Die Kino-Kritiker

«Fast & Furious 7»

von

Überschattet vom tragischen Tod des Schauspielers Paul Walker gelingt Horror-Regisseur James Wan mit «Fast & Furious 7» eine technische wie emotionale Generalüberholung des eindimensionalen Action-Franchises.

Filmfacts: «Fast & Furious 7»

  • Kinostart: 01. April 2015
  • Genre: Action
  • FSK: 12
  • Laufzeit: 131 Min.
  • Kamera: Marc Spicer, Stephen F. Windon
  • Musik: Brian Tyler
  • Buch: Chris Morgan
  • Regie: James Wan
  • Darsteller: Vin Diesel, Paul Walker, Dwayne Johnson, Michelle Rodriguez, Jason Statham, Kurt Rusell, Jordana Brewster, Tyrese Gibson, Brian "Ludacris" Bridges
  • OT: Furious 7 (JP/USA 2015)
Vor wenigen Tagen sorgte eine Äußerung von Schauspieler und «Fast & Furious»-Produzent Vin Diesel («Guardians of the Galaxy») für Furore unter nationalen und internationalen Filmkennern: In einem Interview mit dem US-Branchenblatt Variety zeigte sich Diesel über alle Maße stolz auf das Projekt «Furious 7» und räumte dem Streifen ernsthafte Chancen auf einen Oscar bei den kommenden Academy Awards ein. Das Ganze wäre nicht halb so absurd, würde der Akteur sich nicht darauf versteifen, ebenjene Goldtrophäe für den besten Film, und nicht etwa für die tatsächlich auszeichnungswürdigen Effekte abzustauben. Vin Diesel sieht «Fast & Furious 7» also tatsächlich in einer Reihe mit Filmen wie «Titanic», «12 Years a Slave» oder «Birdman» – und als sei diese Aussage nicht genug, bekräftigte er seine besondere Prognose wenige Tage später, als er einer anderen Quelle gegenüber die Ernsthaftigkeit seines Anliegens beteuerte.

Ein klassischer Fall von Größenwahn, aus dem Ruder gelaufenem Stolz oder schlicht die Wahrheit – was treibt Vin Diesel zu einer solchen Aussage, die diversen Brancheninsidern nicht mehr als ein Schmunzeln wert ist? Wenngleich die Vorstellung, bei «Fast & Furious 7» würde es sich tatsächlich um den nächsten Preisträger in der Oscar-Kategorie „Bester Film“ handeln, reichlich absurd anmutet, so kommt sie doch nicht von ungefähr: Der Streifen, für den Diesel nicht bloß als Hauptdarsteller, sondern auch als Produzent verantwortlich zeichnet, steckt voller Herzblut, das von einem ganz anderen Kaliber ist, als man es von dem Actionfranchise bisher gewohnt war. Überschattet vom tragischen Unfalltod Paul Walkers inszenierte der bislang auf Horrorfilme spezialisierte Regisseur James Wan («The Conjuring») einen Blockbuster mit Herz und Seele. Die Liebe zu Walkers Person, aus der insbesondere Kollege Vin Diesel nie einen Hehl machte, scheint sich wie eine Generalüberholung auf das oberflächliche Image der Filmreihe auszuwirken.

Ein Jahr ist vergangen, seit Doms (Vin Diesel) und Brians (Paul Walker) strafbefreites Team in die Staaten zurückgekehrt ist. Verzweifelt versucht Dom sich mit Letty (Michelle Rodriguez) zu vertragen, während sich Brian nur schwer an das bürgerliche Leben mit Mia (Jordana Brewster) und ihrem Sohn gewöhnen kann. Tej (Brian „Ludacris“ Bridges) und Roman (Tyrese Gibson) feiern ihre Freiheit, indem sie ihre Playboy-Träume ausleben. Niemand ahnt, welche Gefahr ihnen droht – ein kaltblütiger, britischer Geheimdienstler und Killer will mit dem Team abrechnen: Deckard Shaw (Jason Statham) beginnt seine Herrschaft des Terrors mit dem brutalen Mord an Han (Sung Kang) in Tokio und versucht dann auch Hobbs (Dwayne Johnson) in L.A. umzubringen. Systematisch jagt er alle jene, die bei ihrem letzten Einsatz Shaws jüngeren Bruder Owen ausgeschaltet haben. Als Shaw das Toretto-Haus in die Luft jagt, wird damit auch das eigentliche Zufluchtssymbol der Gruppe zerstört, die hart für ihre Freiheit gekämpft hat. Deshalb braucht Dom jetzt die Unterstützung eines hochrangigen staatlichen Agenten (Kurt Russell). Das Team kann nur hoffen, möglichst umgehend wieder das Lenkrad zu packen und für die amerikanische Regierung den Prototyp eines genialen Peilsenders sicherzustellen. Als Belohnung dürfen sie diesen Sender dann benutzen, um den geisterhaften Shaw aufzuspüren, bevor er weiter mordet…

