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Showtime: Mit «Twin Peaks» zum Angriff auf HBO

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Der HBO-Konkurrent Showtime hat mehr als nur «Homeland» hervorgebracht: Mit «The Affair» zeigt man den aktuellen Kritikerhit, «Masters of Sex» und «Penny Dreadful» experimentierten mit dem Medium. Nun will Showtime noch mehr – mit der Rückkehr von «Twin Peaks».

David Nevins ist glücklich in diesen Tagen. Der Präsident von Showtime hat mit dem neuen Format «The Affair» den Nerv seiner Zuschauer und der Kritiker gewonnen; gleich auf Anhieb heimste man den Golden Globe als beste TV-Serie ein – und gewann damit einen der wichtigsten Medienpreise weltweit. «Ray Donovan», das Drama über den Fixer der Hollywood-Stars, feierte Ende 2014 mit einem Quotenrekord das Staffelfinale, rund 40 Prozent Zuschauer gewann man gegenüber dem Vorjahr. Auch der Relaunch von «Homeland» ist geglückt, einer Serie, die nach Staffel drei eigentlich zu Ende erzählt war. Und mit den neuen Folgen doch wieder fesselte. Die experimentellen Produktionen «Penny Dreadful» und «Masters of Sex» funktionieren ebenfalls. Überhaupt produziert Showtime kaum echte Flops in den vergangenen Jahren, als letzter gilt das Überwachungsdrama «Look» – Ausstrahlungsjahr 2010. Und dann wäre da noch: «Twin Peaks», die Kultserie, die 2016 mit einer neuen Staffel zurückkommt. Das heißeste Eisen im Seriengeschäft. Showtime packt es an.

Architekt des derzeitigen Erfolgs ist eben jener Präsident David Nevins, der im Juli 2010 zu Showtime kam. Das Erste, das er für seinen Sender in Auftrag gab, war «Homeland» – jene Serie also, die die Showtime-Marke nachhaltig verändern und als Global Player im Business verankern sollte. Mit «Homeland» schaffte Nevins gleich seinen ersten, bislang größten Hit. „Ich will die besten Shows, die besten Autoren, die besten Schauspieler“, erklärt der Mann in einem Variety-Interview jüngst. Sein Boss Leslie Moonves, Präsident der Mutterfirma CBS Corp., schätzt Nevins exorbitant. Beide kennen sich aus früheren Zeiten bei den großen Networks, Anfang der 1990er war Nevins Chef der Primetime-Sparte bei NBC. Er war verantwortlich dafür, dass die Krankenhausserie «Emergency Room» ausgestrahlt wurde – obwohl viele andere Bedenken hatten. Die restliche Geschichte ist bekannt: «ER» wurde zu einer der erfolgreichsten Serien des Jahrzehnts. Als im Jahr 2010 der Job des Showtime-Präsidenten neu vergeben wurde, soll sich Moonves an den Enthusiasmus erinnert haben, den Nevins entgegen aller Widerstände damals für «ER» aufgebracht hatte – und engagierte ihn.

Nevins überwacht alle Originalproduktionen von Showtime, er lässt den Produzenten zwar kreative Freiheiten, mischt sich aber auch ein. „David hat eine wundervolle Art, dir zu sagen, wo seiner Meinung nach ein Problem im Skript besteht, aber er treibt dich nicht zu einer spezifischen Lösung“, sagt John Wells, ausführender Produzent von «Shameless» (Foto). Nevins selbst beteuert, von Showrunnern mehr als von allen anderen Fernsehmachern gelernt zu haben. Er versteht Fernsehen zuallererst als Medium, Geschichten zu erzählen. „Fernsehen ist ein Medium der Imperfektion. Du musst dies verstehen, und gleichzeitig dagegen eifern. Du versucht so perfekt zu sein wie möglich, aber es ist niemals perfekt, und es ist niemals fertig. Es ist kein abgeschlossener Text wie bei Filmen oder Theaterstücken.“

Nevins Showtime-Serien sind edgier, trauen sich mehr als die versammelte Pay-TV-Konkurrenz: Mit «Californication» brachte man den dreckigen Sex als Hauptthema ins Fernsehen, manchmal obszön, oft irre lustig. «Homeland» schaffte es als erste große Serie, die Paranoia der westlichen Gesellschaft und insbesondere des US-amerikanischen Volkes nach dem 11. September 2001 in Bildern auszudrücken, authentisch und spannend. Noch heute besitzt «Homeland» wohl die größte gesellschaftspolitische Relevanz im Seriengeschäft. Da wäre noch «Masters of Sex» mit Martin Sheen, in dem Wissenschaftler die menschliche Sexualität zu ergründen versuchen; «Shameless» mit der übertrieben komischen Porträtierung des amerikanischen white trash; zuletzt «The Affair», das das konfuse Beziehungsleben zweier Menschen auf innovative Art und Weise erzählt.

