Dolby Vision für die eigenen vier Wände
Elektronikhersteller und -händler versuchten in den vergangenen Jahren allerhand, um Kunden wieder in die Länden zu locken und davon zu überzeugen, dass sie einen neuen Fernseher brauchen. Erst 3D, danach das ultrahochauflösende 4K, und aktuell bemühen sich Hersteller, den Trend weg vom Flatscreen hin zum Curved TV zu bewegen. Verkaufsrekorde werden mit diesen Neuerungen allerdings nicht gebrochen. Nun aber positioniert sich der Audio-Ausstattungsgigant Dolby auch im Bewegtbild-Segment – und setzt sich nicht gerade bescheidene Ziele: Auf der vergangenen International Consumer Electronics Show (CES), einer bedeutenden Fach-Messe für Unterhaltungselektronik, wurde Dolby Vision mehrheitlich als die Zukunft für High-End-Fernsehgeräte bezeichnet – und dies nicht nur von den Dolby-Verantwortlichen, sondern auch von zahllosen Journalisten.
Dolby Vision ist dabei nicht nur als Hardware gedacht. Laut Pat Griffis, Dolby-Geschäftsführer für den Bereich Technologiestrategie, ist es als Komplettlösung ausgearbeitet, die vom Mastering des Bildmaterials bis hin zur Kinoprojektion respektive zum Fernsehgerät reicht. Das entscheidende Merkmal von Dolby Vision ist, dass es auf 'HDR' setzt, also auf 'High Dynamic Range'. Dies bedeutet, dass eine weitreichendere und somit lebensechtere Darstellung des Farbspektrums anvisiert wird. Einfach gesagt: Satteres Schwarz, leuchtendere Farben und nuanciertere Details. Der Hintergrund dessen: Das menschliche Auge kann ein viel breiteres Spektrum an Leuchtdichten wahrnemen, als hochmoderne Digitalkameras. Diese wiederum können aber deutlich komplexere Bildinformationen einfangen als sie von modernen Fernsehern wiedergegeben werden.
Der alte Fernsehstandard beträgt 100 Nit, und dies ist noch immer der Standard-Helligkeitswert für Fernsehsignale – Fernsehgeräte blähen dieses Signal zuweilen auf 400 bis 500 Nit auf, was jedoch mit Qualitätsverlusten einhergeht. Eben dies soll mit Dolby Vision vermieden werden – unter anderem durch die Verwendung einer weit über dem Industriestandard liegenden Anzahl an RGB LEDs, die eine Darstellung von über 1000 Nit erlauben. Darüber hinaus sind Dolby-Vision-Fernsehsignale komplexer, wodurch der Effekt einer dynamischen Farbgebung verstärkt wird. Experten berichten aber unisono, dass auch Videomaterial, das nicht in Dolby Vision gemastert wurde, auf einem Dolby-Vision-Gerät deutlich besser aussieht als auf einem herkömmlichen Fernseher. Interessanterweise verspricht Pat Griffis, dass Dolby-Vision-Daten auf einer Blu-ray gespeichert werden können, womit das ins Trudeln geratene Speichermedium neue Zukunftschancen erlangen würde. Dolby arbeitet allerdings auch mit Netflix, Amazon Instant Video, Vudu und Xbox Video daran, Dolby Vision zum Streaming anbieten zu können.
Dolby Vision als Ausgangsmaterial
Das Unternehmen aus San Francisco arbeitet aktuell intensiv daran, dafür zu sorgen, dass Interessierte in Zukunft auf ein großes Portfolio aus Serien und Filmen zurückgreifen können, die in Dolby Vision gemastert sind. So soll Netflix Dolby-Vision-Serien liefern, während Dolby in Sachen Film auf den Disney-Konzern als ersten Partner zurückgreift. Der allererste Film, der in Dolby Vision startet, ist die Science-Fiction-Produktion «A World Beyond» von «Ratatouille»- und «Mission: Impossible – Phantom Protokoll»-Regisseur Brad Bird. Er und Kameramann Claudio Miranda («Tron: Legacy», «Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger») sollen ein Jahr lang mit Dolby zusammengearbeitet haben, um das Bild ihres geheimnisumwitterten Films in der neuen Präsentationsform zu perfektionieren.
