Filmfacts «Whiplash»
- Regie und Drehbuch: Damien Chazelle
- Produktion: Jason Blum, Helen Estabrook, Michel Litvak, David Lancaster
- Darsteller: Miles Teller, J. K. Simmons, Paul Reiser, Melissa Benoist, Austin Stowell
- Musik: Justin Hurwitz
- Kamera: Sharone Meir
- Schnitt: Tom Cross
- Laufzeit: 106 Minuten
- FSK: ab 12 Jahren
Von dieser Einstellung ist zumindest Bandleader Terence Fletcher (J. K. Simmons) überzeugt, der an der prestigeträchtigen Musikhochschule Shaffer Conservatory of Music eine erlesene Jazzband betreut. Obwohl er aufgrund seiner gestrengen Haltung und seinem unnachgiebigen Perfektionsstreben ebenso berühmt wie berüchtigt ist, sehnt sich der 19-jährige Schlagzeuger Andrew (Miles Teller) sehnlichst danach, in dessen Auswahl aufgenommen zu werden. Denn Andrew hat es sich zum erklärten Lebensziel gemacht, einer der ganz Großen zu werden, jemand, der sich mit dem stilbildenden Jo Jones oder dem technisch versierten Buddy Rich messen lassen kann. Und nur der erfahrene, gebieterische Fletcher, so glaubt Andrew, kann alles aus seinem Talent rausholen. Jedoch lässt sich Fletcher nicht von Ambition und Durchhaltevermögen allein beeindrucken – Andrew muss weit über seine Grenzen hinausgehen, um das zu leisten, was Fletcher hören will …
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«Für immer Single?»-Nebendarsteller Miles Teller spielt Andrew in den alltäglichen Szenen mit sympathischer Zurückhaltung. Er vermag es gleichwohl, dank wandlungsfähigem Gestus subtil zu skizzieren, wie Andrew durch seine Fortschritte als Schlagzeuger ein neues Selbstbewusstsein entwickelt – etwa, indem er gegenüber der Kinoangestellten Nicole (erfrischend: Melissa Benoist) auftaut. Lange hält sich dieses nach einem herausfordernden, packenden Stück von Hank Levy benannte Drummer-Drama allerdings nicht in Gefilden auf, die an andere Schüler-Mentor-Dynamiken erinnern. Wenn Andrew den launischen Fletcher erst richtig kennenlernt, verwandelt sich «Whiplash» in einen treibenden, hitzigen Militärstreifen im Musikfilmgewand.
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Aber Simmons lässt es nicht allein auf der sadistischen Ader Fletchers beruhen – mit überzeugendster Zuckrigkeit verleiht er ihm in seltenen Augenblicken den Eindruck eines idealistischen Künstlers, dem es nur darum geht, denkwürdige Musikerlebnisse zu erschaffen. Schon vom Kinosessel aus fällt es daher schwer, bei aller begründeten Abscheu vor Fletchers Methoden nicht dennoch (zumindest phasenweise) seinem Bann zu verfallen – und Andrews Aufopferungsbereitschaft ist bei aller Tragik leider nur zu plausibel.
- Sony Pictures
Terence Fletcher (J.K. Simmons) ist jedes Mittel recht, um Höchstleistungen aus seinen Schülern zu kitzeln. Andrew (Miles Teller, links) gibt alles.
Dies liegt auch im schneidenden Drehbuch begründet, dessen Dialoge durchweg sitzen und bei jedem, der sich jemals schöpferisch betätigte, einen Nerv treffen dürften – so etwa dann, wenn sich Andrew gegenüber seiner Familie über die Geringschätzung seines Tuns beklagt. Ein echter Terence Fletcher könnte sich bei «Whiplash» trotzdem nicht völlig mit Schimpftiraden zurückhalten, denn wie bei manchen Sinfonien, die wohl lieber Rhapsodien wären, kommt es hier im vorletzten Satz (respektive Akt) zu minimalen Problemen mit der Geschwindigkeit. Wer nicht über solch ein unangebracht tonangebendes Naturell wie Fletcher verfügt, wird dies angesichts der in der Inszenierung spürbaren Hingabe aber leicht vergeben. Erst recht, da diese ebenso eindrucksvolle wie zweischneidige Ode an all jene, die noch einer wahren Leidenschaft nachgehen, gerade dann brilliert, wenn sie sich ihren prekärsten Momenten nähert.
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«Whiplash» ist ab dem 19. Februar 2015 in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.