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Serien-Talks: Die Show nach der Show

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Die US-Kabelsender haben einen zuverlässigen und günstigen Weg gefunden, die Zuschauer über eine Serienepisode hinaus beim Sender zu halten. Auch «Game of Thrones» will diese Strategie anwenden.

«Game of Thrones» scheut die Quoten

«Game of Thrones»-Fans, die wissen wollen, wie sich die Serie in den linearen Ausstrahlungen schlägt, müssen sich etwas gedulden. Seit Januar veröffentlicht HBO keine tagesaktuellen Quoten mehr. Der Kabelsender wolle damit dem Nutzungsverhalten seiner Kunden gerecht werden, die HBO über die ganze Bandbreite an Möglichkeiten nutzen, weshalb Quoten der linearen Ausstrahlungen nur begrenzte Aussagekraft hätten. Der Kabelriese verzögert die Marktanteile nun stets mit zwei Wochen Verzug. Ohnehin könnte es für HBO jedoch ein böses Erwachen geben, denn die ersten vier Episoden der fünften Staffel, die eigentlich nur Kritikern zu Verfügung standen, wurden unerlaubt im Internet geleakt.
Kaum eine andere Serie lieferte in den vergangenen Jahren mehr Gewalt, Sex und Intrigen, kein anderes Format ging inhaltlich so erbarmungslos mit den Hoffnungen und Erwartungen seiner Zuschauer um wie «Game of Thrones» – kurzum: Keine andere Serie lieferte mehr Gesprächsstoff. Diese zuverlässige Treffsicherheit der Fantasy-Saga, sich in den Tagen nach der neuesten Ausstrahlung in aller Munde zu befinden und in unzähligen Recaps besprochen zu werden, wollen sich die ausstrahlenden Sender der HBO-Serie nun zunutze machen. Jan Köppen moderiert ab dem 13. April Skys «Game of Thrones Talk». Auf dem eigens für den Start der neuen Staffel eingerichteten Sender Sky Thrones HD präsentiert Köppen vier Sendungen lang die erste Serien-Talkshow im deutschen Fernsehen. Zu Gast sind die «GoT»-Darsteller Sibel Kekilli (16. April) und Tom Wlaschiha (19.4.), die über ihre Rollen und Erfahrungen am Set sprechen sowie ein „Superfan“ der ersten Stunde, der den Dreharbeiten beiwohnen durfte. Am 13. April, unmittelbar vor dem Start der neuen Staffel beim deutschen Sky gastiert außerdem Schauspieler Götz Otto bei Köppen und diskutiert über die möglichen Überraschungen der neuen Runde.

Sky zeigt ab dem 27. April auch das britische Pendant: «Thronecast» läuft im Vereinigten Königreich nun schon seit 47 Folgen auf dem britischen Sky Atlantic mit den Hosts Jamie East und Rachel Parris. Hier betrachtet das 30-minütige Format die Geschehnisse des Kampfs um Westeros eher aus der Fan-Perspektive, unterlegt wird die Show mit Darstellerinterviews und Kommentaren der Fans. Doch warum setzen die Sender überhaupt auf die Talks nach der Serie, wenn man stattdessen ein anderes frisches Format senden könnte, das eventuell von den tollen Quoten von «Game of Thrones‘» profitieren und ebenfalls zu einem tollen Marktanteil kommen könnte? Die Formate haben ihr Vorbild in der US-amerikanischen Kabel-Landschaft, wo allen voran AMC die immensen Vorteile der Serien-Talks entdeckte.

Mit «The Walking Dead» startete AMC 2010 eine Serie, die für ähnlich viel Gesprächsstoff sorgt wie «Game of Thrones». Schon früh erkannte der Sender, dass etliche Fans das Bedürfnis haben, sich näher mit den Ereignissen auseinanderzusetzen und sie zu besprechen. Im Falle anderer Serien geschieht dies im Wohnzimmer nach dem gemeinsamen Schauen mit Freunden oder in diversen Internet-Foren. „Warum nicht die Zuschauer, die sich mit den Serien-Inhalten länger befassen wollen, beim Sender halten?“, dachte sich AMC und installierte ab dem 16. Oktober 2011 «Talking Dead», das den Programmplatz direkt hinter «The Walking Dead» zugesprochen bekam.

Mit dieser Entscheidung schlug AMC zwei Fliegen mit einer Klappe. Da wäre zunächst der Kostenaspekt. «Walking Dead» ist eine teure Drama-Serie mit ausladenden Special Effects und einem großen Cast, die wohl regelmäßig, Dank der tollen Zuschauerzahlen, nach Erhöhung des Budgets verlangt. «Talking Dead» auf der anderen Seite besteht ausschließlich aus Host Chris Hardwick sowie aus ein paar weiteren Personen, die neben ihm sitzen, womit eine der 60-minütigen Episoden ungefähr so viel kostet wie ein «Walking Dead»-Panel auf der Comic Con. Würde man fünf TV-Macher in einen Raum sperren und sie überlegen lassen, wie man das Format noch günstiger gestalten könnte, wäre die einzige Lösung wohl, die Sendung nur mit Ton zu senden. «Talking Dead» fungiert damit als „Return-On-Investment“.

