Vor Ort

«Rote Rosen», der Exot unter den täglichen Serien

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2000 Folgen der ARD-Serie sind im Kasten. Für die Produktionsfirma Studio Hamburg Serienwerft ein Grund zum Feiern. Wir haben uns am roten Teppich umgehört, was in Lüneburg gezielt anders gemacht wird als anderswo.

Rosige Quoten in der Zuschauergruppe ab drei Jahren:

  • Staffel 4: 1,49 Mio., 14,7 %
  • Staffel 5: 1,62 Mio., 16,0 %
  • Staffel 6: 1,58 Mio., 15,0 %
  • Staffel 7: 1,63 Mio., 16,2 %
  • Staffel 8: 1,55 Mio., 16,1 %
  • Staffel 9: 1,61 Mio., 16,6 %
  • Staffel 10: 1,66 Mio., 17,2 %
Das Erste, «Rote Rosen», Mo-Fr 14.10 Uhr
„Die klassische, werberelevante Zielgruppe interessiert uns nicht!“ – Ein Statement, das so offen selten zu hören ist. Wir sind im beschaulichen Lüneburg, seit fast zehn Jahren die Heimat der ARD-Serie «Rote Rosen». Die Mischung aus Daily-Soap und Telenovela feiert im Juli die 2.000 Folge im Ersten. Die Hansestadt mit gerade einmal 72.000 Einwohnern liegt knapp 60 Kilometer vor den Toren Hamburgs. Weit weg scheinen da TV-Metropolen wie Köln, wo unter anderem die Daily-Soap «Unter uns» in den MMC-Studios in Köln-Ossendorf produziert wird. Die zehnte Staffel von «Rote Rosen» erreichte zuletzt einen Marktanteil von über 17 Prozent - Tendenz steigend (siehe Quotenbox). Dabei machen die Verantwortlichen kein Geheimnis daraus, dass diese Zuschauer größtenteils nicht mehr in der jungen, werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen sind – sondern eher 50 Plus und mehrheitlich weiblich. Doch genau damit fährt die Serie seit nun fast 2.000 Folgen erfolgreich, wie auch «Rote Rosen»-Produzent Emmo Lempert im Gespräch mit Quotenmeter.de bilanziert: „Wir jagen nicht dem Jugendwahn hinterher. Ich respektiere und bewundere meine Kollegen. Aber wir haben unsere Mitte gefunden: Das sind echte, glaubwürdige, erwachsene Menschen. Das ist kein Plastik, das sind gelebte Menschen! Die haben Falten, die haben gelebt und das ist das, was unsere Zuschauer interessiert.“

Der heutige Geschäftsführer der verantwortlichen Produktionsfirma Studio Hamburg Serienwerft baute 1994 als Regisseur schon die RTL-Daily-Soap «Unter Uns» mit auf. Auch für «Gute Zeiten, Schlechte Zeiten» war der Produzent bereits tätig. „Die klassische, werberelevante Zielgruppe interessiert uns nicht,“ sagt er nun über sein Team bei den «Roten Rosen».“ Dennoch haben wir immer wieder achtbare Quotenerfolge in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen. Wir haben es aber nicht als Zielrichtung, diesen Trend auszubauen. Dennoch überlegt man natürlich, wo das bei bestimmten Episoden herkommt“, sagt Lempert im Hinblick auf durchaus mal erreichte neun Prozent oder mehr.

Wir haben unsere Mitte gefunden: Das sind echte, glaubwürdige, erwachsene Menschen. Das ist kein Plastik, das sind gelebte Menschen! Die haben Falten, die haben gelebt und das ist das, was unsere Zuschauer interessiert.
«Rote Rosen»-Produzent Emmo Lempert
Hakim-Michael Meziani spielt bei den „Rosen“ schon seit 2011 die Rolle des Ben Berger. Zuvor stand der Norddeutsche für die damalige ARD-Soap «Marienhof» vor der Kamera, welche bis zur Einstellung 2011 in den Bavaria-Studios nahe München gedreht wurde. „Technisch ist die Innenausstattung, also die Dekoration, die die Zuschauer bei «Rote Rosen» sehen, wertiger eingerichtet. Es ist einfach echter, authentischer. Bei «Marienhof» bin ich am Set mal die Tür rausgegangen und die ganze Wand hat gewackelt“, erinnert sich Meziani lachend. „Bei «Rote Rosen» ist das Licht auch immer super eingeleuchtet, es ist einfach filmischer“, erklärt der Schauspieler. Lüneburg sei zudem der optimale Drehort - Ein Erfolgsrezept, das auch Jenny Jürgens unterschreibt, die mit der 2.000 Folge die «Rote Rosen»-Bühne verlässt: „Ich glaube einfach, dass «Rote Rosen» eine Serie ist, die Frauen in der Mitte ihres Alters dort abholt, wo sie abgeholt werden wollen. Die Protagonistinnen sind immer weiblich und Ende 40 – wie auch die Mehrheit unserer Zuschauer.“

