Hörfunkprogramme des WDR
- 1Live (Jugend, Zielgruppe 14-39)
- WDR 2 (Service/Info, 25-59)
- WDR 3 (Kultur, keine konkrete Zielgruppe, aber eher älter)
- WDR 4 (Oldies/Schlager, ältere Zuschauer)
- WDR 5 (Info, mit Kindersendungen)
Blicken wir in die Mitte der 90er-Jahre zurück, haben wir uns eine Radiolandschaft vorzustellen, in der sich die öffentlich-rechtlichen Wellen einer wachsenden Konkurrenz auf dem Hörfunkmarkt stellen mussten. Nach der Einführung des Privatradios in Nordrhein-Westfalen zu Beginn des Jahrzehnts bangte der Westdeutsche Rundfunk vermehrt um seine Vormachtstellung, insbesondere die jungen Konsumenten drohten verloren zu gehen. Um gar nicht erst in einen solchen Strudel des schrittweisen Bedeutungsverlustes zu gelangen, sah sich der WDR zu einer Programmreform veranlasst - womit das Ende des knapp 40 Jahre währenden Flaggschiffes WDR 1 besiegelt war. Mit 1Live sollte eine neue, frische Marke für die Hörergruppe zwischen 14 und 39 Jahren etabliert werden, die sich schon rein nominell von der eher dröge daherkommenden Durchnummerierung (WDR 2, 3, 4 und 5) der einzelnen Angebote abhob. Etwas böser formuliert könnte man auch sagen, dass die anvisierten jungen Menschen nicht schon durch den Sendernamen und die damit einhergehende Assoziation zum altbackenen WDR vertrieben werden sollten.
Im Jahr 2015 kann man mit dem, was die öffentlich-rechtliche Jugendwelle im Westen des Landes erreicht hat, äußerst zufrieden sein: Man hat sich ein beachtliches Standing beim jungen Publikum aufgebaut und schafft es regelmäßig, junge Moderationstalente so zu fördern, dass sie nach oder während ihrer Zeit beim Sender zum Teil sogar eine große Fernsehkarriere vor wesentlich größerer Bühne starten. Dies lässt sich nicht zuletzt auch auf die konzeptionelle Ausrichtung von 1Live zurückführen, auch im vom Mainstream-Gedudel dominierten Tagesprogramm explizit Wert auf eine Bindung zwischen Moderator und Zuschauer zu legen. Die Sendungen der Daytime werden seit dem letzten großen Relaunch im Jahr 2007 nach ihren Ansagern benannt, denen seither auch wieder etwas mehr Raum zur Vermittlung von Informationen ermöglicht wird. Zwischen 18 und 20 Uhr läuft zudem die Call-In-Show «1Live - Sektor».
Davon abgesehen gab es in den vergangenen acht Jahren nur noch eher kleinere Veränderungen im täglichen Programm, alles in allem zeichnet sich der Sender vorrangig durch Konstanz und Verlässlichkeit aus. Die Hörer wissen dies zu schätzen, wie die Entwicklung der Radio-Mediaanalyse der vergangenen Jahre zeigt (siehe auch Grafik unterhalb dieses Absatzes). Rangierte man bis zum Jahr 2010 unterhalb der Marke von einer Million Interessenten pro durchschnittlicher Stunde im Tagesprogramm, kommt der Sender seither verlässlich auf Werte klar oberhalb der Millionmarke. Ende 2014 musste sich 1Live zwar erstmals der hausinternen Konkurrenz von WDR 2 geschlagen geben, bei der jüngsten Analyse kämpfte man sich allerdings wieder etwas nach vorne.
Immerhin drei Moderations-Urgesteine, die seit 1995 dabei sind, hat der Sender noch vorzuweisen: Mike Litt, der Hörern vor allem als "einsamster DJ der Welt" bekannt ist und durch den Heiligabend führt, darüber hinaus aber auch seit 2000 zusammen mit DJ Larse das «Klubbing» am Freitag leitet. Klaus Fliehe, der vor seiner Zeit als Hörfunkmoderator Teil der Neue-Deutsche-Welle-Band Geier Sturzflug ("Bruttosozialprodukt") war. Und Jürgen Domian mit seinem Ende 2016 endenden Kult-Talk. Seit 2001 dabei und inzwischen auch im Fernsehen oft und gerne gesehen sind Sabine Heinrich und Thorsten Schorn. Seit 2013 ist zudem Jeannine Michaelsen (Foto) zur Crew des Senders hinzugestoßen, nachdem sie zuvor bereits in diverse Radio- und TV-Projekte involviert war. Zu den Moderatoren der ersten 1Live-Jahre gehören ferner u.a. mit Stefan Raab, Arnd Zeigler und Jörg Thadeusz einige weitere sehr bekannte Fernsehgesichter. Auch Jan Böhmermann war bis vor wenigen Jahren regelmäßig zu hören.
