Zur Person: Jörg Wontorra
Seine Karriere als Sportjournalist startete der 1948 geborene Lübecker beim NDR. Zehn Jahre lang, von 1982 bis 1992, fungierte Wontorra danach als Sportchef von Radio Bremen, ehe ihn die ARD 1984 zusätzlich mit der Moderation der «Sportschau» betraute. 1992 folgte der Wechsel zu Sat.1, wo er den Zuschauern bis 2001 «ran» näherbrachte. Zu Wontorras Aufgaben zählte auch der Kommentar zur Champions League beim Münchner Sender sowie die Moderation der Vermisstensuche «Bitte melde dich!», ehe er am 7. März 2004 den «Doppelpass», damals noch im DSF, übernahm.Die Frage, mit der sich Sport1 dieser Tage wohl intensiv beschäftigt, ist, ob dieser Siegeszug seit 2004 auch maßgeblich von Wontorra abhing und ob das Format durch seinen Abgang Schaden trägt. Fakt ist: Jörg Wontorra verlässt den «Doppelpass» zu seiner quotenstärksten Zeit. Es geht so weit, dass für etliche Fußball-Fans in Deutschland der Griff zur Fernbedienung am Sonntag-Vormittag schon Tradition hat, sogar fest in den Tagesablauf integriert ist, ähnlich wie die «Sportschau» am Tag zuvor. Nun will der in Marbella lebende TV-Veteran am Wochenende mehr Freizeit und Sport1 fand schnell einen Nachfolger für den Mann, der vielleicht so untrennbar zum «Doppelpass» gehört wie kein anderer Moderator zu einem deutschen Talk-Format. Ex-Fußballprofi Thomas Helmer, früher aktiv beim FC Bayern München und Borussia Dortmund, soll die Sendung dauerhaft übernehmen.
Was für den ehemaligen Profi-Sportler spricht: Helmer war als Experte zusammen mit Thomas Strunz bereits häufig Gast im «Doppelpass», zuletzt wechselte er sich mit Wontorra sogar in Bezug auf die Moderation des rund zweistündigen Sonntags-Formats ab. Das «Doppelpass»-Publikum kennt Helmer mittlerweile, vielleicht auch aus anderen Sport1-Formaten. Beispielsweise führt Helmer durch die «Telekom Spieltagsanalyse», «Hattrick» oder teilweise auch durch den «Mobilat Fantalk». Früh nach dem Ende seiner Fußball-Karriere bemühte sich Helmer darum, im Fernsehen Fuß zu fassen. Sat.1 beschäftigte ihn schon im Rahmen der WM 2002 als Reporter, zu den Turnieren 2004 und 2006 berichtete er für das DSF aus dem Lager der Nationalmannschaft, sodass Helmer heutzutage mit Fug und Recht behaupten kann, hauptberuflich als Moderator und Sportjournalist zu arbeiten.
Dennoch bleibt die Frage vorerst unbeantwortet, ob Helmer tatsächlich dazu bereit ist, durch eine TV-Institution wie den «Doppelpass» zu führen. Helmer verdiente seine Sporen im Fernsehen als Fußball-Fachmann, als jemand, der den Sport auch ‚von innen‘ kennt, der selbst lange Teil der Berichterstattungen war und der weiß, wie es in der Kabine und in den Trainings wirklich zugeht. Bei der Moderation des «Doppelpass» ist jedoch deutlich mehr gefragt. Die Sendung aus dem Hilton-Hotel in München ist zu einem großen Teil auch pure Unterhaltung, etwa wenn Wontorra am Anfang der Ausgaben mit den Personen im Publikum interagiert. Oder wenn die Gesprächsrunde zu einer launigen Diskussion, Wortgefechten zwischen Gästen oder in kollektives Gelächter der Anwesenden ausartet. Nicht zuletzt deshalb werden für den «Doppelpass» häufig auch ‚außenstehende‘ Personen wie Oliver Pocher, Matze Knop oder früher auch Edmund Stoiber eingeladen, die zu einem großen Teil nur dazu dienen, den Unterhaltungscharakter der Ausgabe zu stärken. Als ‚die letzte Männderdomäne des Fußballs‘ soll Jörg Wontorras Tochter Laura die Sendung gegenüber ihrem Vater einmal zusammengefasst haben. Die Sendung habe oft Stammtischcharakter, der nicht zuletzt durch die Weißbiere vor den Talk-Gästen gefördert wird.
