
Der Trend hin zu solchen nicht-originalen Formaten ist offensichtlich; immer mehr wird auf bereits vorhandene Stoffe gesetzt, um nicht die Grundlagen neu entwickeln zu müssen. Dabei sind es nicht mehr nur Buchvorlagen, die genutzt werden, sondern zunehmend auch Filme. So basieren die jüngst gestarteten «12 Monkeys», «Fargo» und «From Dusk Till Dawn» auf Kinovorlagen, aber vor allem stehen viele Konzepte noch in den Startlöchern: Für die kommenden Monate sind unter anderem TV-Adaptionen von «Scream», «Minority Report», «The Mist» von Stephen King, «School of Rock» und «Shutter Island» angekündigt. Die meisten dieser Filmvorlagen sind wiederum Adaptionen von Büchern – es besteht also quasi eine dreifache Verwertungskette, die erfolgversprechend ist. Denn sobald jemand eines der Produkte kennt – ob Buch, Film oder Fernsehserie – ist er mit der jeweiligen Welt und ihren Charakteren vertraut, interessiert sich womöglich eher für die weiteren Adaptionen. Die Kasse klingelt.

Während im Hollywood-Filmbusiness schon längst eine entsprechende Entwicklung eingetreten ist, die kaum mehr auf originalen Storys basiert, schien dies im Seriengeschäft vor einiger Zeit noch anders. Als Anfang bis Mitte der 2000er Jahre der Trend der sogenannten Qualitätsserien aufkam, waren solche andersartigen Formate – eben «The Sopranos», «Breaking Bad» und Co. – das Gesprächsthema. Und vielleicht wurden sie auch gerade deswegen so beliebt: Eben weil sie neue Geschichten lieferten, die genau auf ihr Medium zugeschnitten waren. Weil sie ihren Zuschauern Innovatives brachten. Weil sie das machten, was das Filmgeschäft kaum mehr schaffte: frische, packende Geschichten aus gänzlich neuen Serienwelten zu erzählen, in die man sich fallen lassen konnte. Aber stimmt es wirklich, dass im heutigen Markt der Qualitätsserien weniger originaler Content vorhanden ist als früher?
Serien-Stichprobe
- Vergleich der Drama-Serien 2010 und 2015 von den Sendern HBO, Showtime, FX und AMC
- 2010: 20 Serien, darunter 15 originale (75%)
- 2015: 20 Serien, darunter 12 originale (60%)
- HBO hatte 2010 vier originale Stoffe, heute noch eines
- Showtime dagegen stockte von nur einem Originalstoff 2010 auf fünf heute auf
Überraschend: Sowohl 2010 als auch heute besteht das Drama-Portfolio aus insgesamt 20 Serien. Von den 20 Serien basierten vor fünf Jahren lediglich 5 auf bereits bekannten Stoffen und waren Adaptionen von Buch- oder Comicvorlagen. 15 Serien waren gänzlich original kreiert, damit liegt deren Anteil bei 75 Prozent des Outputs. Die großen Hits damals: «Nip/Tuck», «Entourage», «Justified», «Sons of Anarchy» oder «Mad Men». Anders die heutige Situation: 8 Formate sind adaptiert, nur noch 12 dagegen original. Die Quote sinkt damit auf 60 Prozent – darunter wurden auch diejenigen Serien als Originalstoffe verbucht, die nicht ursprünglich in den USA kreiert wurden, sondern Remakes ausländischer Serien sind. Dies trifft aktuell auf «Shameless» und «Homeland» zu, 2010 auf HBOs «In Treatment». Weitere Originalstoffe aktueller Zeit, die zuletzt heiß diskutiert wurden, sind «True Detective», «The Americans» und «The Affair».
Diese Zahlen sind gewiss nicht repräsentativ, berücksichtigen sie lediglich vier Sender und klammern den wichtiger gewordenen Markt an Comedyserien aus. Sie zeigen auch nicht den anderweitig gewachsenen Serienmarkt mit weiteren TV-Stationen, die eigene gescriptete Stoffe vorantreiben. Oder gar die Streming-Anbieter wie Netflix und Amazon. Aber auch hier befinden sich Adaptionen wie «House of Cards» oder «Marvel's Daredevil», «Bosch» und «Mozart in the Jungle» darunter, neben hervorragenden Originalkreationen wie «Bloodline» und «Transparent». Insgesamt ist die Stichprobe der vier größten Seriensender aber durchaus ein Indikator dafür, dass sich mittlereweile viele Serienstoffe einer Vorlage bedienen, und dass es anscheinend immer weniger frische Geschichten gibt. Was zu der Frage führt: Warum diese Entwicklung? Ist es die fehlende Kreativität der Macher? Das fehlende Risiko?