Wer sich ein Kinoticket für die «Fast & Furious»-Reihe sichert, der ist sich üblicherweise darüber im Klaren, was ihn in den kommenden zwei Stunden wohl erwarten mag. Überbordende Autoaction, kuriose Stunts und sexy in Szene gesetzte Frauen sind die Eckpfeiler eines Franchises, das trotz seiner zuletzt immer absurder werdenden Szenarien mit erstaunlich wenig Selbstironie vor sein Publikum trat. Mit seinen ausufernden Familienappellen nahmen sich die Actionfilme stets äußerst ernst; nur vereinzelt schafften es die für dieses Genre so notwendigen One-Liner ins Drehbuch, weshalb die Reihe auch nie zu den größten Kritikerlieblingen gehörte. Ähnlich des vierten Teils von Michael Bays «Transformers»-Reihe gelingt es nun auch James Wan mit «Fast & Furious 7» endlich, einen Film zu drehen, den sich die Verantwortlichen in den vergangenen Jahren immer vorstellten, ihn jedoch nie zu drehen vermochten. Der Family-Gedanke bleibt, doch ab sofort dominieren Selbstironie und das Wissen um die abstrusen Prämissen das Bild. Dass nun ausgerechnet «Furious 7» mit so viel mehr Humor aufwartet als seine Vorgänger, ist im Anbetracht der schwierigen Produktionsgeschichte zwar ein wenig makaber, tut dem Film selbst jedoch verdammt gut. Erstmals kommentieren die Figuren die abstrusen Stunts, können herzhaft über sich selbst lachen und rezitieren sogar die Geschehnisse aus den Vorfilmen – natürlich nicht ohne deren Hirnrissigkeit angemessen zu würdigen. Und es ist gerade diese Entwaffnung, durch welche das Leinwandgeschehen endlich jenen, unaufhaltsamen Spaß macht und der sich dennoch nicht mit den insbesondere gen Ende auftretenden, rührseligen Momenten beißt.

Nachdem der damals 40-jährige Hauptdarsteller Paul Walker im November 2013 ausgerechnet bei einem Autounfall ums Leben kam, versetzte die Todesmeldung nicht nur Fans in aller Welt, sondern auch die Crew von «Furious 7» in eine lang anhaltende Schockstarre. Nach einer mehrmonatigen Drehpause entschloss sich James Wan schließlich, Walkers Brüder sowie eine ausgeklügelte CGI-Technik zu nutzen, um seine Rolle des Brian in den noch nicht fertig abgedrehten Szenen zu ersetzen. In so einem Fall horcht der Filmkenner auf: Lassen es diese Methoden tatsächlich zu, dass der Zuschauer den plötzlichen Wegfall einer so zentralen Figur nicht bemerkt? Die Antwort lautet: ja! Denn es ist dem Streifen tatsächlich nicht anzumerken, dass in einigen Szenen, in denen Paul Walkers Figur auftritt, nicht er selbst, sondern eines seiner (realen oder aus dem Computer stammenden) Doubles vor der Kamera steht. Zuletzt bewies bereits der erste Teil des «Panem»-Finales, «Mockingjay», wie man angemessen mit dem Tod einer während des Drehs umgekommenen Person umgeht. Nun zeigt auch «Fast & Furious 7», wie man das Ableben des Darstellers nicht nur inhaltlich angemessen verarbeitet, sondern auch, wie man ein solches Ereignis mit Würde in die Filmarbeit integriert.

So war zwar zu erwarten, dass sich der Tod Walkers wie ein Schatten über die Produktion legen würde, doch das fertige Projekt kommt schließlich ohne eine ärgerliche Heroisierung aus und beschränkt sich in seiner Würdigung des Schauspielers auf die letzten fünf Minuten. Diese kratzen dann zwar scharf an der Rührseligkeit, sind gleichsam jedoch mit einem solch ehrlichen Off-Kommentar Vin Diesels unterlegt, dass hier auch dem härtesten Actionfan für einen kurzen Moment ein Kloß im Hals stecken bleibt.

