Sonntagsfragen

Krachten: ‚Die Verträge bei den Multi-Channel Networks sind viel besser als im Fernsehen‘

von   |  2 Kommentare

Im Interview spricht Mediakraft-Gründer Christoph Krachten über die Kritik an Multi-Channel Networks, die Professionalisierung von YouTube und die Probleme von Fernsehmachern im Netz.

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Ich habe ja vorher bei YouTube eine Talkshow gemacht. Weil ich aber irgendwann so ziemlich jeden Promi interviewt hatte, der für die Zielgruppe relevant ist und der Algorithmus meine Videos nicht mehr so gut gerankt hat, habe ich schon überlegt, was jetzt kommen soll.
Christoph Krachten
Was unterscheidet die Popularität von YouTubern zur Popularität von anderen medialen Personen?
Ganz einfach: Die sind nicht gemacht. Fast alle anderen medialen Figuren werden von einem Management, von Redaktionsstäben oder Plattenfirmen produziert. Das fängt schon mit den Begrifflichkeiten an. Es gibt in den klassischen Medien keine Menschen mehr. Künstler sind keine Menschen, sondern Themen. Und ein Thema wird dann eben auch so gewählt, wie ein Thema in der Zeitschrift. Man schaut, dass das Thema eine bestimmte Zielgruppe erreicht und dafür wird dann ein Image entwickelt. Das ist im Internet nicht der Fall, da sind es noch Menschen. Das macht die Fanbindung unfassbar eng. Wenn sie auf den Videodays die Begeisterung der Fans für ihre „YouTuber“ sehen, das ist toll. Diese Fans hat man sich dann immer auch selbst erarbeitet. Das macht es für das Publikum auch unglaublich spannend. Das weiß dann nämlich auch, dass Jeder es schaffen kann.

Geht aber nicht gerade das durch zunehmende Professionalisierung verloren?
Das ist wie im Fernsehen: Erfolgreich ist das, was authentisch ist. Schauen Sie auf Günther Jauch, auf Stefan Raab. Die sind erfolgreich, weil sie authentisch sind. In dem Moment, wo Professionalität aber unprofessionell wird, da wird es schwierig. Sonst aber bleibt es erfolgreich. Kein Mensch stört sich an gut gemachten Bildern oder einer tollen Kameraperspektive. Aber jeder stört sich daran, wenn totproduziert wird, wenn es fast antiseptisch wird. Das will kein Mensch sehen, weder im Fernsehen noch im Internet.

Sie persönlich betreiben hauptsächlich – neben der Organisation der Videodays – ihren Wissenschaftsblog Clixoom. Ist das auf Dauer ein Nischenthema oder interessiert sich die breite Masse dafür?
Der Kanal hat immerhin knapp eine Millionen Views im Monat, das ist schon begeisternd. Ich habe ja vorher bei YouTube eine Talkshow gemacht. Weil ich aber irgendwann so ziemlich jeden Promi interviewt hatte, der für die Zielgruppe relevant ist und der Algorithmus meine Videos nicht mehr so gut gerankt hat, habe ich schon überlegt, was jetzt kommen soll. In einer Fernseh-Redaktion hätte ich da natürlich was finden müssen, was zum Thema passt. Irgendeine Promishow oder so, keine Ahnung. Das hat mich überhaupt nicht interessiert. Und ich mache jetzt halt was, wofür ich Leidenschaft empfinde. Ich glaube in der Leidenschaft liegt der Schlüssel zum Erfolg.

Haben es Fernsehprofessionelle, wie sie es ja auch sind, im Internet grundsätzlich leichter als Amateure oder sogar eher schwerer?
Die Verträge bei den Multi-Channel Networks sind viel besser als im Fernsehen. Friedrich Küppersbusch hat ja gesagt die Verträge erinnern an die Bodenreform der DDR von 1953. Da würde ich sagen, ein typischer TV-Vertrag ist deutlich schlimmer. Da ist in aller Regel ein Total-Buyout vorgesehen, das kenne ich von keinem Online-Vertrag.
Christoph Krachten
Viel schwerer. Den Profis steht ihr ganzes Know-how eher im Wege. Online-Video ist anders und zu erkennen, an welchen Punkten sich das wirklich diametral unterscheidet, das ist unglaublich schwer. Damals, die von YouTube finanzierten Original-Channels, die gibt es in der Form heute ja nicht mehr. Als ich damals gesagt habe, dass man diese Formate nicht gleichsetzen darf, haben mir die Kanalbetreiber zum Teil gesagt ‚Jaja, du hast schon Recht. Aber wir haben das so gelernt und das machen wir jetzt so.‘ Die haben alle keinen Erfolg gehabt. Es gibt keinen Kanal, der von einer professionellen Produktionsfirma kommt – außer meinem – (lacht), der erfolgreich ist. Ohne mich jetzt selbst loben zu wollen, es ist auch eigentlich kein Lob: Man braucht jemanden, der die Einstellung hat, der dafür lebt. Niemanden, der es als Job macht. Für mich ist das ein Beruf und Beruf kommt von Berufung. Wenn man die Einstellung nicht hat, sollte man mit Webvideos gar nicht erst anfangen.