Ein Herzstück des Senders ist das Format «Plan B», das montags bis donnerstags die Abendstunden ab 20 Uhr füllt und sich vor allem an jene Hörer richtet, die auch abseits des Mainstreams an Musik interessiert sind. Im April soll die Sendung runderneuert werden - im Zuge dessen trennt man sich von den verdienten Ansagern Ingo Schmoll, Christiane Falk und Max von Malotki, um im Gegenzug mit Franziska Niesar und Tilmann Köllner zwei frische Kräfte zu integrieren. Fans befürchten bereits eine Abkehr von der bisherigen Ausrichtung hin zum Gewöhnlichen und Bekannten. Zumindest die Tatsache, dass die Sendung ihren Namen behalten soll, kann ihnen aber Mut machen.
Eher als Vertreterin des kommerzialisierten denn des inhatlich ambitionierten Rundfunks gilt derweil Valerie Weber (Foto), die schon im November 2013 zur WDR-Hörfunkdirektorin gewählt wurde. Zwar gelang ihr zuvor bei Antenne Bayern eine signifikante Steigerung der Hörerzahlen, doch dieser Erfolg ging auch mit aggressiven Marketingkampagnen und diversen Gewinnspielen während der Live-Übertragung einher. Das sind nicht gerade die besten Argumente, um das kritische WDR-Personal auf die Seite der Münchenerin zu ziehen. Gleichwohl betonte sie zuletzt in Interviews auch stets den Anspruch der Öffentlich-Rechtlichen, Qualität vor Quote zu stellen. Ob Weber also tatsächlich das Schreckgespenst des substanziellen Radios ist oder ihr schwerer Stand nicht eher daraus resultiert, dass sie anders als ihre Vorgänger einen privaten statt einen öffentlich-rechtlichen Hintergrund vorzuweisen hat, wird sich noch zeigen müssen. Die weitere Entwicklung von «Plan B» als Aushängeschild des Unkonventionellen wird bei der Wahrnehmung der Journalistin - und letztlich auch bei der des WDRs - keine ganz unwichtige Rolle einnehmen.
Nun stehen jedoch erst einmal die Feierlichkeiten zum runden Geburtstag an. Vor allem die kommende Woche steht ganz im Zeichen des Jubiläums: Weltstar Sam Smith kommt am Montag ab 7:30 Uhr in den Sender und spielt vor zehn glücklichen Hörern ein exklusives Akustik-Liveset. Auf der Internetseite gratulieren bereits in diesen Tagen hochrangige deutsche Musiker wie Herbert Grönemeyer, Clueso, Kraftklub, Sido und die Fantastischen Vier zum Erreichten, viele weitere Stars werden live zu Besuch kommen. Der Karfreitag steht zwischen 10 und 18 Uhr ganz im Zeichen der Musik: Die 100 liebsten Songs der 1Live-Hörer werden hier gespielt. Am Ostersonntag gibt es überdies eine große Geburtstagsparty, die bei einem Hörer steigen soll. Als Warm-Up für die Feierlichkeiten zeigt das WDR Fernsehen am späten Sonntagabend um 23:45 Uhr die 45-minütige «Rockpalast»-Dokumentation «1Live macht 20».
Doch auch Ausblicke in die Zukunft sind in den kommenden Tagen erwünscht - insbesondere am 2. April, wo der Sektor seine Prognosen für das Jahr 2035 formulieren soll. Einige schon jetzt absehbare Trends sollen zudem von Reportern vorgestellt werden. Weniger absehbar ist, wo der Sender selbst in 20 Jahren stehen wird und ob es ihm auch in Zukunft gelingen wird, als authentisches Sprachrohr der Jugend wahrgenommen zu werden. 1Live-Chef Jochen Rausch betont in diesem Zusammenhang die Nähe zum Publikum, die "auf allen medialen Kanälen künftig noch wichtiger" werde. Doch fernab aller Herausforderungen, mit der Zeit zu gehen und die richtige Balance zwischen Mainstream und Substanz zu finden, darf man den Verantwortlichen für ihre gute Arbeit in den vergangenen beiden Dekaden in diesen Tagen auch einfach einmal gratulieren.
In diesem Sinne: Happy Birthday, 1Live!