«WILD TALES – JEDER DREHT MAL DURCH» (Argentinien)
«Wild Tales» ist das seltene Beispiel für einen Film ohne Netz und doppelten Boden, ohne Gurt, Airbag oder andere Sicherheitsmechanismen. Er ist Kino, wie es purer nicht sein könnte, durch und durch argentinisch und gleichzeitig so universal, dass er uns allen den Spiegel vorhält. Das Biest, das er zeigt, das sind wir. Und wir sind urkomisch in unserer verzweifelten Wut. Zum Äußersten getrieben in einer unberechenbaren, ständigem Wandel ausgesetzten Realität, überschreiten die Figuren in «Wild Tales» den schmalen Grat, der Zivilisation von Barbarei trennt. Der Verrat eines Liebenden, die Konfrontation mit einer vergessen geglaubten Vergangenheit und die Gewalt, die sich aus ganz alltäglichen Begegnungen ergibt, treiben die Figuren immer weiter, in den Wahnsinn hinein. Und je weiter sie in diese Richtung getrieben werden, desto mehr lassen sie sich fallen und geben sich dem verbotenen Vergnügen hin, die Kontrolle zu verlieren.
Jeder kennt das Gefühl: die Wut über die Unzulänglichkeiten des Lebens. Ein harmloser Moment bringt das Fass zum Überlaufen und ruft eine Kettenreaktion hervor. Manche bleiben ruhig. Andere explodieren. «Wild Tales» ist ein Film über Menschen, die explodieren. Und als solcher hat es die obskure Mischung aus Coen-Brothers-Humor, Tarantino-Zynismus und Almodovar-Intelligenz bereits ganze 35 Nominierungen und 20 Filmpreise sichern können. Beim Preis der Academy of Motion Picture Arts and Sciences of Argentina heimste der schmwarzhumorige Streifen ganze zehn Preise ein. Auch in Spanien liebt man den kultverdächtigen Streifen, der lediglich drei Wochen brauchte, um zum erfolgreichsten argentinischen Kinofilm aller Zeiten zu werden. Doch gleichzeitig ist dies wohl auch der unkonventionellste Oscar-Beitrag des Jahres – und damit nur sehr schwer einzuschätzen.
«TANGERINES» (Estland)
Über den estländischen Oscar-Beitrag «Tangerines» ist bisweilen am wenigsten bekannt. Im Jahre 1990 herrscht Krieg im Kosovo. Landwirt Ivo (Lembit Ulfsak) trotzt den Umständen, bis er durch einen blutigen Vorfall dazu gezwungen wird, einem verwundeten Mann, dessen Gesinnung er nicht kennt, bei sich Unterschlupf zu gewähren.
Sieben Nominierungen und zehn Award-Gewinne gehen auf das Konto eines Films, den bislang kaum einer zu Gesicht bekam. Schon bei den Golden Globe Awards fand sich das Kriegsdrama von Zaza Urushadze unter den Preis-Anwärtern wieder, entsprechend hoch sehen viele Insider die Chancen, dass es auch bei den Oscars klappen könnte.
Die Kino-Redaktion von Quotenmeter.de ist gespannt, welche Produktion den Oscar für den "Besten fremdsprachigen Film" in diesem Jahr mit nach Hause mitnehmen darf.