Diese ganz eigene, in Deutschland einzigartige Sendung, hat Jörg Wontorra über viele Jahre restlos verinnerlicht. Er fungiert, insbesondere nach dem Ausscheiden des zweiten starken Mannes Udo Lattek, als Fixpunkt des Formats, kennt die Gäste noch aus früheren Begegnungen und schafft es ungemein schnell eine fast kumpelhafte Beziehung zu ihnen aufzubauen, die es ihm sehr erleichtert, auch die Themen anzusprechen, die Verantwortliche eines Vereins gegenüber Sportjournalisten in den Interviewzonen des Stadions nur mit einer Handbewegung abschmettern würden. Dem «Doppelpass» verdanken Sport-Fans beispielsweise eine denkwürdige Aussage von Uli Hoeneß, der einmal live in der Sendung beteuerte, Lothar Matthäus hätte beim FC Bayern nicht einmal die Chance auf einen Job als Greenkeeper. Mit Charme durchdringt Wontorra häufig die Komfortzone seiner Gäste und entlockt ihnen dabei Antworten, nach denen sich deutsche Tageszeitungen die Finger lecken würden. Wontorra scheut sich dabei nicht, auch die Anwesenden aufs Korn zu nehmen, früher vor allem Udo Lattek, zuletzt häufig eben auch Thomas Helmer, über den Wontorra im Format sagte: "Es gibt eine Regel: Wenn Thomas Helmer einen Witz macht, dann lachen Sie, auch wenn sich Ihnen der Witz nicht erschließen sollte."
Genau diese flapsige Bemerkung, die als Scherz gemeint war, könnte der Sendung künftig zum Verhängnis werden. Anders als Helmer ist Wontorra auch Entertainer und Showmann, der sich seine Sporen nicht nur in der Sport-Berichterstattung, sondern auch in Unterhaltungsformaten verdiente. Diese Ausbildung geht Helmer noch ab, gerade erhält er erst Übung, beispielsweise mit der Moderation des «Mobilat Fantalks», wo Humor und eine straffe Führung der Gesprächsrunde durch die oft chaotische Kneipenatmosphäre Voraussetzung sind. Noch stimmt das Timing oft nicht oder es fehlt die Bindung zu den Gästen. Vielleicht vereinfachte Wontorra auch seine bloße Reputation in den vergangenen Jahren die Interaktion mit den Anwesenden im «Doppelpass». Entscheidend ist letzten Endes jedoch das Verhältnis zwischen Talent und Übung, das ein «Doppelpass»-Moderator mitbringen muss und ob man sich die Souveränität eines Wontorra, der auch aus einer versehentlichen Weißbierdusche durch eine Bedienung einen Spruch zieht, antrainieren kann.
In einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“ erklärte selbst der "alte Hase" Wontorra kürzlich: "Die größte Herausforderung ist der «Doppelpass»“. Und weiter: „Ich hatte meine eigenen Vorstellungen von der Form dieser Sendung. Ich habe versucht, eine Mischung aus Information und Unterhaltung herzustellen, praktisch eine Infotainment-Show, um den Fußball so auch Leuten näher zu bringen, die nicht ständig daran interessiert sind." Thomas Helmer kann nächste Saison allen beweisen, dass er ‚Wontis‘ Vorstellungen verinnerlicht hat und das Phrasenschwein gut füttern kann. Fest steht: Während der HSV dem Abstieg noch von der Schippe springen kann, geht ein Dino sicher. Der Fernseh-Dino Jörg Wontorra.
Es gibt 5 Kommentare zum Artikel
30.05.2015 13:17 Uhr 1
30.05.2015 14:33 Uhr 2
mehr Qualität verloren immer mehr bla bla und weniger Inhalt und Helmer naja -
nicht so der Brüller
Brückner ist doch Radioreporter bei sport1.fm - der war mit Abstand der Beste -
und liegt vielleicht auch daran, dass so richtige Figuren auch nicht dort auftauchen.
30.05.2015 17:00 Uhr 3
Die Sendungen mit Helmer kamen auch bisher schon immer seriöser daher.
30.05.2015 18:38 Uhr 4
Aber viel ist diese Dauerwerbesendung so und so nicht wert, ich gucke ohnehin lieber "sky90".
30.05.2015 22:52 Uhr 5