Der Erfolg, den AMC mit «Talking Dead» verzeichnet, ist im Vergleich zum Produktionsaufwand fast schon lächerlich hoch. Das zur gleichen Zeit wie «Talking Dead» laufende «The Good Wife» von CBS, das für seine tollen Drehbücher und ausgezeichnet spielenden Darstellern erst eine Emmy-Nominierung erhielt, lockte zum Staffelstart von «The Walking Dead» am 12. Oktober nur ein Drittel der Zuschauer an, die «Talking Dead» auf einem Kabelsender (!) unterhielt. Mit einem Rating von 3,5 in der Zielgruppe der 18- bis 49-Jährigen hatte der Serien-Talk mehr Zuschauer aus der werberelevanten Altersgruppe als die Dienstags-Serien «The Flash» und «Marvels Agents of SHIELD» vereint.

Die Senderverantwortlichen haben außerdem erkannt, dass um eine erfolgreiche TV-Serie bestenfalls ein eigenes Öko-System entstehen sollte, das die Zuschauer, die nach der Premiere Facebook, Twitter oder Foren aufsuchen, abgreift und auf der Social-Media-Welle reitet. Inhaltlich offenbart die Show jedoch oft Defizite, insbesondere wenn Darsteller aus «The Walking Dead» zu Gast sind, wodurch der Talk sich vor allem darauf fokussiert, die Sympathien des Gasts zu gewinnen. Betrachtet man diesen Umstand, nämlich dass «Talking Dead» oft zu naiv mit den Inhalten der Serie umgeht, ist es umso erstaunlicher, dass das Talk-Format rund 40 Prozent der Zuschauer von «Walking Dead» hält.

Die US-Sender fanden angesichts des großartigen Erfolgs immer mehr Gelegenheiten, ihre Formate mit kostengünstigen Talk-Formaten auszustatten. Eine weitere „After-Show“ launchte AMC mit «Talking Bad», dem Talk, der sich jeweils mit den Episoden aus der letzten «Breaking Bad»-Staffel befasste, auch hiermit feierte der Kabelsender Quotenerfolge. Besonders im Reality-Genre gewann die Programmstrategie auch schnell an Beliebtheit. Das Zauberwort hier war „Transmedia“, denn die Sender nutzten auch immer mehr die Möglichkeiten des Internets. Als „Bonus“-Inhalte bewarben die Verantwortlichen die Sendungen und profitierten dabei vom transmedialen Storytelling. So startete der Sender Bravo im Rahmen der elften Staffel der Koch-Show «Top Chef» mit «Padma’s Picks» eine Web-Show, die es Köchen ermöglichte einen Platz im Hauptformat zu gewinnen, während ausgeschiedene Teilnehmer sich durch eine erfolgreiche Teilnahme bei der VOD-Sendung «Last Chance Kitchen» erneut einen Platz in der Hauptshow erkämpfen konnten – 20 Prozent der «Top Chef»-Zuschauer verfolgten die Web-Formate. Unterdessen musste das Publikum des Food Networks «Star Salvation» verfolgen, um zu wissen, wer bei «Food Network Star» nach der Eliminierung zurückkehrt. Innerhalb von 14 Monaten verzeichnete «Star Salvation» 22 Millionen Publikumsinteraktionen im Internet.

«Watch What Happpens Live», ursprünglich im Internet gestartet, um die Modelsuche «Project Runway» zu bewerben, wurde bei Bravo zu einem derartigen Hit, dass es das Format 2009 ins TV-Programm schaffte. Auch FX startete mit «Anarchy Afterword» nach dem Vorbild von «Talking Dead» und «Talking Bad» ab der sechsten Staffel der Serie eine After-Show, die unzensierte Interviews mit dem Showrunner Kurt Sutter und ein wechselndes Panel aus Cast-Mitgliedern und prominenten Gästen enthielt. Das Format, für das Fans via der sozialen Medien Fragen einreichen durften, fand jedoch nur online statt.

Besagte After-Shows schafften das, wovon Senderverantwortliche schon immer träumten: Alle Sender versuchten lange Zeit verzweifelt, die Zuschauer beim Sender zu halten, auch nachdem ein beliebtes Format endete. Dieses Vorhaben gelang mit den Serien-Talks endlich, obendrein sind die Formate außerordentlich kostengünstig. Ein Fazit, das so erkenntnisreich wie bitter für die Verantwortlichen ist, lautet: Zuschauer sind loyal gegenüber Sendungen, nicht gegenüber Sendern.

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