Schwerpunkt

ABCs und «V/H/S»: Horror kurz und abwechslungsreich

von

Ob «23 Ways to Die», die «V/H/S»-Reihe oder «German Angst»: Im Horrorgenre sind Episodenfilme aktuell der Hingucker schlechthin.

Kurz und blutig: Das Horror-Genre hat einen neuen Lieblingstrend. Den Episodenfilm. Neu ist die Idee, mehrere kurze Schauergeschichten aneinanderzureihen und in Spielfilmlänge ins Kino beziehungsweise auf den Heimkinomarkt zu entlassen, wahrlich nicht. Doch solch einen Boom an Ansammlungen thematisch mal mehr, mal weniger eng verbundener Horror-Storys wie in den vergangenen Jahren gab es noch nie. So erschien drei Jahre in Folge jeweils ein Teil der «V/H/S»-Reihe, darüber hinaus schossen Exploitation-Hommagen wie «Chillerama» und Indie-Projekte wie «5 Senses of Fear» aus dem Boden. Die Krönung dieses Trends zum episodenhaften Filmgrauen ist allerdings die im Original «ABCs of Death» betitelte Reihe bestehend aus «22 Ways to Die» und «23 Days to Die».

Die Grundidee hinter «ABCs of Death» sowie «ABCs of Death 2» ist fast schon unverschämt simpel: Junge Filmtalente sowie gefeierte Durchstarter des Nischenkinos bekommen einen Buchstaben zugeordnet. Ihre Aufgabe: Einen Kurzfilm zu diesem Buchstaben drehen, der vom Thema Tod handelt. Die Produzenten mischen sich daraufhin nicht weiter ein – somit nimmt ein völlig idiosynkratisches Filmprojekt seinen Lauf, das unvorhersehbarer nicht sein könnte. Edel produzierte Episoden, die deutlich teurer aussehen als sie sind, mischen sich unter Filmchen, die für ihr Budget recht gut daherkommen und unter krude gefilmte Clips mit Amateurcharme. Manche Regisseure liefern waschechte Horrorfilmchen ab, die sich voll und ganz einem Subgenre verschreiben: Von Found-Footage-Schockern über Splatterorgien bis hin zu psychologischem Terror. Wieder andere Regisseure mengen sozialkritische Züge unter die Horrorfassade oder würzen ihren Kurzfilm mit bitterbösem Humor. Und wieder andere Regisseure denken sich „Hey, nur weil es um den Tod geht, muss ich doch gar keinen Horrorfilm machen!“ und präsentieren Sci-Fi-Stoffe, zum Realfilm gewordenen Cartoon-Slapstick oder gar feingeistige Kunst.

Die «ABCs of Death»-Filme, in Deutschland zugunsten einer FSK-Freigabe jeweils um wenige Episoden gekürzt und daher umbenannt, sind wahre Wundertüten für Filmliebhaber, die sich cineastisch etwas zutrauen. So manche schwache Episode versteckt sich in diesen Todes-Alphabeten, genauso wie einige, die selbstbewusst auf den Magen schlagen. Aber diese Episodenfilme bieten auch einen unvergleichlichen Querschnitt dessen, was ambitionierte Kinokünstler (unabhängig etwaigen Ruhmes) aus aller Welt auf die Beine stellen können. Und all jene, die völlig ahnungslos in die «ABCs of Death»-Produktionen hineingehen, dürfen zudem ein heiter-morbides Ratespiel spielen: Jede Episode enthüllt erst zum Schluss, wofür letztlich ihr jeweiliger Buchstabe steht – und so entwickeln selbst schwächere Teile dieser filmkünstlerischen Happenings einen nicht zu verachtenden Spannungsgrad.

