Die Kritiker

Jodel-di-hü

von

«Hanna Hellmann» will eine zeitgemäßere Heimatfilm-Reihe werden. Das lässt die Auftaktfolge, "Der Ruf der Berge", zumindest erahnen. Ob das funktioniert?

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Diana Staehly als Hanna Hellmann
Tobias Licht als Alessandro Ilario
Roman Knizka als Stefan Reimann
Teresa Harder als Rosa Furio
Catherine Bode als Lisa Gamper
Adrian Topol als Enzo Haberling
Manuel Cortez als Rasmus Kofler

Hinter der Kamera:
Produktion: UFA Fiction GmbH
Drehbuch: Anja Weber
Regie: Kai Meyer-Ricks
Kamera: Daniel Koppelkamm
Produzent: Markus Brunnemann
Als Hanna Hellmann eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand sie sich völlig verkatert in einer Tiroler Almhütte vor – was seltsam ist, schließlich war sie am Abend zuvor noch in ihrer Heimat Köln und hat keine Ahnung, wie sie nach Österreich in die Berge gekommen ist. So oder so ähnlich fangen viele geile Anekdoten an.

Hüttenwirtin Lisa setzt Hanna schnell ins Bild: Hannas Lebensgefährte hat ihr gestern Abend einen Heiratsantrag gemacht. Daraufhin sind bei ihr alle Sicherungen durchgebrannt und sie hat sich am Hauptbahnhof in den nächsten Zug gesetzt. In Anzing ist sie dann ausgestiegen und ein hübscher, junger Mann hat sie in die Hütte raufgetragen. Danach hat sie gesoffen, als ob es kein Morgen mehr gäbe, auf den Tischen getanzt und jedem, der nicht schnell genug weglaufen konnte, ihre Lebensgeschichte erzählt. Und jetzt sitzt sie eben völlig verkatert mitten in Tirol und weiß nicht, wie es weitergehen soll.

Hüttenwirtin Lisa macht ihr den Vorschlag, ein paar Tage zu bleiben, sich hier in den Bergen zu sortieren und ein bisschen in der Wirtschaft auszuhelfen. Außerdem kommen ihr Hannas berufliche Qualitäten als Rechtsanwaltsgehilfin ganz gelegen: Lisa hat seit längerer Zeit eine schwierigere Erbauseinandersetzung mit ihrem Bruder Enzo an der Backe: Enzo ist Alkoholiker und Hanna lernt ihn kennen, wie er vor der Hütte mit einem (glücklicherweise ungeladenen) Revolver hantiert. Hanna lässt sich breitschlagen und eröffnet beim Bürgermeister ein Schlichtungsverfahren, damit Lisa nicht länger ihren versoffenen Bruder alimentieren muss, während der sich bei jeder Gelegenheit daneben benimmt.

Hanna hat daraufhin mit den erwartbaren Widerständen zu kämpfen: Enzo säuft sich in die Besinnungslosigkeit und wird mit 3,7 Promille Alkohol im Blut mit dem Medicopter ins örtliche Spital geflogen – womit man den ersten von vielen Vorwänden hat, die Heimatfilm-typischen Bergpanoramas in Szene zu setzen. An die Gepflogenheiten in der Tiroler Almhütte muss sie sich auch erst mal gewöhnen. Ebenso an das Laufen mit schwer beladenen Tabletts, was sie beim ersten Versuch gleich theatralisch in die Horizontale befördert. In den Alpen nichts Neues.

Und doch will «Hanna Hellmann» eine zeitgemäßere Heimatfilmreihe werden als etwa Hansi Hinterseers „Da-wo-das-Grauen-nie-endet“-Filme. Es fallen zahlreiche Elemente auf, mit denen man das bewerkstelligen will – und die wahrscheinlich auch gar nicht so falsch sind: Statt zünftige Blasmusik darf Adeles „Rolling in the deep“ als musikalische Untermalung herhalten. Anstatt, dass man Christine Neubauer ein weiteres Mal beim dick aufgetragenen Menscheln zuschauen muss, torkelt Diana Staehly durchs alpine Unwetter. Und obwohl für Säufer Enzos zahlreiche Lebensprobleme nur recht einfache Lösungen angeboten werden, ist hier eine deutlich vielschichtigere Zeichnung als in vielen vergleichbaren Produktionen gelungen.

Doch dem genreüblichen theatralischen Duktus will man sich freilich nicht ganz verschließen. Immer mal wieder werden die Dialoge ziemlich plump („Du rennst vor dir selber weg!“), die Werte altkonservativer, die Plots vorhersehbarer, die Gags schaler. Aber immerhin ist „Der Ruf der Berge“ kein zünftiger Heimatfilm geworden, in dem die holzgetäfelten Stuben die einzige Lebensrealität sind: Kellnerin Rosa hat zwar die meiste Zeit ihres Lebens in den Bergen gelebt, brachte aber auch ein paar Jahre als Erotik-Darstellerin in Amerika zu. Die alten reaktionären Männer am Stammtisch werden sofort in die Schranken verwiesen, wenn ihre revanchistischen Ergüsse ins Unerträgliche gehen. Und auch wenn manche Dialogpassagen von Diana Staehly ein wenig aufgesagt klingen mögen, spielt sie doch sehr charmant und erfrischend unprätentiös. Heimatfilm war schon viel grässlicher. In diesem Sinne: Jodel-di-hü!

Das ZDF zeigt «Hanna Hellmann – Der Ruf der Berge» am Donnerstag, den 12. März um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/76855
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