März 2014: Das Gerücht geht um, dass Bradley Cooper in einem «Indiana Jones»-Reboot die Titelrolle übernehmen soll. Der Tenor im Web: Unentschlossen. Zustimmung, Ablehnung, der Wille, abzuwarten. Ende Januar 2015: Ein neues Gerücht rund um den peitschenschwingenden Archäologen kommt auf. Die Ranghöchsten des Disney-Konzerns wollen angeblich «Guardians of the Galaxy»-Frontmann Chris Pratt für die Hauptrolle in neuen «Indiana Jones»-Filmen. Die Reaktionen auf diesen Bericht: Nahezu durchgehend euphorisch.
Bestätigt ist dieser Castingcoup zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht. Dennoch hat der Rummel um dieses Gerücht Gewicht. Er zeigt auf, dass das richtige Casting Tür und Tor zu öffnen vermag. Indiana Jones zählt zu jenen ikonischen Figuren, bei denen wiederholt davon die Rede war, dass sie unnachahmlich seien. Harrison Ford ist Indy, niemand anderes kann diese Rolle übernehmen – naja, bis dann Star-Lord angetanzt kommt und Fangirls und -boys rund um den Globus um den Finger wickelt.
Es wäre nicht das erste Mal, dass eine als unübertrefflich geltende Darbietung eine bemerkenswerte Nachfolge-Performance erhält. Der aktuell in «Birdman» auf seine Zeiten im Popcorn-Movie-Rampenlicht anspielende Michael Keaton galt nach Tim Burtons «Batman» und «Batmans Rückkehr» als der einzig wahre Leinwand-Vigilante im Fledermauskostüm. Der durchwachsen aufgenommene Val-Kilmer-Batman («Batman Forever») und George Clooneys verlachte Darbietung in «Batman & Robin» bestätigten Keatons Überlegenheit. Doch dann kam Christian Bale, der einen grimmigeren, nachdenklicheren, deprimierteren Batman darbot – und seither Keaton in den Augen vieler Filmfreunde überflügelt.
Das Batman-Universum bietet ein zweites Beispiel dieser Güteklasse: Jack Nicholson war jahrelang dank seines Auftritts als Joker in «Batman» der Comicfilm-Superschurke schlechthin. Dann kam Heath Ledger und riss nicht nur «The Dark Knight» an sich, sondern schoss sich auch an die Spitze der besten Schauspielleistungen, die es je in einer Comicadaption zu sehen gab. Und dann wäre da natürlich Bond … James Bond. Innerhalb von etwas mehr als 50 Jahren schlüpften für Eon Productions sechs Schauspieler in den Agentenanzug, und dies durchaus mit Erfolg. Jeder der Bond-Darsteller hat seine Fanbase und auch seine erbitterten Gegner. Jedoch ist es schwer, einen Bond-Fan zu finden, der nur einen einzigen 007-Mimen respektiert.
Chris Pratt hat das Potential, ein würdiger Nachfolger Harrison Fords zu werden. Sein Star-Lord in «Guardians of the Galaxy» ist so etwas wie Han Solos von Natur aus amüsierter, herumblödelnder Halbbruder im Geiste. Wenn Pratt der Han Solo des neuen Jahrtausends sein kann, wieso nicht auch der Indiana Jones dieses Jahrtausends? Er darf nur nicht Ford imitieren, er muss seinen eigenen Weg finden, ohne dabei sämtliche Parallelen zum Original über den Haufen zu werfen. Wenn Disney und Lucasfilm clever sind, lassen sie Pratt (sollte er die Rolle übernehmen wollen), zunächst in einem nicht zum «Indiana Jones»-Kanon gehörenden Kurzfilm auftreten. In einem kleinen Bonusfilmchen auf der «Star Wars – Das Erwachen der Macht»-Blu-ray vielleicht. Oder in einem Disneyland-Werbespot, in dem Pratt darum bettelt, im Park als Indiana Jones herumlaufen zu dürfen. Irgendetwas, das Pratt ermöglicht, ein Gefühl für die Rolle zu erhalten und das die Gewässer testet, ob Filmfans einen neuen Leinwand-Indy akzeptieren.
Disney hat die Ressourcen zu solch einem Experiment, genügend Filmfans zeigen den Willen … also nur her damit!