In der vergangenen Woche fiel die letzte Klappe für die Schauspielerin. Mitte Juli wird sie das letzte Mal in der Serie auftauchen. Traurig sei sie aber nicht, wie sie uns verrät: „Ich weiß nicht, ob mich jetzt alle weinen sehen wollen? Aber ich wusste immer, so ist mein Arbeitsvertrag! Man arbeitet zehn Monate und weiß, es geht irgendwann zu Ende. Unser Beruf ist durchdrängt durch Neubegegnungen und Abschieden, das ist normal. Der letzte Drehtag war natürlich sehr emotional im Studio. Aber ich fühle mich wunderbar.“ Nun freue sie sich wieder auf ihre Familie und ihr Privatleben und wolle beruflich erst einmal eine Pause einlegen. Schauspielerin Anne Moll übernimmt damit die neue Hauptrolle in der Serie.

Ich glaube einfach, dass «Rote Rosen» eine Serie ist, die Frauen in der Mitte ihres Alters dort abholt, wo sie abgeholt werden wollen. Die Protagonistinnen sind immer weiblich und Ende 40 – wie auch die Mehrheit unserer Zuschauer.
Jenny Jürgens, scheidende Hauptdarstellerin der «Roten Rosen»
Die ARD-Serie hat, obwohl auf reiferes Publikum ausgerichtet, auch längst das Web erobert. Sucht man bei Google nach dem Begriff „Rote Rosen“, tauchen zunächst nur Suchergebnisse rund um die ARD-Serie auf. Erst auf der dritten Seite findet man Ergebnisse, die sich mit den Blumen und dem Symbol der Liebe beschäftigen. Kein gutes Pflaster für angehende Bachelors, die der Liebsten rote Rosen bestellen möchten… Der positive Marketingeffekt und der nicht zu unterschätzende Wirtschaftsfaktor ist auch dem Bürgermeister Lüneburgs, Eduard Kolle, bewusst. Entsprechend hält sich der SPD-Mann mit Liebesbekundungen kaum zurück: „So eine Sendung ist unbezahlbar für eine Stadt. Unsere Stadt ist dadurch noch mehr aufgeblüht. Wir haben wirtschaftlich gesehen einen Aufschwung gemacht, weil die vielen Touristen kommen. Wir haben einen noch höheren Bekanntheitsgrad – sogar im Ausland, wo die Sendung ja auch gesendet wird.“ Die Touristenzahl habe sich dank der TV-Produktion auf über 20.000 verdoppelt – das entspricht immerhin knapp einem Viertel der gesamten Einwohnerzahl Lüneburgs.

Freitag und Samstag seien „die schlimmsten Tage, da sind die Wege schnell verstopft“, so der Politiker. Dennoch gäbe es in Lüneburg kaum jemanden, der nicht für die «Rote Rosen» schwärme, wie uns Eduard Kolle im Gespräch versichert: „Wenn irgendwo gedreht wird, hat das Drehteam eher Probleme, dass die Touristen nicht ständig ins Bild laufen. Es gibt keine kritischen Stimmen in Lüneburg, überhaupt nicht!“ Auf die sonst üblichen Gebühren für Straßensperrungen verzichte die Stadt von Beginn an ganz bewusst, wie der Bürgermeister einräumt: „Die «Rote Rosen» bringen uns so viel Positives, da können wir nicht noch anfangen, zu kassieren. Das geht natürlich nicht! Das Geld kommt auf anderem Wege durch die Touristen wieder rein.“ Zweimal in der Woche schaue der Politiker auch selbst die Sendung – „mehr schaffe ich zeitlich nicht“, schmunzelt Kolle: „Durch die vielen Besuchergruppen im Rathaus werde ich natürlich häufig zu «Rote Rosen» befragt. Wirtschaftlich ist die TV-Produktion für Lüneburg wichtig. Da wäre es mehr als peinlich, wenn ich dann nicht wüsste, worum es da gerade geht!“

Die «Rote Rosen» bringen uns so viel Positives, da können wir nicht noch anfangen, zu kassieren. Das geht natürlich nicht! Das Geld kommt auf anderem Wege durch die Touristen wieder rein
Eduard Kolle, Bürgermeister der «Rote Rosen»-Stadt Lüneburg
Ein besonderes Lob spricht dieser den kreativen Drehbuchautoren aus und lacht dabei: „Das ist nicht so ausgedacht, wie das bei anderen Soaps so ist. Das könnte echt in Lüneburg passiert sein! Da frage ich mich manchmal: Meine Güte! Wer hat denn das verraten oder woher wissen die denn das jetzt?“

Ein bisschen getrübt wurde das Fest zur 2000. Folge durch einen Todesfall. Die Serien-Erfinderin Angelika Paetow verstarb Mitte April. Durch die Serie bleibt sie unsterblich. Die Zukunft soll weiter rosig bleiben, wie Produzent Emmo Lempert mit Blick auf die nächsten Monate prophezeit: „Wir bleiben in der Telenovela-Verabredung. Wir haben alle zehn Monate - alle 200 Folgen - eine neue Haupt-Rose mit allem, was dazugehört. Auch, wenn das nach elf Kapiteln immer enger wird...“

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