und blödsinnigen 08/15-Dialogen allenfalls mäßig intelligenter Polizistenfiguren, die dynamisch und ambitioniert wirken sollen, tatsächlich aber rüberkommen, als hätten sie den Verstand verloren. Das klingt dann so: „Haben Sie einen Beschluss, der Ihr Eindringen hier begründet?“, fragt der dubiose Kaltensee-Zögling, als Dreitagebart-Cop Oliver nonchalant in alten Koffern auf dem Kaltensee-Anwesen wühlt. „Wir ermitteln“, antwortet der, als ob das eine ebenso vollständige wie legitime Begründung wäre. Zum Schießen.
Und so weist der vierte Taunuskrimi sogar Momente auf, in denen er – trotz der historischen Schwere, die er zu umreißen versucht – unfreiwillig komisch wirkt. Besonders in seinem missglückten Finale, das noch mutwillig einen möglichst hohen Bodycount erreichen will, damit man sagen kann, man habe konsequent und tragisch erzählt. Hat man nicht. Stattdessen aufgesetzt, austauschbar und ohne jeglichen Tiefgang. Tiefe Wunden spürt hier nur der Zuschauer, der sich dieses Elend eineinhalb Stunden lang antun musste.
Das ZDF zeigt «Tiefe Wunden» am Montag, den 2. Februar um 20.15 Uhr.