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«Gefragt – Gejagt» hat alles, was ein modernes Fußballspiel ausmacht: Es ist schnell, abwechslungsreich, spannend und am Ende gewinnen meistens die Bayern. Unser FC Bayern heißt der Jäger!
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Alexander Bommes über das Konzept von «Gefragt – Gejagt» im Interview mit Quotenmeter.de.
Und darum geht es: Vier Kandidaten treten im Team gegen den so genannten "Jäger" an, einen erwiesenen Quiz-Experten mit äußerst hohem und breit gefächerten Wissen. Dabei müssen die Kandidaten zunächst in einer einminütigen Schnellraterunde eine Geldsumme erspielen, die es anschließend im ersten 1:1-Duell mit dem Jäger zu verteidigen gilt. Hier werden Fragen im Multiple-Choice-Prinzip gestellt, wobei sich der Kandidat zwischen einem und drei Fehler mehr erlauben kann als der Jäger. Gelingt dieses nicht ganz einfache Unterfangen, zieht der Spieler ins Finale ein, wo er schließlich gemeinsam mit seinen noch verbliebenen Team-Kollegen gemeinsam mehr Fragen innerhalb von zwei Minuten korrekt lösen muss als der im Anschluss letztmals ins Geschehen eingreifende Jäger.
Sie merken schon, das Konzept ist etwas komplizierter als beim «Quizduell» - weshalb es auch durchaus überrascht, dass Moderator Bommes zu Beginn nicht groß Zeit investiert, um die Regeln zu erklären, sondern rasch ins Spielgeschehen einsteigt. Gewiss, die Sendung läuft bereits seit drei Jahren im Norddeutschen Rundfunk, aber vor einem wesentlich kleineren Publikum am späteren Abend. Andererseits ist diese Verweigerung vor großen Erklärungen auch nur konsequent, denn «Gefragt - Gejagt» war schon immer ein schnelles Quiz. Und die mit dem Senderwechsel einhergehende Reduktion der Netto-Sendezeit von 60 auf gut 45 Minuten macht es nur noch schneller. Man hätte damit rechnen können, dass im Zuge dessen die Runden gekürzt werden, die Teams nun nur noch drei statt vier Personen umfassen oder die Schnellraterunde wegfällt. Aber nein.
Gekürzt wird stattdessen bei der Interaktion zwischen Moderator und Kandidaten sowie bei der Wartezeit zwischen dem Einloggen der Antworten und der Auflösung. Das führt dazu, dass innerhalb der Sendung weit über 100 Fragen gespielt werden - beim «Quizduell» waren es in der Regel rund 30, auch «Wer wird Millionär?» schafft in aller Regel nicht bedeutend mehr. Dementsprechend rasant eilt man von einer Frage zur nächsten, während Bommes vor allem bei einer jüngeren Kandidatin vor die Herausforderung gestellt wird, ihren schier grenzenlosen Kommunikationsbedarf mit ihm und dem recht "nerdig" daherkommenden Jäger Sebastian Klussmann im Zaum zu halten. An dieser Stelle merkt man vielleicht am besten, was die Sendung leistet und was eben nicht: Sie ist eine Quiz-Show, in der das Wort Quiz groß und die Show eher klein geschrieben wird. Es geht um die Fragen und die Zelebrierung des Wissens, während die Lebensgeschichten der Kandidaten ebenso in den Hintergrund rücken wie der primär mit dem Vorlesen der Fragen beschäftigte Moderator.
Ein weiterer Punkt, der die Herrschaften von der Marktforschung nervös machen dürfte, ist neben der geringen Interaktion zwischen den Beteiligten auch der Schwierigkeitsgrad der Fragen. Mögen viele auch lösbar sein, so stellen die meisten doch einen gewissen Anspruch an den Rezipienten und Mitquizzer, sogar schon bei der Einführungsrunde. Die Erfolgserlebnisse für den Zuschauer, der zwischen seinem Wocheneinkauf und dem Essen schnell ein wenig mitraten möchte, sind somit eher gering. Nahezu jeder Sofaheld dürfte dem Jäger um Längen unterlegen sein - und den Erfahrungen der Premiere im Ersten sowie den vorherigen Staffeln im NDR nach auch vielen Kandidaten.
