Sonntagsfragen

Good Times-Geschäftsführerin Fahrenkrog-Petersen: „Nur, wenn Du John de Mol heißt, kannst Du alles verkaufen!“

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Im Exklusiv-Interview verrät sie, warum sie wohl schon in Rente wäre, ehe sie etwas an Frank Beckmann (NDR/Das Erste) verkauft, wieso John de Mol ein super Geschäftsmann ist und welches Primetime-Format Good Times für RTL II vorbereitet.

Zur Person: Sylvia Fahrenkrog-Petersen

Seit 1998 ist Sylvia Fahrenkrog-Petersen die Geschäftsführerin und leitende Produzentin bei der Good Times Fernsehproduktions-GmbH. Nach dem Kommunikations-Studium an der Hochschule der Künste in Berlin arbeitete die heutige «Trödeltuppp»-Macherin zunächst bei «Ilona Christen» und «Fliege» (1993 – 1997) sowie bei «Schreinemakers Live» (Sat.1 von 1994-1996). Später war die Good-Times-Gründerin mehrere Jahre RTL-Redaktionsleiterin von «Mein Morgen» sowie Casting Executive bei RTL und ProSieben. