Die Kino-Kritiker

«Ostwind 2»

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Der Fortsetzung zum Abenteuerfilm «Ostwind» fehlt es vor allem an einem: Magie. Antje Wessels sah die Romanadaption vorab und zieht ein ernüchterndes Fazit.

Filmfacts: «Ostwind 2»

  • Kinostart: 14. Mai 2015
  • Genre: Abenteuer/Komödie
  • FSK: 0
  • Laufzeit: 107 Min.
  • Kamera: Torsten Breuer
  • Musik: Annette Focks
  • Buch: Lea Schmidbauer
  • Regie: Katja von Garnier
  • Darsteller: Hanna Binke, Jannis Niewöhner, Marvin Linke, Amber Bongard, Jürgen Vogel, Cornelia Froboess, Walter Sittler, Tilo Prückner, Kenzie Dysli
  • OT: Ostwind 2 (D 2015)
Ist ein Film erfolgreich, ist die Fortsetzung nur noch Formsache. Auch in der deutschen Produktionskultur setzt sich dieser Grundsatz nach und nach durch und mit Blick auf den dadurch generierten Ertrag liegt man in den meisten Fällen auch goldrichtig, wenn man sich für die Inszenierung eines Sequels entscheidet. Katja von Garniers Pferde-Mädchen-Film «Ostwind» wurde vor knapp drei Jahren zu einem der Dauerbrenner des Kinojahres 2012. Da die Geschichte um einen Teenie, dem es trotz großer Pferdeabneigung gelang, den wilden Rapphengst Ostwind zu zähmen, auf einem gleichnamigen Roman von Carola Wimmer basierte, ließ es sich Von Garnier nicht nehmen, zunächst auf eine Buchfortsetzung („Rückkehr nach Kaltenbach“ von Lea Schmidbauer und Kristina Magdalena Henn) zu warten, eh sich die Regisseurin auch hieran die Filmrechte sicherte und mit «Ostwind 2» nun ihre fertige Leinwandadaption präsentiert. Die Filmemacherin, die zuvor schon so unterschiedliche Werke wie «Blood and Chocolate» oder «Bandits» ablieferte, bemüht sich sichtlich, die Faszination des Vorgängers zu wiederholen, mit deren Hilfe «Ostwind» eben nicht zu einer verkitschten „Mädchen-zähmt-Wildpferd“-Geschichte wurde, sondern zu einer Ode an den Reitsport in all seinen Facetten. Doch der Versuch schlägt fehl. «Ostwind 2» erinnert in seiner überladenden Story und den bemüht in Richtung weiterer Fortführung schielenden Inszenierung nur noch bruchstückhaft an die Magie des Vorgängers und wird zu genau jenem Film, den die Regisseurin mit «Ostwind» so gekonnt zu vermeiden wusste.

Sommerferien, endlich wieder Zeit für Ostwind, Mika (Hanna Binke) ist überglücklich. Doch dann entdeckt sie eigenartige Wunden an Ostwinds Bauch, für die niemand eine Erklärung hat. Noch dazu steht Kaltenbach kurz vor der Pleite! Schweren Herzens entscheidet sich Mika, an einem Vielseitigkeitsturnier teilzunehmen, bei dem ein hohes Preisgeld winkt. Aber während des Trainings wirkt Ostwind abgelenkt, oft läuft er einfach davon. Mika verfolgt den schwarzen Hengst bis tief in den Wald und ist ziemlich überrascht: Aus dem Dickicht erscheint eine magisch anmutende Schimmelstute und die beiden Pferde umtanzen sich liebevoll. Plötzlich taucht ein fremder Junge namens Milan (Jannis Niewöhner) auf, der sagt, die Stute sei ihm entflohen. Er behauptet, er könne Mika helfen, das Turnier zu gewinnen. Was hat es wirklich mit Milan auf sich? Kann Mika Ostwinds Aufmerksamkeit für sich und das Turnier zurückgewinnen und Kaltenbach noch rechtzeitig retten?

Lebensechtheit – genau das war das Zauberwort für den ersten Teil der vermutlich zum Franchise ausgebauten Pferdegeschichte, der alles daran setzte, die herkömmlichen Fehler dieses Jugendfilm-Subgenres nicht zu machen. Wenngleich «Ostwind» vor allem in der technischen Umsetzung mancherorts über das Ziel hinausschoss und sich gerade in Sachen musikalische Untermalung und Zeitlupennutzung ein wenig hätte zurückhalten dürfen, so behielt das kleine und große Publikum den Film doch gerade deshalb so positiv in Erinnerung, da er sich nicht bloß auf das bevorstehende Happy End konzentrierte. Wenngleich die Sonnenseiten des Pferdesports deutlich im Mittelpunkt standen, gelang es Katja von Garnier, auch das bodenständige Drumherum entsprechend realistisch einzufangen. Das Ergebnis war ein modernes Pferdemärchen mit geerdeter Verwurzelung im Hier und Jetzt und der schlussendliche Gedanke: „Ja, das könnte es tatsächlich geben.“. Eine kleine Meisterleistung, die auch die deutschen Kritiker zu honorieren wussten.

Auch diesmal setzt der Cast um eine sichtlich gereifte Hanna Binke («Kriegerin») alles daran, die mit vielen Nebenplots gespickte Story möglichst lebensecht darzubringen. Doch das Skript macht es allen Beteiligten schwer, dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen. Nicht nur, dass die Geschichte durch den Konflikt der bevorstehenden Reiterhof-Schließung, den Vorbereitungen auf ein Vielseitigkeitsturnier sowie dem geheimnisvollen Schimmel im Wald viel zu viel Inhalt bietet, um innerhalb eines einzigen Films aufbereitet zu werden, auch innerhalb der einzelnen Erzählstränge legt Drehbuchautorin Lea Schmidbauer erstaunlich wenig Raffinesse an den Tag. Während der Erzählton im ersten Teil noch klar vorgegeben war und sich trotz eines anvisierten Happy Ends durchgehend an realistischen Gegebenheiten aufhielt und (mit einer Ausnahme) auf allzu abgedrehte Ideen verzichtete, verschwimmen die Grenzen zwischen Idealismus und Realität in «Ostwind 2» vollkommen. Alles was geschieht, ist beliebig, sodass der Grundsatz „Alles ist möglich“ gilt. Stellvertretend für die schwammigen Inszenierungsgrundsätze steht eine Szene innerhalb des Vielseitigkeitsturniers: Wenngleich es lobenswert ist, dass der junge Zuschauer innerhalb eines Pferdefilms auch mal an den Dressursport herangeführt wird, so sind Inszenierung und Gestaltung der dargebotenen Kür vollkommen jenseits realer Sportverhältnisse.

An sich fiele dieser Faux Pas wohl nur fachkundigem Publikum auf, dennoch beweist er die Unentschlossenheit innerhalb des Skripts: Realismus ja, aber bitte nur so lange er den konstruierten Erzählfluss nicht stört; für die zu Beginn der Filmreihe noch anvisierte (und so wichtige) Magie ist da letztlich kein Platz mehr. Das hat auch Auswirkungen auf die Hauptfiguren. Wenngleich sich sämtliche Charaktere ihrem Alter entsprechend weiterentwickelt haben und neben der nach wie vor äußerst facettenreichen Hanna Binke vor allem Jannis Niewöhner («Besser als nix») in der Rolle des geheimnisvollen Schimmelreiters Milan zu überzeugen weiß, bleiben gerade die Nebenfiguren blass und schaffen es nicht, sich von ihrem Stereotypendasein zu lösen. Amber Bongard («Sommer in Orange») mimt die überdrehte beste Freundin von Mika, Marvin Linke («Nicht mein Tag») gibt den netten Typen von nebenan und Walter Sittler («Nikola») verschenkt sich in einer Nebenrolle als leicht beeinflussbarer Springtrainer. All dieses nicht ausgeschöpfte Potenzial ist jedoch allenfalls schade. Als regelrecht ärgerlich erweisen sich dafür die eingestreuten, humoristischen Elemente, die vielmehr gezwungen und darüber hinaus kaum auf die anvisierte Altersgruppe abgestimmt sind. Wenn etwa im Anbetracht des Kutschgeschirrs auf dessen sexuelle Verwendbarkeit angespielt wird, dürften selbst die erwachsenen Zuschauer allerhöchstens pikiert, nicht jedoch amüsiert sein.

Aus technischer Sicht erweist sich «Ostwind 2» einmal mehr berauschend. Kameramann Torsten Breuer («Wir sind die Nacht») weiß die eleganten Tiere phänomenal in Szene zu setzen, sodass die mit schwelgerischer Musik untermalten Stimmungssequenzen trotz übermäßigem Zeitlupeneinsatz zu den Highlights des Films avancieren. Darüber hinaus ist die Interaktion zwischen Hanna Binke und Filmhengst Attila so intensiv, dass ausgerechnet dieses Zusammenspiel passionierter daherkommt, als die Kommunikation zwischen sämtlichen anderen Darstellern in «Ostwind 2». In den Momentaufnahmen funktioniert Katja von Garniers Herzensprojekt also tatsächlich recht gut. An den Vorgänger kommt das Sequel jedoch auch innerhalb der technischen Aufbereitung nicht heran. Dafür hat dieser vor drei Jahren die Messlatte einfach viel zu hoch angesetzt.

Fazit: «Ostwind 2» verliert über die konstruierte Geschichte und die Unmenge an auftretenden Figuren die Magie des Vorgängers aus den Augen und steht dadurch auf viel zu wackeligen Beinen, um selbst die jüngeren Zuschauer geschlossen auf seine Seite zu ziehen.

«Ostwind 2» ist ab dem 14. Mai in den deutschen Kinos zu sehen.

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