Hohes Tempo, viele schwierige Fragen, sehr kluge Kandidaten und kaum Zeit zum Durchatmen - möchte das Massenpublikum so etwas am Vorabend sehen? Für Großbritannien kann man diese Frage mit einem klaren "Ja!" beantworten, denn dort läuft das Original «The Chase» bereits seit fast sechs Jahren regelmäßig am Vorabend. Hierzulande existiert jedoch diese Show- und Quiz-Kultur nicht oder zumindest nicht mehr, die auf der Insel nahezu selbstverständlich ist. Zudem scheint die oftmals arg zur Trägheit neigende Entschleunigungskultur, die das öffentlich-rechtliche Fernsehen dominiert, allem völlig zuwider zu laufen, wofür das neue Format steht. Insofern ist es ein überraschender und löblicher Schritt der Programmverantwortlichen, nach dem temporeduzierten und interaktiven «Quizduell» mit einem Quiz aufzuwarten, das gut und gerne einige nach Ruhe und Entspannung strebende Zuschauer abschrecken dürfte.
Völlig über jeden Kritiker-Zweifel erhaben ist allerdings auch «Gefragt - Gejagt» nicht, was sich vor allem auf die Möglichkeiten des Zuschauers bezieht, Teil der Sendung zu werden. Vor allem in der Finalrunde hat man von zuhause aus kaum eine Möglichkeit, sein eigenes Abschneiden zu überprüfen, da Bommes nicht nur in Windeseile durch die Fragen hetzt, sondern auch nicht oder falsch beantwortete Fragen der Kandidaten schlicht übergangen werden. Das ist ärgerlich und demotivierend, wenn man daheim erst einmal seine eigene Antwort googlen muss, um über deren Richtigkeit aufgeklärt zu werden. Und es ein Makel, der vor einigen Jahren bereits den «Pointless»-Ableger «Null gewinnt» unverdient früh zu Grabe getragen hat: Der Zuschauer konnte seine eigenen Antworten nicht oder nur unvollständig und über die Umwege Videotext und ARD-Website überprüfen. Hier sollten die Macher nachbessern, am besten Show-immanent. Auch kann man sich die Frage stellen, ob es nicht klüger gewesen wäre, zur Premiere erst einmal mit Promis zu agieren, die den konzeptionellen Bruch gegenüber dem «Quizduell» etwas hätten abfedern können. Pilawa jedenfalls war in der Regel mit Promis erfolgreicher.
Alles in allem ist «Gefragt - Gejagt» eine Sendung, die wie ein Fremdkörper im Programm der großen deutschen Sender am Vorabend wirkt. Man kann darin fast schon eine Zelebrierung des Wissens, der intellektuellen Elite, sehen, die dem Zuschauer seine Defizite vor Augen führt. Das Fernsehen ist gerade in der Zeit vor der Primetime in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend den genau gegensätzlichen Weg gegangen - und zelebriert zur gleichen Zeit in diversen Scripted Realitys nicht selten sehr erfolgreich die Banalität und Dummheit anderer Menschen. Der Zuschauer sichert sich nach unten ab, kann sich in seinem Mittelmaß erhaben fühlen und wird mit keiner geistigen Anstrengung konfrontiert, die Frustration und Minderwertigkeitsgefühle auslösen kann. Die Öffentlich-Rechtlichen schlugen bisher selten in diese Kerbe und entschieden sich meist für einen Mittelweg: Es soll möglichst seicht und gedankenlos konsumierbar sein, was da grad in der Flimmerkiste läuft, aber bitte ein gewisses Niveau nicht unterschreiten.
Das «Quizduell» war bereits ein zartes Herantasten an etwas substanziellerer Vorabend-Kost, nun steigert man das Niveau und das Frustrationspotenzial beim Publikum allerdings deutlich. Das kann nach hinten losgehen, wenn sich der Durchschnittszuschauer überfordert und von Eindrücken überlagert fühlt - es kann allerdings auch zum Erfolg führen und vielleicht sogar dafür sorgen, dass Programmplaner künftig ihrem Publikum wieder etwas mehr zutrauen, als bei seichten Krimis, spießigen Comedyserien und vorhersehbaren Soaps nicht gestört zu werden. Insofern: Wer hochklassige, spannende und geistreiche Unterhaltung von internationalem Niveau am Vorabend sehen möchte, sollte die Möglichkeit nutzen, die kommenden 34 Folgen von «Gefragt - Gejagt» zu genießen - so defizitär man sein eigenes Wissen dabei auch empfinden mag.