Die Kritiker

Drittklassiges Drama um Freispruch zweiter Klasse

von

Die neue Folge der ZDF-Reihe «Unter anderen Umständen» ist völlig missglückt. Anstatt zu problematisieren, wird betroffen durch die Gegend geguckt. Das konnte nicht gut gehen.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Natalia Wörner als Jana Winter
Ralph Herforth als Matthias Hamm
Martin Brambach als Arne Brauner
Max von Pufendorf als Ole Jessen
Kian Schmidt als Leo WInter
Friederike Linke als Frida
Hinnerk Schönemann als Jürgen Lohmann

Hinter der Kamera:
Produktion: Network Movie Film- und Fernsehproduktion GmbH
Drehbuch: Daniel Schwarz und Thomas Schwebel
Regie: Judith Kennel
Kamera: Nathalie Wiedemann
Produzenten: Jutta Lieck-Klenke und Dietrich Kluge
Das ZDF beginnt seine Montagsfilme ja gerne bei schlechtem Licht im Wald. Das wirkt so mystisch, unheimlich – und ziemlich abgeschmackt, gewollt, beliebig.

So geht jedenfalls auch die neue Folge der Reihe «Unter anderen Umständen» los: Der kleine Junge Sascha Witte feiert mit seiner Familie dort Kindergeburtstag. Am nächsten Tag ist er spurlos verschwunden. Als seine alleinerziehende Mutter Stefanie das bemerkt, ruft sie sofort die Polizei, rückt aber nur ungern mit Details aus dem Familienleben heraus: Ihr älterer Sohn Marius lebt in einer Einrichtung und sie hat Angst, die Behörden könnten ihr auch Sascha wegnehmen. Dass das verschwundene Kind bei seinem Vater ist, schließt sie ebenso aus.

Der nennt sich mittlerweile Jürgen Lohmann. Die Namensänderung hat Gründe: Vor einigen Jahren stand er wegen Kindesentführung mit Todesfolge vor Gericht, wurde nach einem langen Indizienprozess aber freigesprochen. Was für Jana Winter und ihre Schmalspurcops natürlich nicht heißt, dass er damals nicht vielleicht doch etwas mit der Sache zu tun hatte und sich nun an seinem Sohn vergangen hat.

Bald darauf wird eine Kinderleiche gefunden. Winter und ihre Dilettanten-Gang sind sich sicher, dass es sich dabei um Sascha handelt. Lohmann haben sie dann schnell ausfindig gemacht und, nach einigen Reibereien, auch festgenommen. Als einer von Lohmanns Kollegen erst nicht mit der Sprache rausrücken wollte, wo sich der Angeschuldigte gerade aufhält, durfte Winters Kollege Matthias zum ersten Mal aufdrehen: „Es reicht, du Arschloch! Wir haben ein totes Kind und keine Zeit für solche Spielchen!“ Und Natalie Wörner tut als Jana Winter das, was die einzige dramaturgische Existenzberechtigung dieser Figur zu sein scheint: Sie steht daneben und guckt betroffen.

Was die Ermittler da noch nicht wissen: Ihr Dienstvorgesetzter Arne greift seit drei Tagen wieder zur Flasche und hatte gestern Nacht einen Unfall, in den Lohmann verwickelt war. Lohmann hat ihm dabei Tausend Euro als Gegenleistung dafür abgequatscht, ihn nicht wegen Trunkenheit am Steuer anzuzeigen. Der Hauptverdächtige hat also ein lupenreines Alibi. Bis Arne das den Kollegen eröffnet, vergeht aber ordentlich Zeit: „Arne, was du hier abziehst, ist ganz große Scheiße!“, raunzt Cop Ole ihn dann an. Arne will die Brocken hinwerfen (die erste gute Idee, die in diesem Krimi irgendjemand mal hat), weil er aufgrund seines katastrophalen Fehlverhaltens gar nicht weiterermitteln darf. Ole will ihn davon abbringen: „Dass ich das nicht darf!“, raunzt er weiter, „Verschanz dich doch nicht hinter solchen Beamtensätzen!“

Ja, so geht es zu, bei «Unter anderen Umständen». Man möchte an dieser Stelle vieles sagen. Beschränken wir uns auf das Nötigste. Das wäre: Ein Freispruch ist ein Freispruch ist ein Freispruch. Egal ob aus Mangel an Beweisen oder wegen erwiesener Unschuld. Freisprüche zweiter Klasse gibt es in einem funktionierenden Rechtsstaat nicht, sonst ist er nämlich keiner mehr. Doch wie selbstverständlich die Ermittlerfiguren in „Das verschwundene Kind“ damit kokettieren, an den Vorwürfen gegen Lohmann damals wird schon was dran gewesen sein, ist ziemlich unappetitlich. Erst später darf Ole, der es ansonsten mit Vorschriften und Gesetzen nicht allzu genau nimmt, kurz reflektieren: „Was maßen wir uns eigentlich an, so voreilige Schlüsse zu ziehen?“ Doch was eigentlich die Quintessenz des Stoffes sein müsste, bleibt eine Randnotiz, die im Gros des kümmerlichen Stammtischgehabes untergeht: Im Grunde hat es die unfähige Polizistenbande ja richtig gemacht. Das Vorgehen der Ermittler wird nicht prinzipiell abgelehnt, sondern ihnen soll wegen der Schwere der Tat und ihrer Betroffenheit zumindest in Grundzügen eine Absolution für ihr dreist-doofes Handeln erteilt werden.

«Unter anderen Umständen» ordnet in seiner neuen Folge alles dem rigorosen Betroffenheitsduktus unter. Ein Kind ist verschwunden, also haben rechtsstaatliche Prinzipien wie Freispruch und Unschuldsvermutung Sendepause. Zu "Beamtensätze" herabgewürdigte Gesetze sowieso. Jetzt geht es darum, betroffen durch die Gegend zu gucken und den dubios wirkenden Verdächtigen weichzukloppen.

Das sind leicht verdiente Sympathien. Und ebenso billige wie falsche.

Das ZDF zeigt «Unter anderen Umständen – Das verschwundene Kind» am Montag, den 13. April um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/77519
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