Vor Ort

Wenn Micky seine Ohren verliert... TV-Sender und ihr Look

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Auf der PromaxBDA-Konferenz wurden die kreativsten optischen Kampagnen und On-Air-Designs im TV-Bereich vorgestellt. Quotenmeter.de war vor Ort und zeigt die neuesten Entwicklungen.

„Es war ein großartiger Tag“ resümiert Lester Mordue, Leiter der PromaxBDA Europe Conference für Design, Marketing und Promotion, das diesjährige Event sichtlich zufrieden. „Die Teilnehmer“, so ist er sich sicher „werden das heute erlernte Wissen direkt morgen umsetzen und sich davon in den nächsten sechs bis zwölf Monaten leiten lassen.“ Schließlich würden wir ihm zufolge gerade in besonders spannenden Zeiten leben, in denen sich die gesamte Medienlandschaft im Umbruch befände und die Zuschauer niemals so viele Wahlmöglichkeiten gehabt hätten wie derzeit. Wie diese dispositiven Verschiebungen und neuen Herausforderungen von den Medienhäusern ästhetisch und visuell begleitet und unterstützt werden können, stellte den Mittelpunkt der diesjährigen PromaxBDA-Konferenz in Berlin dar. Insbesondere das Branding – also die optische und inhaltliche Positionierung einer Marke – stand im Fokus vieler Vorträge und Diskussionen.

Bereits zur Eröffnung hatte der amerikanische TV-Stratege Lee Hunt den engen Zusammenhang und die gegenseitige Beeinflussung von Design und Slogan mit dem zugehörigen Programm des US-Kabelsenders TNT eindrucksvoll erläutert. Einen Tag später berichtete der Creative Director Raf Gasak wie man das Erscheindungsbild von TNT Serie und TNT Glitz - den deutschen Ablegern des Unternehmens - jüngst überarbeitet und in diesem Rahmen besonderen Wert auf Farbwerte gelegt hatte, mit denen man glaubte, Emotionen besonders wirkungsvoll übertragen zu können. Demnach ging dem Re-Launch von TNT Serie zunächst eine ästhetische Analyse der im eigenen Line-Up gezeigten Serien voraus. Sie ergab für jede Programmfarbe eine tatsächliche Farbe, die in den Shows eines Genres dominierte. Dieses Spektrum schlug sich letztlich in der finalen Gestaltung des On- und Off-Air-Designs nieder. Eine besondere Farblichkeit hätte auch beim Re-Branding von TNT Glitz eine zentrale Rolle gespielt. Weil der Kanal hauptsächlich junge Frauen adressiere, fiel man die (allzu simple und stereotype) Entscheidung, sich auf die Farbe pink zu konzentrieren, die am (vermeintlich) unmittelbarsten diese Zielgruppe symbolisieren würde. Dabei ging das Team so konsequent vor, dass sich diese Farbgebung und die mit ihr verbundenen Erwartungen sogar im schlichten Slogan „Wir sind pink“ wiederfinden.



Zuvor hatten bereits Nico Wohlschlegel und Ole Türck von der Walt Disney Company erläutert, wie ihr Unternehmen den Wechsel des deutschen Disney Channels vom Pay-TV zum Free-TV gestalterisch umgesetzt hat. Die größte Anstrengung hätte in diesem Zusammenhang der Umgang mit der Primetime dargestellt, da es im werbefinanzierten Fernsehmarkt ein viel größeres Problem sei, wenn die eigentliche Kernzielgruppe der Kinder nach 20.00 Uhr im Bett liegt. Es wäre folglich nötig gewesen, das eigene Angebot am Abend für Erwachsene zu öffnen. Dies hätte zunächst eine Anforderung an die Gestaltung des Sendeplans dargestellt, die Formate so aneinander zu reihen, dass ab dem Nachmittag das Alter der jeweils angesprochenen Zielgruppe sukzessive ansteigt. Visuell unterstreiche man diesen täglichen Wechsel einerseits durch eine dezentere und weniger grelle Farbgebung am Abend und andererseits durch eine minimale Abweichung im Logo. Während im kindergerechten Tagesprogramm das „i“ vom Disney-Logo mit zwei Micky-Maus-Ohren versehen ist, verschwinden diese in den Abendstunden und markieren damit auch optisch eine Loslösung von der Zeichentrickwelt.

Wesentlich mutiger, offensiver und progressiver verläuft das Branding offenbar im europäischen Ausland, wie zwei bemerkenswerte Präsentationen aus Frankreich und Irland bewiesen. In beiden Fällen waren die jungen Ableger der nationalen TV-Stationen neu auszurichten und in beiden Fällen wählten die zuständigen Teams Darstellungen, die sich vollständig von Sendergesichtern, Programmhighlights und sogar von typischen Fernsehmotiven loslösten. Stattdessen werden die vorgestellten Kampagnen von (scheinbar) ungekünstelten und authentischen Foto/Video-Schnappschüssen dominiert, die vor allem im Kontrast und im Zusammenspiel miteinander ihre Wirkung entfalten. Zusätzlich ließ man sich in beiden Varianten von im Internet noch immer sehr beliebten Animated GIFs - also kurzen, sich ständig wiederholenden Bild-Animationen - inspirieren.