Zudem fassen die «ABCs of Death»-Filme unterschwellig zusammen, weshalb es zu einem Boom an Horror-Episodenfilmen gekommen ist. Hier treffen die Faktoren Nachwuchsfilmer respektive Filmfans, die nun selber ans Werk gehen, niedrige Kosten und Vielfalt auf beispiellose Weise zusammen. Regisseur Adam Green, der am schrägen Horror-Episodenfilm «Chillerama» mitwirkte, erklärte Punkt eins dieser (un-)heiligen Dreifaltigkeit gegenüber 'Entertainment Weekly': „Im Horrorgenre sind gewisse Zyklen zu beobachten, dass Leute, die ihre ersten eigenen Filme machen, üblicherweise durch das beeinflusst werden, was 20 Jahre zuvor aktuell war. Für mich ist der große Einfluss, dass ich mit «Creepshow» und «Unheimliche Schattenlichter» groß geworden bin und daher jede Gelegenheit liebe, einen Episodenfilm zu sehen.“

Zahlreichen Horrorregisseuren ging es ähnlich wie Green, so dass eine Handvoll Horror-Episodenfilme vergangener Kinotage nun einen größeren Boom nährt. Und selbst Horrormacher, die nicht von dieser Art Film beeinflusst wurden, springen auf den Zug auf. Erst recht nun, da Kinobudgets zwar explodieren, dies aber nur für Produktionen mit sehr großem Zielpublikum. Kleinere Projekte müssen oftmals Kompromisse eingehen, sofern sie überhaupt zustande kommen, doch mit einem Episodenfilm-Segment verringert sich laut Green das Risiko. Und das, obwohl namhafte Verleiher noch immer diesem 'Genre' zweiflerisch gegenüberstehen: „Für den Durchschnittskonsumenten sind Episodenfilme schwierig, weil sie nicht wissen, was sie bekommen. Aber wir produzieren so günstig, dass wir in die schwarzen Zahlen kommen, sobald auch nur eine DVD verkauft wird“, so Green scherzend.

Ähnlich sehen es die Regisseure Jörg Buttgereit, Michal Kosakowski und Andreas Marschall, die ihre Anthologie «German Angst» als Antwort auf den US-Boom an schaurig-mutigen Episodenfilmen verwirklicht haben. Wie sie auf den Fantasy Filmfest Nights in Hamburg wehmütig bekundeten, war es in Deutschland noch nie einfach, einen Horrorfilm zu verwirklichen – und es wird zunehmend schwieriger. «German Angst» finanzierten sie letztlich mittels Crowdfunding, um dem zahlenden sowie professionellen Publikum international vorzuführen, zu welchen Horror-Filmideen deutsche Köpfe weiterhin fähig sind. Drei zusammengefasste und somit gemeinsam vermarktete, höchst verschiedene Horrorepisoden seien dahingehend das effektivste Mittel. Ein durchgängiger Langfilm sagt schließlich weit weniger aus, da er nur eine einzelne Vision repräsentiere, drei Langfilme sind hierzulande in dem Genre nahezu unmöglich zu finanzieren und drei völlig alleinstehende Kurzfilme lassen sich schwerer an den Mann bringen.

Aber selbst, wenn es Horror-Episodenfilme nicht weiter aus wirtschaftlichen Gründen bräuchte, so wären sie aus kreativer Sicht weiterhin unersätzlich. Denn im Bestfall werden sie zu einem lose zusammengehaltenen Trip durch die bizarr-düsteren Möglichkeiten, die es in der Filmkunst gibt. Da mögen die Aufs und Abs vielleicht extremer sein als in konventionellen Produktionen. Aber eben diese Fragmentierung kann ein regelrecht kunstvolles Niveau erreichen!

«23 Days to Die» ist unter seinem Originaltitel «ABCs of Death 2» bereits erschienen und unter anderem über Amazon zu beziehen. Die Alternativfassung «23 Days to Die» erscheint am 29. Mai 2015. «German Angst» kommt am 15. Mai 2015 ungeschnitten in den Handel.

Kurz-URL: qmde.de/77889
Finde ich...
super
schade
90 %
10 %
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelKerner-Show «1000» fällt kürzer ausnächster Artikel«NCIS» gewinnt den Abend in Amerika
Es gibt 0 Kommentare zum Artikel
Weitere Neuigkeiten

Optionen

Drucken Merken Leserbrief




E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung