Die Kritiker

Adrenalin, Mord und Hollinderbäumer zur Premiere

von

Mit einer explosiven Mischung wartet das Debüt der ZDF-Reihe «Neben der Spur» auf. Warum man das nicht verpassen sollte.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Ulrich Noethen («Die Luftbrücke») als Dr. Joe Jessen, Juergen Maurer («Das Glück die Erde») als Vincent Ruiz, Nikolai Kinski («Yves Saint Laurent») als Robert Mohren, Petra van de Voort als Nora Jessen, Marie Leuenberger («Wer's glaubt, wird selig») als Anna Bartholomé, August Zirner («Die Fälscher») als Dr. Fred Dierberg, Lilly Liefers als Charlotte,
außerdem Dietrich Hollinderbäumer («Pastewka») in einer Gastrolle


Hinter den Kulissen:
Regie: Cyrill Boss und Philipp Stennert, Buch: Frederik Weis, Cyrill Boss und Philipp Stennert, nach dem Roman „Adrenalin“ von Michael Robotham, Musik: Christoph Zirngibl, Kamera: Felix Cramer, Schnitt: Lucas Seeberger, Produktion: Network Movie

Ästhetische Bilder untermalt mit Opernmusik. Nicht wenig offensichtlich versucht die erste Episode der ZDF-Reihe «Neben der Spur» mit den Erwartungen der Zuschauer zu brechen. Im nächsten Moment nämlich wird eine in der Erde verbuddelte Leiche sichtbar. Und obwohl dieser Kniff altbekannt ist, die Ausgabe wird aufgrund der guten Umsetzung gleich zu Beginn ihrem Titel gerecht. Auf den Namen «Adrenalin» hört sie nämlich und das wird im Laufe der Episode immer wieder freigesetzt.

Ein australisches Buch hat sich die Reihe zum Vorbild genommen, „Adrenalin“ heißt auch der Roman von Michael Robotham, dem die Story zugrunde liegt. Auch für den zweiten Fall, dessen Dreharbeiten bereits abgeschlossen sind, orientierte man sich an einem Buch von Robotham, was für die Fortsetzung wohl als Glücksfall betrachtet werden darf. Weitere Bücher stehen ebenfalls zur Verfügung, Nachschub ist also potenziell vorhanden. Die Regisseure und Drehbuchautoren sind in ihrem Genre allerdings im Gegensatz zu Robotham Novizen: Das Duo Cyrill Boss und Philipp Stennert arbeitete vorher eher auf der großen Leinwand und produzierte dort unter anderem die Parodie «Neues vom Wixxer» oder auch den Jugendfilm «Das Haus der Krokodile». Die für das ZDF hergestellte Reihe «Neben der Spur» siedelt sich hingegen eher im Bereich Psychothriller an, obwohl sie sich genretechnisch nicht ganz festlegen will. Manchmal nämlich liegt man näher am reinen Krimi – und ohne sarkastisch-komödiantische Aspekte kommt der Film auch nicht aus.

Sehr auffällig zeigt sich hinter den Kulissen Felix Cramer, der für die Kamera zuständig war. Er arbeitet sehr experimentierfreudig, verwendet viele auffällige Einstellungen. Nur in den wenigsten Momenten fragt man sich, ob es mit den alternativen Shots nicht ein wenig übertrieben wurde. Doch tatsächlich ist das Werk sehr eindrücklich und entfaltet seine volle Wirkung mit Nachdruck und zugleich unterschwellig-intuitiv. Alleine hierfür verdient der Film schon das Prädikat „wahnsinnig gut“.

Spannung wird neben der Kamera aber auch durch Ruhe erzeugt – ein Element, das auch moderne Klassiker wie «Drive» prägte. Gerade im ersten Drittel – also in den Momenten, in denen sich die Handlung noch nicht wirklich ausbreiten konnte, wird dieses Stilmittel in einer hohen Schlagzahl verwendet, allerdings ohne sich dabei abzunutzen. Nicht nur, weil die Stimmung so gut wirkt, sondern auch weil das Stilmittel Stille die Notwendigkeit nimmt, für den Zuschauer unverständliche Erklärungen zu integrieren, ist diese Umsetzung ein kluger Schachzug. Nach einer guten halben Stunde nimmt die Handlung dann schließlich Fahrt auf und entwickelt den hier nötigen Drive.

Der Psychiater Dr. Joe Jessen wird dann als Ermittler im Fall um eine ermordete Krankenschwester zu Rate gezogen – schnell erkennt er einen seiner Patienten als potenziellen Täter. Doch auch Jessen selbst kannte die Ermordete – und gerät in den Fokus der Ermittlungen. Was zunächst nach einer nicht besonders ausgeklügelten Story klingt, entpuppt sich schnell als geschickt verpackter und beklemmender Fall. Es müssen eben nicht immer die großen Geschichten sein. Das gilt vor allem, da man sich als Zuschauer immer mitten im Geschehen fühlt. In wenigen kleinen Momenten verliert sich die Story in Offensichtlichkeiten, das Ende ist umso genialer. Zugleich hielten die Autoren es nie für nötig, eine besondere Einführung in die Rahmenhandlung zu kreieren. Wo sich andere Reihen daran aufhalten, alles in einen Kontext zu stellen, legt «Neben der Spur» einfach los. Als Zuschauer fühlt man sich deshalb mündig und ernst genommen.



Als Psychiater wandelt Ulrich Noethen zwischen den Welten: Unterhaltsam, analysierend, nachdenklich. Vielleicht hat man Noethen noch nie so eindrucksvoll gesehen, was keinesfalls seine sonstigen Leistungen rügen soll. Als Protagonist macht er seine Sache jedenfalls exzellent. Bedauern mag man vor den Schirmen hingegen die nicht besonders umfangreiche Screen Time von Dietrich Hollinderbäumer. Auch ohne große humoristische Momente (wie man sie von dem Mimen doch eigentlich kennt) ist er eine Bereicherung für das Format. Eine wirkliche Schwachstelle im Cast sucht man aber ohnehin vergebens, durch die Bank weg funktionieren die Figuren in jeglicher Hinsicht.

Damit lässt sich ein Fazit dann auch relativ einfach ziehen: Leichte Kost ist der Auftakt zu «Neben der Spur» wahrlich nicht, der deutschen Filmlandschaft schadet aber gerade dieser Fakt gewiss nicht. Eigentlich ist sogar das genaue Gegenteil der Fall: Intelligent erzählt, komplex geschrieben und kreativ umgesetzt sind Attribute, die bei weitem nicht jeder deutsche Film besitzt. Dieser tut es. Wenn es gelingt die Story glaubhaft weiterzuführen, dann ist damit möglicherweise eine Reihe geboren, deren Tonalität sich von der üblicher öffentlich-rechtlicher Primetime-Formate abhebt und die Qualitätsfahne des ZDF ganz hoch hält. Zu hoffen wäre das. Wenn es noch eines Beweises bedurfte: Die deutsche Fiction lebt.

«Neben der Spur – Adrenalin» gibt es am Montag, 23. Februar um 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.

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