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Die aktuelle Situation ist ganz sicher trotzdem außergewöhnlich. Sie geht jedem sehr nahe.
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N24-Kommunikationschefin Kristina Faßler
Neben den bedrückenden Details, die ausgearbeitet und schließlich auch selbst verarbeitet werden müssten, sei die Arbeitsbelastung für alle – also Menschen vor und hinter der Kamera – enorm hoch. Vom frühen Morgen bis in den späten Abend zu senden, das sei freilich das, was einen Nachrichtensender ausmache, weiß Faßler. „Im TV-Journalismus vielleicht die Königsdisziplin und immer eine Teamleistung. Die aktuelle Situation ist ganz sicher trotzdem außergewöhnlich. Sie geht jedem sehr nahe.“ Dem stimmt auch Ulrich von der Osten (Foto) zu, der seit Jahren die Morgenstrecke beim Nachrichtensender n-tv präsentiert und auch vergangene Woche im Studio saß. Sein Sender widmete sich seit Dienstagvormittag ganz ausführlich dem Unglück, das 150 Menschenleben kostete. „Da das Unglück an Tragik kaum zu überbieten ist, ist es sicher auch belastend. Aber ich gehe mit einem Informationsauftrag zur Arbeit. Es ist mein Impetus, das Wichtigste in Worte zu fassen, zu übermitteln. Nennen wir es Mission“, sagt von der Osten, der ebenfalls darauf verweist, sich bei n-tv auf ein eingespieltes Team in Fällen von Breaking News verlassen zu können.
Eingespielt sind auch die internationalen Kollegen: Lyse Doucet, die internationale Chefkorrespondentin des Senders BBC World, berichtet regelmäßig von Kriegsfronten. „Auf dem Feld arbeiten wir eng als Team zusammen, dazu gehören auch die Producer vor Ort und die Fahrer, die unheimlich wichtig sind. Wir sprechen über mögliche Risiken und unsere Verantwortung.“ Die Art der Zusammenarbeit, die Kameradschaft und der Humor, mit dem man schwierigen Situationen begegne, gebe den Reporterteams letztlich Halt. „Wir sind uns zu jeder Zeit absolut bewusst, dass die Situation für die direkt betroffenen Menschen viel schwerer ist als für uns, auch wenn wir in schwierige Situationen geraten.“ Matthew Amroliwala arbeitet seit Jahren in England als Anchor der globalen BBC World News.
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In den Momenten, wenn man unmittelbar über das Geschehen berichtet, konzentriert man sich ganz darauf, die Fakten zu finden, den Horror hautnah zu vermitteln, den Zuschauer durch die Bilder, die Interviews, die Zeugenaussagen, die frühen Analysen zu führen. Dafür gibt es kein Script
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Matthew Amroliwala, Anchor bei BBC World News
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Der Absturz, die Berichte, dass 149 Menschen offenbar durch einen Einzelnen in den Tod gerissen worden sein könnten, verschlagen selbst einem Moderator zunächst die Sprache. Wie diese Tragik trotzdem in Worte fassen? Katastrophen dieser Art brechen über Menschen herein, lassen Hinterbliebene verzweifeln.
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Ulrich von der Osten, Anchor von n-tv
Sich innerlich vollkommen abzuschotten, sei also auch für zahlreiche News-Profis in Extrem-Situationen kaum möglich, wenngleich dies sicherlich bei jedem verschieden sei, wie N24-Sprecherin Kristina Faßler betont. Viele Kollegen würden genau das aber auch gar nicht wollen, sagt sie. „Weil das Verfolgen der Nachrichtenlage sowohl ihr Job als auch ihre Leidenschaft ist.“ So sieht es auch Ulrich von der Osten, der vergangene Woche selbst nach Feierabend in den eigenen vier Wänden im Newsfluss blieb. „Die mittags angekündigte, erste Pressekonferenz der französischen Staatsanwaltschaft mit der deutlichen Schuldzuschreibung zulasten des Co-Piloten habe ich zu Hause vor dem Fernseher mitverfolgt. Und es gab in diesem besonderen Fall noch eine weitere Aufarbeitung. Meine Kinder haben Fragen gestellt, die ich sensibel, aber letztlich auch mit Offenheit zu beantworten hatte“, erinnert sich der Familienvater zurück.
Das bedeutete auch, das für viele Unbegreifliche zumindest im Ansatz zu erklären. Und wer könnte das besser als ein erfahrener Nachrichtenprofi? „Ein Perspektivenwechsel ohne offizielles Outfit und Studiosituation“, sagt Ulrich von der Osten.