Bird lobpreist die neue Technologie: „Dolby war sehr einflussreich in der Entwicklung des Kinotons, daher ergibt es absolut Sinn, dass sie ihre Aufmerksamkeit nun auch darauf lenken, die Bildqualität zu verbessern und weiterzuentwickeln. […] Diese Helligkeit und Klarheit der Bilder, welche dennoch reichhaltig an Feinheiten in den Schwarztönen sind, das ist einfach atemberaubend!“ Mit dem Pixar-Animationsfilm «Alles steht Kopf» wird auch der zweite Dolby-Vision-Film vom Disney-Konzern stammen, der zudem erst kürzlich sein Flaggschiff-Lichtspielhaus, das El Capitan Theatre, auf die Laserprojektion nutzende Dolby-Vision-Technologie aufgerüstet hat.
Darüber hinaus nutzte Dolby die CinemaCon, um dem anwesenden Fachpublikum, bestehend aus Filmemachern und Kinobesitzern, den Prozess des Dolby-Vision-Remasterings vorzuführen. Unter anderem wurden Sequenzen aus «Tron: Legacy» und der Agentenkomödie «Spy – Susan Cooper Undercover» aufgeführt, die von lautem Applaus begrüßt wurden. Diverse US-Medien berichten davon, dass Regisseur Paul Feig nach Aufführung einer Szene aus seiner aktuellen Produktion «Spy – Susan Cooper Undercover» auf der Dolby-Präsentation lobend anmerkte, Dolby Vision in seinem demnächst anstehenden «Ghostbusters»-Film nutzen zu wollen, sollte es ihm möglich sein.
Dolby im Kino
Wie bereits angerissen, wird Dolby Vision nicht nur den Weg ins Heimkino gehen, sondern auch im klassischen Lichtspielhaus Verwendung finden. Dolby fährt dahingehend zweigleisig: Einerseits wird die Projektionstechnologie an ausgewählte Partner lizensiert, wie an Disneys El Capitan Theatre sowie an die US-Kette AMC, die sich jedoch mit dem Umrüsten Zeit lässt. Zum Start von «A World Beyond» werden nur vier Kinos fähig sein, Filme in Dolby Vision zu zeigen, Ende 2018 sollen es 50 Stück sein.
Weitergehend möchte sich Dolby als Betreiber einer eigenen Kinokette namens Dolby Cinema durchsetzen. Im niederländischen Eindhoven eröffnete im Dezember 2014 die erste und bislang einzige Filiale, die jedoch als Blaupause für künftige Dolby-Spielstätten dienen wir. Neben Dolby Vision und dem 2012 etablierten immersiven Tonsystem Dolby Atmos gibt es einen dritten Aspekt, der diese Kinos von der Konkurrenz abheben soll: Ein edles, behutsam-futuristisches Design. So besteht der Saaleingang aus einer 2,13 Meter hohen, langen HD-Videowand, die mit ausgewähltem Bildmaterial auf den jeweiligen Film einstimmen soll, während im Saal spezielle Wände die Soundboxen so verdecken, dass Besucher sie nicht mehr sehen können – Dolby erhofft sich davon, die Illusion zu vergrößern, dass das Gehörte vom Leinwandgeschehen stammt.
Die Konkurrenz für Dolby Vision
So positiv bislang die Resonanz der Fachpresse auch sein mag: Dolby Vision hat einige Hürden zu nehmen. Im Hardware-Sektor ist die größte Konkurrenz 'Ultra High Definition', die unter anderem dank eines Zeitvorsprungs bislang mehr Unterstützung seitens der Elektronikhersteller findet als Dolby Vision. Die Premium-Kinokette Dolby Cinema derweil hat vor allem in den USA mit IMAX einen starken Mitbewerber, zumal auch IMAX mit vielen großen Filmstudios zusammenarbeitet – darunter der ebenfalls mit Dolby verpartnerte Disney-Konzern. Dieser bringt 2016 mit «Captain America: Civil War» auch den ersten Film in die Kinos, der mit neu entwickelten, fähigeren IMAX-Kameras gedreht wird. In Südkorea derweil testet ein Unternehmen das neue System 'ScreenX', welches mit Projektoren arbeitet, die zusätzliches Material auf die zur Leinwand führenden Saalwände werfen.
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