Die Kritiker

Ei, ei, ei, große Knallerei

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Die Kritiker: «Tatort: Frohe Ostern, Falke» Der neue «Tatort» mit Wotan Wilke Möhring beginnt als hasenstarkes Mini-«Stirb langsam», lässt dann aber rapide nach.

Cast und Crew

  • Regie: Thomas Stiller
  • Darsteller: Wotan Wilke Möhring, Petra Schmidt-Schaller, Thomas Sarbacher, Sebastian Schipper, Lasse Myhr, Sascha Alexander Gersak, Milton Welsh, Marek Harloff, Thomas Darchinger, Tim Grobe, Torsten Michaelis
  • Drehbuch: Thomas Stiller
  • Kamera: Marc Liesendahl
  • Schnitt: Simone Sugg-Hofmann
  • Musik: Fabian Römer
  • Szenenbild: Frank Godt
  • Kostüm: Jürgen Knoll
Die ersten Apriltage 2015 standen ganz im Zeichen der Knuffigkeit: Im ZDF drehte sich am 1. April alles um frisch geschlüpfte Tierbabys und auf neun Privatsendern gab es an drei Sendetagen kurz vor Beginn der Primetime ein Kanninchen-Wettrennen zu sehen. Letzteres stellte zwar bloß eine Werbeaktion eines großen deutschen Elektronikmarkts dar, allerdings war es mit solchem Augenzwinkern produziert und derart süß, dass es trotzdem herausragend beim Publikum ankam. Sogar Quotenmeter.de-Kolumnist Julian Miller hatte große Freude an den zehn knuddelig-pelzigen Hoppeltieren.

Wie es der Zufall so will, haben auch im neuen «Tatort» Hasen eine tragende Rolle inne. Knuffig sind diese jedoch keinesfalls, und anders als die Tierchen aus «Das große Schlüpfen» sind sie weder jung noch unschuldig. Und, um es direkt vorwegzunehmen: Sie verdienen sich im Gegensatz zu den rasenden Osterhasen auch keine vollends überschwängliche Kritikerbesprechung. Dabei fängt alles relativ ansprechend an: An Ostern laden die oberen Zehntausend Hamburgs zu einer Spendengala, die der Flüchtlingshilfe zugutekommen soll. Eine fünfköpfige Aktivistengruppe – gekleidet in flauschigen Ganzkörperanzügen und von grimmigen Hasenmasken verhüllt – stürmt diese Veranstaltung, auf der auch Kommissarin Katharina Lorenz (Petra Schmidt-Schaller) zusammen mit einem Freund zugegen ist. Die 'Bad Easter Bunnies', wie sie sich nennen, machen als Störenfriede regelmäßig darauf aufmerksam, wenn Charityabende zum Selbstzweck verkommen und mehr kosten, als sie den Bedürftigen einbringen. Dieses Mal haben sie aber keine Farbbeutel oder Protestschilder bei sich, sondern geladene Maschinengewehre. Katharina, die als Privatperson vor Ort ist, befindet sich in der Klemme: Soll sie einschreiten? Sich ruhig verhalten? Oder sollte sie ihren Kollegen Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) kontaktieren ..?

Wenn nicht ausnahmsweise Til Schweiger die Knarre zückt, ist bekanntlich Wotan Wilke Möhring der Star der Hamburger «Tatort»-Reihe. Nicht aber dieses Mal: In der als bombastisches Oster-Event angelegten Folge spielt der 47-Jährige nur die zweite Geige. Vom Schreibtisch aus versucht sein Kommissar Falke das Geschehen einzuordnen und Informationen über die Täter einzusammeln, wobei ihm auch ein alter Bekannter aus der autonomen Szene – wenig hilfreich – zur Hand geht. Erst gegen Ende verlässt er das Polizeigebäude, während seine Ermittlerkollegin im Mittelpunkt der Ereignisse steht. Es ist fast so etwas wie eine Abschiedsveranstaltung für Petra Schmidt-Schaller – die Aktrice entschied sich dazu, den «Tatort» zu verlassen und wird nach diesem Fall nur noch in einer im Herbst auf dem Programmplan stehenden Folge zu sehen sein. Ab dann steht Franziska Weisz als Julia Grosz an Möhrings Seite.

In ihrem vorletzten «Tatort» darf Schmidt-Schaller dafür in die Fußstapfen der ikonischen Bruce-Willis-Rolle John McClane treten. Denn das Drehbuch von Thomas Stiller schaut sich einiges vom ersten «Stirb langsam»-Film ab: Lorenz befindet sich zum denkbar falschen Zeitpunkt auf der falschen Party, woraufhin sie versucht, von den Geiselnehmern unbemerkt der Lage Herr zu werden. Die Kommissarin geht jedoch gemächlicher vor als McClane – sie hört genau hin, verwickelt die Hasenkostümträger in Gespräche, lässt Infomationen nach außen dringen. Duelle, wie sie sich McClane mit den Handlangern Hans Grubers lieferte, gibt es hier nicht zu sehen, allerdings darf die bislang im «Tatort» wenig geforderte Schmidt-Schaller endlich alle schauspielerischen Register ziehen: Sie ist angespannt, gibt sich den Tätern gegenüber aber panischer, während sie in der Interaktion mit ihren Mitgeiseln bemüht ist, besonders zuversichtlich auszusehen. Diese emotionalen Differenzen stellt die Mimin scheinbar mühelos, überaus effektiv zur Schau, wodurch die ersten Minuten des Überfalls außerordentlich spannende Fernsehminuten ergeben.

Doch sobald die Situation völlig außer Kontrolle gerät und sich die Täter untereinander in die Wolle kriegen, kann auch Schmidt-Schallers engagierte Performance diesen «Tatort» nicht vor dem Zusammenbruch bewahren. Die Einführung ist fesch geschrieben und gleichermaßen cool wie atmosphärisch inszeniert – die Figuren reihen sich eingangs in stylischen Kompositionen aneinander, die Musikuntermalung ist energisch und all diese Coolness wird durch eine entsättigte, schattenreiche Visualität ergänzt. Aber sobald die erste Phase der Bedrohung hinter uns und den Figuren liegt, kehrt visueller Alltag in den «Tatort» zurück, mit dem üblichen Blaustich und handwerklich akzeptabler, jedoch nie nach Höherem strebender Bildzusammenstellung. Dies wäre nicht dermaßen dramatisch, würde wenigstens das Drehbuch sein Niveau halten. Stattdessen zerfallen die 'Bad Easter Bunnies' zu einer x-beliebigen Geiselnehmertruppe, bestehend aus dem blutlüsternem Wortführer, einem Angsthasen und dem charakterlosen Rest. Dadurch bedingt geht der Gruppe ein Teil ihrer Bedrohlichkeit verloren, was wiederum die Fallhöhe verringert – erst recht, da zudem kontinuierlich die Dialoge an Feinschliff verlieren.

Da Autor/Regisseur Stiller sein Fach normalerweise versteht, liegt der Verdacht nahe, dass die gesonderten Produktionsumstände an der Misere Mitschuld tragen: Zeitweise als Weihnachtsevent geplant (was die «Stirb langsam»-Parallelen vergrößert hätte), wurde er letztlich als Gegengift zu den österlichen Blockbusterausstrahlungen der Privaten konzipiert. Inklusive großer Einsteigerfreundlichkeit – was nicht nur eine simple Erzählweise mit sich bringt, sondern zudem eine Minimierung der Rückgriffe auf vergangene Folgen. Eine horizontale Erzählung findet daher praktisch gar nicht statt – Falke ist als Figur kaum wiederzuerkennen und der zuletzt eingeführte Subplot, dass zwischen ihm und Lorenz etwas läuft, wird fallen gelassen. So manchem alteingesessenen «Tatort»-Fan dürfte dies wohl nicht schmecken, zumal entgegen der Reihenkonventionen die Story im Mittelpart auf der Stelle tritt, ehe sich im letzten Akt die halbseidenen Twists überschlagen.

Und so fällt dieses Krimi-Osterei letztlich zwischen zwei Nester: Nach dem knalligen, überlebensgroßen und fesselnden Auftakt wird dieser «Tatort» scheu, drosselt den Action-Anteil und bringt es somit nicht ganz zu einem «Stirb langsam junior». In den besonneneren Phasen traut er sich jedoch nicht, die sympathisch-nachdenkliche Charakteristik der Möhring-Reihe wieder auftauchen zu lassen und vor Schmidt-Schallers Abtritt den roten Faden dieser Krimis weiterzuspinnen. Dieser «Tatort» ist also eher ein «Das große Schlüpfen» als ein «Osterhasenrasen» geworden.

«Tatort: Frohe Ostern, Falke» ist am 6. April 2015 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.

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