Die Kritiker

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"Der Himmel ist ein Platz auf Erden" heißt die erste Folge des neuen Franken-«Tatorts». Eine Premiere, die optimistisch stimmt...

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Fabian Hinrichs als Felix Voss
Dagmar Manzel als Paula Ringelhahn
Eli Wasserscheid als Wanda Goldwasser
Andreas Leopold Schadt als Sebastian Fleischer
Stefan Merki als Dr. Kaiser
Matthias Egersdörfer als Michael Schatz
Ulrike C.Tscharre als Charlotte Pahl

Hinter der Kamera:
Produktion: Hager Moss Film GmbH
Drehbuch: Max Färberböck und Catharina Schuchmann
Regie: Max Färberböck
Kamera: Felix Kramer
Produzentin: Kirsten Hager
Die ARD will den Reiz ihres «Tatorts» gerne auch in den verschiedenen Spielarten der einzelnen Reihen sehen. Eine legitime Argumentation, wenn sie denn zutrifft. Denn oft erschöpfen sich die Unterschiede bloß im Abgrasen unterschiedlicher regionaler Stereotypen. Lokalkolorit heißt das öffentlich-rechtliche Zauberwort und so treffen sich Ballauf und Schenk in Köln an der Currywurstbude, während in München bayerisch gesprochen und in Stuttgart geschwäbelt wird. In Berlin soll währenddessen die Hauptstadt zum dritten Hauptdarsteller hochstilisiert werden – was auch immer das heißen soll – und in der Schweiz musste man die Macher schon davon abhalten, ihre Hauptfigur in Kuhglocken fallen zu lassen.

Die wirklich aus den üblichen Genrezwängen herausstechenden «Tatort»-Reihen gibt es sicher auch: die brandheißen, großartig geschriebenen Milieustudien in Dortmund, Nick Tschillers Geballer in Hamburg und das kunstvolle, wunderbare Epos um Felix Murot aus Wiesbaden. Insbesondere letzteres Beispiel hat verdeutlicht, was auf diesem Sendeplatz – auch im «Tatort»-Korsett – möglich ist.

Dieses Segment des Wagemutigen und Atypischen bekommt nun mit dem neuen Spielort in Franken Zuwachs. Die Premiere, „Der Himmel ist ein Platz auf Erden", ist ein entrückter Film geworden, einer, der sich ästhetisch gerne verspielt gibt, die Klischees meidet, seinen USP nicht im Fränkeln und sein erzählerisches Heil nicht in der biederen Ausstaffierung lokaler Stereotypen sucht.

Die beiden Hauptfiguren, der junge, gutmütige Hauptkommissar Felix Voss und sein resoluterer, reizbarerer Gegenpart Paula Ringelhahn sind nicht einmal gebürtige Bayern. Sie kommt ursprünglich aus Ostdeutschland, er zieht gerade von der Küste in den Freistaat. Und bevor er in seiner neuen Wohnung auf seine Möbel warten kann, wird er von den neuen Kollegen direkt zum ersten Tatort mitgenommen.

In einem Waldstück ist ein Professor der nahegelegenen Hochschule Erlangen tot am Steuer seines Wagens aufgefunden worden. Erschossen. Während er Sex mit einer Frau hatte. Die nun verschwunden ist. Seine Gattin reagiert auf die schockierenden Nachrichten völlig verstört und bleibt lange weit jenseits jeder Vernehmungsfähigkeit.

Voss und Ringelhahn ermitteln ohnehin zunächst in eine andere Richtung: Auf den Rechnern der Forschungsabteilung, die das Mordopfer an der Erlanger Uni geleitet hatte, finden sich reihenweise Daten über Waffentechnik, die dort gerade entwickelt wird. Streng geheim auf Anordnung der NATO. Ringelhahn und Voss erhaschen doch einen kurzen Blick – der ihnen prompt den Tobsuchtsanfall des cholerischen Polizeipräsidenten Dr. Kaiser einbringt. Und während der besonnene, sympathische Voss deeskalierend erklärt und schlichten will, bietet Ringelhahn ihrem Vorgesetzten Paroli. Wenn sie einmal gereizt ist, kriegen das auch Zivilisten zu spüren, die bei der Vernehmung unangenehm penetrant mauern. In den letzten sechs Jahren hat das zu drei Disziplinarverfahren sowie zwei Rückstufungen in die Schutzpolizei geführt. Und die nächste Dienstpflichtverletzung scheint bei ihr nicht weit zu sein.