Der Boom des Seriengeschäfts ist mit Sicherheit hauptverantwortlich für die fehlende Kreativität. Nach den großen Erfolgen der Pay-TV-Sender wie HBO und Showtime sowie anschließend der ersten Kabelsender wie AMC wollten andere es nachmachen – viele neue Player stiegen ein und wollten plötzlich eigene Serien produzieren, darunter zuletzt auch genannte Streaming-Anbieter. Diese rasche Expansion kommt einer gestiegenen Nachfrage nach hochqualitativen Stoffen gleich. Denn neben der Einschaltquote, die mal mehr, mal weniger wichtig ist, sind gute Kritiken und Preise die Hauptwährung für Qualitätsserien. Jeder Sender ist auf der Suche nach dem neuen Watercooler-Hit, nach dem Format, über das als nächstes jeder spricht.
Diese gestiegene Nachfrage stößt allerdings auf ein mehr oder weniger gleich gebliebenes Angebot an hervorragenden Creators und Autoren. Prototypen wären hier Vince Gilligan oder David Chase, die «Breaking Bad» und «The Sopranos» erfanden. In dieser Reihe können unter anderem noch Gideon Raff, Ryan Murphy, die Kessler-Brüder und Matthew Weiner genannt werden. Sie sind die kreativen Köpfe hinter dem Serienboom, die gefragtesten Männer im Geschäft. Leider ist in den vergangenen Jahren dieser Kreis großartiger Creators kaum angewachsen, und alle genannten sind aktuell in Projekte involviert – darunter auch Adaptionen wie «Better Call Saul» von Vince Gilligan beispielsweise. Das Angebot also ist im Vergleich zur Nachfrage gering, und so wird die rasche Expansion des Seriengeschäfts eben mit bereits verfügbaren Stoffen – sprich: Buch- oder Filmvorlagen – vorangetrieben. Selbst wenn die dann verfügbaren Showrunner oder Produzenten noch so gut sind: Ihre völlige Kreativität können sie nicht ausleben, sie sind zumindest in Grundzügen an die Vorlage gebunden.

Wir leben weiterhin in einer goldenen Ära des Seriengeschäfts, und wir freuen uns jedes Jahr auf neue Hits, auf neue Entdeckungen und Geschichten. Allein, es wird immer schwieriger solche wirklich neuen Geschichten zu finden. Vielleicht ist es auch nur Meckern auf allerhöchstem Niveau. Aber irgendwie bleibt dieses Gefühl, dass die amerikanische Serienbranche in letzter Zeit ein bisschen erwachsener, ein bisschen langweiliger – eben ein bisschen weniger einfallsreich – geworden ist.
Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
07.05.2015 17:18 Uhr 1
Aber die Adaption von Filmen und Büchern und die Neuauflage von Serien hat es immer schon gegeben, meistens war es nicht erfolgreich. Wer aber erinnert sich an Loveboat New Wave?
Bei manchen Serien hätte ich mir nur eine entfernte Inspiration gewünscht, beispielsweise bei Westworld. War es in den Siebzigern bei der langen Western-Tradition verständlich, dass man den Vergnügungspark mit Robotern im Wilden Westen angesiedelt hat, so scheint es mir heute aus Kostengründen nicht so zwingend.