Die Kritiker

Außer Dienst

von

"Das Haus am Ende der Straße" wird Joachim Króls letzter Fall als Frank Steier. Ein würdiger Abschied:

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Joachim Król als Frank Steier
Armin Rohde als Rolf Poller
Maik Rogge als Nico Sauer
Vincent Krüger als Robin Sauer
Janina Schauer als Lisa
Peter Kurth als Seidel
Axel Wandtke als Titus Schwarzenbacher

Hinter der Kamera:
Produktion: Hessischer Rundfunk
Drehbuch: Erol Yesilkaya und Michael Proehl
Regie: Sebastian Marka
Kamera: Armin Alker
Bei einem Routineeinsatz kommt es zur Katastrophe: Kommissar Steier wird von Nico Sauer, dem Typen, hinter dem er her ist, überwältigt. Der dreht durch, ballert in die Wand – und die Kugeln durchschlagen sie und töten ein kleines Mädchen in der Nachbarwohnung.

Sauer wird der Prozess gemacht. Er endet in seinem Freispruch, weil die Promillewerte des einzigen Zeugen Steier, seines Zeichens Vollalkoholiker, zur Tatzeit jenseits von Gut und Böse waren. Seine Aussage ist damit wertlos. Er wirft die Brocken hin, kündigt. Und säuft weiter.

Man weiß nicht so recht, für wie zurechnungsfähig man Steier in seinem letzten «Tatort»-Film halten soll. Mal wirkt er sehr geordnet, geistig hellwach und präsent. Und mal neigt er zu Kurzschlussreaktionen, die ihn und andere in Teufels Küche bringen könnten: Nach Sauers Freispruch sinnt er auf Rache und legt sich einen Revolver zu, um ihn abzuknallen. Im letzten Moment dreht sich Steier, entsetzt von sich selber, um, hechtet davon.

Sauer plant derweil schon sein nächstes Ding, auf das ihn sein Bruder Robin und dessen heroinsüchtige Freundin Lisa gebracht haben. Ein Einbruch in eine Villa, bei dem sie Unsummen erbeuten wollen. Steier bekommt Wind von der Sache, hängt sich an die Kriminellen dran – doch alles geht schief: Der Hausbesitzer kehrt unerwartet zurück und wird von Nico Sauer erschlagen.

Der Nachbar Rolf Poller, ein ehemaliger Polizist, hat alles mitangesehen. Sauer will ihn kalt machen und die Bande verfolgt ihn in das titelgebende Haus am Ende der Straße, wo Poller wohnt. Beim Versuch, den stämmigen Mann zu ersäufen, kommt Steier aber Sauer in die Quere – doch da dreht Poller den Spieß um. Er hält die vier, Steier, die Sauer-Brüder und Lisa, gefangen. Mit Recht und Gerechtigkeit im rechtsstaatlichen Sinne hat Poller schon lange abgeschlossen: Sein Sohn war schwer drogensüchtig und ist jämmerlich unter einer Brücke verreckt. Mehrmals hat er schon versucht, sich das Leben zu nehmen, es dann aber doch nicht fertig gebracht.

In Nico Sauer meint Poller nun das personifizierte unrehabilitierbare Verbrechertum gefunden zu haben. Und tatsächlich lässt Nico Sauer keine Gelegenheit aus, Poller recht zu geben, indem er bereitwillig so ziemlich jeden töten würde, um frei zu kommen. Steier ist das reine Gegenteil: Er lehnt es ab, Sauer umzubringen, auch wenn Poller ihm das immer wieder schmackhaft macht. Pollers übergeordnetes Ziel ist es, Nicos Bruder Robin, den er für einen guten Menschen hält, von den schlechten Einflüssen seines Bruders zu befreien. Poller will Robin ein neues Leben ermöglichen – und damit vielleicht das gut machen, was er an seinem eigenen Sohn versaut hat.

Wenn sich Armin Rohde, der den verzweifelten, kaputten Poller spielt, und der ebenso versierte Joachim Król unterhalten, über Schuld, Sühne und Vergebung philosophieren, während der eine für den anderen eine existentielle Bedrohung darstellt, weiß man, warum man die Frankfurter Reihe um Steier vermissen wird. Weil sie immer anders war als die vielen «Tatort»-Massenprodukte. Intelligenter, vielschichtiger, interessanter, spannender, relevanter, kunstvoller. Weil man mit der Hauptrolle Frank Steier den unkonventionellen Weg gegangen ist, eine alkoholabhängige Figur als Ermittler in einer Krimi-Reihe auftreten zu lassen und gleichsam unprätentiös zu erzählen, ohne ständige didaktische Überbetonungen und Überzeichnungen. Mit Frank Steier stand die Figur im dramaturgischen Zentrum – und nicht der Vorwand, sie zum Zwecke der intellektuellen Vereinfachung zum pathetischen Häufchen Elend verkommen zu lassen.

„Das Haus am Ende der Straße“ schließt die Frankfurter «Tatort»-Reihe in dieser Hinsicht würdevoll ab – und fand mit Armin Rohde einen kongenialen Partner für Król. Großartig, wie ihre Figuren sich die Bälle zuspielen und in ihrer entsetzlichen Einsamkeit und Abgeschlagenheit trotz aller Widrigkeiten das Gesicht wahren dürfen. Dieser Film ist mehr als die Summe seiner Teile geworden, eine intelligente Reflexion über Gerechtigkeit und Sühne, verpackt als einnehmendes Katz- und Maus-Spiel, in dem zwei großartige Schauspieler brillieren, mit großem Feingefühl die moralischen Zwischentöne finden.

Schade, dass dieser Steier ab Sonntagabend außer Dienst ist.

Das Erste zeigt «Tatort – Das Haus am Ende der Straße» am Sonntag, den 22. Februar um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/76467
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