Ein ungleiches Ermittlerpaar – im «Tatort»-Land nichts Neues also. Doch erfreulicherweise zeichnet man in Franken all die Gegensätze dieser zwei Figuren nicht so überstilisiert und banal wie anderswo. Sie wirken authentischer, natürlicher, ungezwungener, unaufgeregter. Trotz aller komödiantischen Überzeichnungen, die auch andere Rollen charakterisieren. Michael Schatz von der Spurensicherung schaut gerne „erodische Sendungen“, Ringelhahn geht mit kreativen Neologismen Vorgesetzte und Verdächtige an.

Das steht im Widerspruch zu den deutlich tragischeren Tönen, die man an anderen Stellen findet: Wenn Voss und Ringelhahn versuchen, die völlig apathische Gattin des Mordopfers zu vernehmen. Und wenn, ganz am Schluss, eine sehr sentimentale, dramatisch gescheiterte Liebesbeziehung erzählt wird, die vor allem durch Ulrike C. Tscharres einnehmendes Spiel frei von schwülstig-kitschigen Entgleisungen bleibt.

Ein weiterer Widerspruch: Die verspielte, oft etwas entrückte Kameraführung, die starke visuelle Impulse setzt und gleichsam im Gegensatz zur sehr lebensnah bleibenden Figurenzeichnung steht.

Vielleicht funktioniert „Der Himmel ist ein Platz auf Erden“ mitunter deswegen so gut, weil nicht ständig versucht wird, diese Widersprüche in einem schwurbelig zusammengestümperten Ganzen aufzulösen. Dieser Film schafft, was oft gar nicht versucht wird: Seine Gegensätze auszuhalten und nicht permanent in einen übergeordneten Gesamtkontext zu manövrieren: Ringelhahn und Voss sind kein kongeniales Duo, sondern zwei unterschiedliche Typen, zwischen denen eine gewisse Grundsympathie herrscht, auch wenn es hin und wieder Reibereien gibt. Im einen Moment witzeln die Cops über „erodische Sendungen“ und wenig später inszeniert Max Färberböck sehr mitnehmende, tragische Momente. "Der Himmel ist ein Platz auf Erden" ist weder eine Fortsetzung von „Heiter bis tödlich“ in die Prime-Time noch ein kühler selbstbesoffener Problemfilm. Stattdessen: angenehm. Manchmal berührend, manchmal komisch.

Manche werden argumentieren, dass der Preis für eine solche Mischung eine gewisse Oberflächlichkeit ist. Vielleicht auch nicht ganz zu Unrecht: Denn obwohl die beiden Hauptprotagonisten durchaus sympathisch wirken und zweifelsfrei sehr differenziert entworfen wurden, bleiben sie doch weniger Identifikationsfiguren, sondern vielmehr spannende Beobachtungsobjekte. Dem spielt freilich auch der eher entrückte visuelle Duktus in die Hände, der gleichsam eher zur Beobachtung und Reflexion als zur Identifikation einlädt. Doch das ist weniger ein narratives Defizit als ein stimmiger Teil des Gesamtkonzepts. Und eine Bereicherung des «Tatort»-Portfolios.

Das Erste zeigt «Tatort – Der Himmel ist ein Platz auf Erden» am Sonntag, den 12. April um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/77484
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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
P-Joker
11.04.2015 02:19 Uhr 1
Warum hier ausgerechnet drei der schlechtesten Tatorte der letzten 10 Jahre (Dortmund, Wiesbaden und Hamburg) als positive Beispiele genannt werden ist mir ein Rätsel!

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