Sie sind vor einiger Zeit aus dem operativen Geschäft des Multi-Channel Networks Mediakraft ausgestiegen, jetzt nur noch als Teilhaber tätig – liegt die Zukunft dennoch in solchen Netzwerken?
Diese Multi-Channel Networks, egal ob sie Mediakraft, Tubeone, Divimove oder sonst wie heißen, haben unglaublich dazu beigetragen, dass sich dieses Ökosystem auf YouTube und Facebook entwickelt hat. Aber natürlich hat man dann erwartet, dass die TKPs, also die Werbeeinnahmen, steigen. Das ist nicht passiert, sie sinken sogar noch. Das ist ein Problem für die Branche und wenn da nicht auch YouTube irgendwann mal die Grenzen zieht und Mechanismen einbaut, die dazu führen, dass die Einnahmen für professionelle Produzenten steigen, dann wird es schwierig. Ansonsten halte ich das aber für ein sehr sehr sehr interessantes Geschäftsmodell, denn Bewegtbild wird in Zukunft On Demand geguckt. Nicht nur auf YouTube, auch bei Watchever, Netflix oder in Mediatheken. Aber YouTube ist da schon ein enorm wichtiger Player. Und über kurz oder lang, Privatfernsehen war ja auch nicht immer rentabel, wird da schon genug Geld fließen.

Was sagen sie denn zu Vorwürfen, die es von den Künstlern gab? Gab es da wirklich Knebelverträge der Networks mit Künstlern oder sieht das im TV-Bereich auch nicht besser aus?
Die Verträge bei den Multi-Channel Networks sind viel besser als im Fernsehen. Friedrich Küppersbusch hat ja gesagt die Verträge erinnern an die Bodenreform der DDR von 1953. Da würde ich sagen, ein typischer TV-Vertrag ist deutlich schlimmer. Da ist in aller Regel ein Total-Buyout vorgesehen, das kenne ich von keinem Online-Vertrag. Und glauben sie mir: Ich kenne die Mediakraft-Verträge, das sind alles Laufzeitverträge und die Künstler erhalten die Rechte an allem, was sie geschaffen haben, am Ende der Laufzeit zurück und das Urheberrecht geben sie gar nicht ab. Ja, was soll denn ein Network noch mehr tun? Ohne Laufzeit brauche ich auch keinen Vertrag zu machen. Was natürlich der Fall ist: Die Branche konsolidiert sich im Moment. Bei den Schallplattenfirmen war das genauso: Prince hat damals geglaubt, er braucht das Label nicht mehr und hat es verlassen. Der ist dann auch irgendwann zurück zur Plattenfirma, weil es nicht so geklappt hat. Die MCNs nehmen dem Künstler ja auch eine Menge ab, natürlich wollen die dann auch am Erfolg beteiligt werden, sonst braucht man ja keinen Künstler aufzubauen. Am Anfang steckt man mehr rein, am Ende teilt man sich den Ertrag. Aber klar kann ein Künstler mit einem ordentlich zu Ende geführten Vertrag sagen, jetzt versuche ich es auf eigene Faust.

Herr Krachten, vielen Dank für das Gespräch.

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Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
QUEERmdb
29.05.2015 16:32 Uhr 1
Die wichtigste Frage kommt so zahnlos rüber, dass die Wischiwaschiantwort vorprogrammiert war. Nicht nur die Verträge standen in der Kritik, sondern auch, was MK für seine Künstler tut, und da sagen viele Ehemaligen: GAR NICHTS. Warum wird da nicht nachgehakt? So hat das ganze Interview soviel Informationsgehalt wie ein Porno.
Frederic
01.06.2015 01:40 Uhr 2
Als Interviewer nehme ich diese Kritik gerne auf, muss aber dazu sagen, dass ich mich ganz bewusst dagegen entschieden habe, die Frage zu stellen, ob es Unterstützung gab. Der Grund ist ganz simpel: Personen aus dem Umfeld von Mediakraft antworteten darauf ohnehin stets, dass es sehr wohl genügend Unterstützung gebe und nennen dazu jeweils einige Beispiele. Da ich selbst nicht in den entsprechenden Gesprächen (also jenen zwischen Mediakraft und Künstlern) vor Ort war und YouTuber mir dazu auch keine Auskunft geben können/dürfen/wollen, gäbe es für mich an der Stelle keine Möglichkeit zu widersprechen, hier stünde einfach die Aussage der YouTuber gegen die Aussage des Networks. Wo hier nun der Informationsgehalt liegt ist für mich fragwürdig, so aber hätte es nur eine Plattform gegeben, auf der erneut gesagt werden kann, dass es Unterstützung gibt.



In der Frage der Verträge hingegen steckt aus meiner Sicht durchaus Informationsgehalt, hier wird schon gesagt, was darin vorgesehen ist. Denn wenn die Verträge wirklich so aussehen, wie es Christoph Krachten sagt, dann sind das zunächst wirklich gute Bedingungen, von Fernsehleute in mancher Hinsicht träumen.



Die Frage warum Künstler sich nicht genügend unterstützt fühlen, obwohl es nach Aussage von Mediakraft ja Unterstützung gibt, hätte man durchaus noch stellen können. Das hatte ich (im Gegenzug zur Frage, ob es überhaupt Unterstützung gibt) auch geplant. Sie wird aber aus meiner Sicht bereits implizit beantwortet: Christoph Krachten sagt doch quasi, dass nicht alles was Bock macht auch wirtschaftlich sinnvoll ist. So jedenfalls habe ich seine Aussagen verstanden. Wenn Sie das anders sehen, bin ich gerne bereit darüber zu diskutieren.



Insofern aber war es aus meiner Sicht nicht notwendig nachzuhaken, denn natürlich ist das eher die "härtere", wirtschaftlichere Sicht. Das aber muss meiner Meinung nach doch jeder selbst erkennen, ich als Interviewer muss das nicht betonen. Wie gesagt: Alles meine Sicht, lässt sich sicher diskutieren.
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