Abgesehen von diesen erschwerten Bedingungen bleiben die meisterhaft choreographierten Actionszenen das Herzstück der «Fast & Furious»-Reihe. Diese sprengen den Rahmen der wissenschaftlichen Logik einmal mehr mit Anlauf – so lassen die Macher nicht nur mit Fallschirmen ausgestattete Autos aus Flugzeugen springen oder Nobelkarossen von Wolkenkratzer zu Wolkenkratzer fliegen – doch gerade in solchen Momenten erweist sich eine entscheidende Änderung innerhalb des Produktionsablaufs als einer der Pluspunkte des Streifens: Anstatt einen Großteil der Szenen am Computer zu entwerfen, orientiert man sich beim Stuntdesign nun verstärkt an dem kleinen (und leider unweit erfolgloseren) Blockbuster-Kollegen «Need for Speed»: Bestach dieser mit seinen handgemachten Actionszenen und war dem Franchise damit um einiges voraus, so legt nun auch die «Furious»-Reihe nach und wirft ebenjene Autos eben eigenhändig aus dem Flieger und lässt die teuersten Fahrzeuge direkt aufeinander krachen. Schließlich erwartet der Zuschauer gerade im Falle der «Fast & Furious»-Reihe reale Blechschäden und kein Effektgewitter aus dem Computer. In den wenigen Momenten, in denen dann allerdings doch CGI zum Einsatz kommen muss, integriert es sich flüssig ins reale Umfeld.

Von der anstrengenden Kameraarbeit lässt sich dies allerdings weniger behaupten: Erneut gilt auch im Falle der Kameramänner Marc Spicer («It Won’t Hurt a Bit») und Stephen F. Windon («Fast & Furious 6») das Motto „Näher ist besser!“ – die extremen Close-Ups und die nur allzu verwackelte Kameraführung sind bisweilen leider nur schwer zu ertragen und erlauben dem Publikum keinen uneingeschränkten Überblick über die ansonsten so überragenden Actionszenen.

«Fast & Furious 7» präsentiert neben seinen diversen Stunts aber auch eine feine Geschichte, die aus insgesamt zwei Handlungssträngen besteht, die sich einander schlüssig ergänzen. Im Rahmen der Filmlogik wird sogar erstmals auf eine gewisse Kohärenz geachtet; sieht man einmal davon ab, dass die meisten actionlastigen Szenen per se so nicht funktionieren würden, geben sich die Verantwortlichen Mühe, die sich selbst auferlegten Regeln innerhalb des Filmuniversums zu wahren. Auch die Darsteller respektive ihre Figuren halten sich an ihren Rollenbildern fest – sie alle klammern sich nicht mehr allzu stark an ihre pseudocoolen Attitüde. Einzig Vin Diesel, den der Tod von Paul Walker auch während seiner Spielszenen sichtlich beeinflusst, fällt mit seiner überdrehten Machohaftigkeit aus dem Konzept des Films heraus und nimmt dem Film die Chance, auch an diesem Punkt auf Selbstironiekurs zu fahren. So ist es allen voran Jason Statham («Wild Card»), der in seiner Antagonistenrolle des fiesen Gangsters die meiste Aufmerksamkeit auf sich zieht. Dass Dwayne Johnson («Pain & Gain») dagegen lediglich in einigen Einzelszenen auftaucht, ist ebenfalls schade.

Fazit: Neben den schwindelerregende Autostunts gibt es erstmals auch die notwendige Portion Selbstironie, die die «Fast & Furious»-Reihe bislang vermissen ließ. Mit viel Charme und einer Prise Rührseligkeit, die jedoch nie ins Kitschige abdriftet, katapultiert «Fast & Furious 7» das Franchise aus dem Stand von der eindimensionalen Blockbusterreihe weg, hinein in den Olymp des kreativen Popcornkinos und bereitet dem verstorbenen Paul Walker einen ihm gebührenden Abschied. So lässt die handfeste Action nicht nur das Herz des Krawumm-Fans höherschlagen, sondern rührt gen Ende fast zu Tränen – wer hätte das von dieser Reihe erwartet!?

«Fast & Furious 7» ist ab dem 1. April bundesweit in den Kinos zu sehen.

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