In Irland oblag der Firma Red Bee Media die Umgestaltung des Kanals RTÉ 2, dessen Portfolio aus einer sehr heterogenen Auswahl an Serien und Shows bestehen würde. Diese inhaltlichen Brüche sollten sich, wie Jane Fielder und Donna Byrne darstellten, ebenso im Design widerspiegeln. Schließlich entschied sich das Team dafür, das häufig bemühte Versprechen von „Authentizität“ einmal mehr zu nutzen und schuf einen Look, der vom Leitspruch „Tells It Like It Is“ geprägt sei. Aufgegriffen werde dies durch unzählige authentisch wirkende Fotos aus dem Leben Jugendlicher, wie man sie von den Pinnwänden und Timelines bei Instagram, Facebook oder Twitter kennt. Das Logo hätte zudem (ähnlich wie bei modernen App-Logos) eine Reduktion auf die Ziffer „2“ erfahren, die dann zusätzlich wie bei jenen GIFs in zahllosen Endlosschleifen animiert wurde.





Bei der Neuaufstellung von France 4 schlug das Team um Bernard Bréchet und Aude Debout von der Agentur Gédéon einen etwas anderen Weg ein. Dort griff man zwar ebenfalls auf alltägliche, zuweilen unbestimmte und vom TV-Kontext losgelöste Bilder zurück, kombinierte diese aber dann zu kurzen witzigen Collagen, die seither vor allem als Werbetrenner dienen. Diese simple, wie geniale Idee erwies sich als derart effektiv, dass man zusätzlich eine App kreieren ließ, mit der nun auch die Zuschauer selbst solche Collagen produzieren können. Dabei gibt die App ein einheitliches Design sowie eine Auswahl an Bewegtbildmaterial vor, das mit eigenen Videos und Ideen kombiniert werden kann. Besonders gelungene Beiträge schaffen dann regelmäßig den Sprung auf den Bildschirm und verbessern damit das Image des Senders.





Neben solchen visuellen Auftritten von Fernsehanbietern standen zugleich möglichst sinnvolle Einbindungen sozialer Netzwerke für Promotionszwecke im Fokus der Konferenz. Als glänzendes Beispiel durfte Melissa Goodis die Kampagne ihrer Agentur Eyeball präsentieren, bei der es mithilfe einer originellen SocialMedia-Aktion gelungen sei, die Bekanntheit der lokalen US-Radiostation WNYC zu steigern – auch weit über die Grenzen der Stadt New York hinaus. Zwei Faktoren hätten dafür die Basis gebildet: Zum einen schuf das Team eine Website, auf der die Podcasts nach Themen und Sendungen so angeordnet sind, dass die User automatisch von einer Ausgabe zur nächsten geleitet werden. Es wurde also auf einer OnDemand-Plattform ein fast programmartiger Flow geschaffen. Auf der anderen Seite bewarb man diese Webpage aggressiv mit dem Hashtag #SmartBinge und platzierte ihn auf allen gängigen Kanälen. Schlussendlich hätte die ausführliche Evaluierung ergeben, dass ein zehnprozentiger Anstieg der SocialMedia-Aktivitäten des Publikums einen etwa zweiprozentigen Zuwachs der Einschaltzahlen verursachen könne.

Auf derartige Strategien, künstlerische Taktiken oder multimediale Kniffe verzichtete derweil der britische Autor Sir Julian Fellowes bei seinem Auftritt vollends. Der Erfinder der weltweit beliebten Serie «Downton Abbey» und Verfasser des mit einem Oscar ausgezeichneten Drehbuchs zu «Gosford Park» erzählte stattdessen äußerst launig von seinen Erfahrungen in der Kino- und TV-Branche sowie davon, wie man ein gutes Drehbuch schreibt und mit dem Ausstieg von zentralen Schauspielern bei einer Serie umgeht. Er bot damit einen angenehmen Kontrast zu all den analytischen und New-Media-aufgeladenen Beiträgen der jüngeren Redner auf der Konferenz. Ohne nur einmal den Begriff Hashtag zu verwenden, bewies er mit seinen Geschichten aus dem Schreibprozess eines Drehbuchs, dass der allgegenwärtige Schlachtruf „Content is King“ neben sämtlichen Konvergenz-, OnDemand-, Binge- und SocialMedia-Strategien in erster Linie erzählerisch-narrativ zu verstehen ist. All die vielen Aktionen fußen letztlich auf kreativen Formaten, deren wichtigste Grundlage meist ein gutes Drehbuch von einem oder mehreren einfallsreichen Autoren ist.

Siehe auch:
TV in der Zukunft: ‚Ich glaube, es wird weiter wachsen‘
Lester Mordue: 'Intelligentes Entertainment ist in Europa verbreiteter'
'Live-Sport wird für die TV-Sender immer wichtiger‘

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