Vergleichsweise oft sind Showtime-Serien in einem realen Setting verortet und werden realitätsnah erzählt. David Nevins plant daher seit einiger Zeit auch in die andere Richtung: „Man erweitert seine Definition, und man versucht abenteuerlustige Entscheidungen zu treffen.“ «Penny Dreadful», die im viktorianischen England angelegte Horror-Serie, war ein erster Schritt in diese Richtung. Jetzt plant Nevins mit einem anderen Genre: „Ich bin daran interessiert, Science-Fiction in einer Art zu machen, die smart und charaktergetrieben ist. Das wird eine große Herausforderung.“ Vielleicht sogar die größte im Seriengeschäft, denn Science-Fiction hatte, zumindest wenn sie erfolgreich sein wollte, kaum den Anspruch von Quality TV, funktionierte fast immer über Fälle der Woche und über ein Schema F. Vielleicht realisiert Nevins seine Vision schon mit «Halo», der Steven-Spielberg-Serie, die sich noch im Planungsstadium befindet. «Halo» ist die Adaption einer der erfolgreichsten Videospiel-Reihen aller Zeiten. Doch als Adaption war Videospiel-Erzählungen bislang nie erfolgreich. Wieder so ein heißes Eisen also, vor dem Nevins nicht zurückschreckt.

Und dann wäre da noch «Twin Peaks»: Ein Raunen ging im Oktober 2014 durch die weltweite Seriengemeinde, als Showtime und David Lynch eine Rückkehr in das verschlafene Nest im US-Staat Washington ankündigten. «Twin Peaks» ist nicht nur ein Phänomen der Popkultur, es gilt auch als eine der besten Serien aller Zeiten. Und auch wenn es vermessen klingt: Ohne «Twin Peaks», das Anfang der 90er in zwei Staffeln lief, gäbe es den Serienmarkt nicht, den wir heute kennen. Das Format von David Lynch und Mark Frost revolutionierte episodisches Erzählen und übte massiven Einfluss auf die Qualitätsdramen aus, die später Geschichte schreiben sollten: «The Sopranos», «Lost» und andere. «Twin Peaks» kehrt also mit einer neuen Staffel zurück, 2016. Es wird das vielleicht größte Serienereignis unserer Zeit. Und es schließt sich ein Kreis, denn die Serie, die all das vorwegnahm, was wir am Seriengeschäft lieben gelernt haben, kommt zurück. Allein: Die Erwartungen zu erfüllen, die ein solches Comeback mit sich bringen, ist fast unmöglich.

Bis dahin wird sich Showtime weitere Expansionsstrategien überlegen müssen, vor allem im digitalen Bereich. HBO hat dort beispielsweise die Entwicklung verschlafen, will erst in diesem Jahr einen eigenen Video-on-Demand-Dienst anbieten, für den man nicht zwingend ein schon vorhandenes Abo braucht. Die digitale Misswirtschaft hat unter anderem dazu geführt, dass «Game of Thrones» zu der Serie wurde, die am meisten illegal gestreamt oder heruntergeladen wurde. Showtime hat die Zeichen der Zeit etwas eher erkannt, zumindest international. Hier bekommt man Hits wie «Homeland», «Penny Dreadful» oder «Ray Donovan» auch über die meisten größeren unabhängigen Streamingdienste. „Die große existenzielle Frage für uns ist: Wie gehen wir zu auf diese ganzen neuen Möglichkeiten, mit denen wir uns vermarkten können? Wie bereiten wir unser Programm auf, unser Marketing, wie sehen unsere Vertriebswege aus?“, fragt David Nevins. Es sind Fragen, mit denen alle großen Abo-Anbieter mit selbst produzierten Inhalten konfrontiert sind. Showtime zumindest stellt sich diesen Fragen offensiv. Abseits davon geht auch die Expansionspolitik weiter: Im Januar kündigte man die Verbreitung von Showtime in Kanada an. Zuvor schon waren einzelne Serien bei unabhängigen Partnern im Programm, jetzt positioniert man sich als eigene Marke. Das internationale Geschäft floriert generell: Von knapp 55 Millionen weltweiten Abonnenten vor sechs Jahren stieg man zuletzt auf über 76 Millionen.

Die Showtime-Sparte erwirtschaftet mittlerweile rund 20 Prozent des operativen Gewinns der Mutterfirma CBS, die als einer der größten Player im internationalen Mediengeschäft gilt. Analysten gehen von weiterem Wachstum aus, da die eigenen Serien immer wichtiger werden, immer mehr Aufmerksamkeit gewinnen – sowohl bei Kritikern als auch beim Publikum. Die jährlichen Einnahmen sind nahe an der Marke von einer Milliarde Dollar, die Profitmarge liegt bei weit über 40 Prozent – näher ist Showtime dem größeren Konkurrenten HBO nie gewesen. Noch. Denn es ist davon auszugehen, dass sich der Abstand zum Branchenprimus weiter verringern wird. 23 Millionen Abonnenten hat Showtime in den USA derzeit – Tendenz steigend. HBO liegt bei 28 Millionen – Tendenz gleichbleibend. «Twin Peaks» wird sein Übriges tun, den Kampf der Pay-TV-Riesen weiter anzufachen.

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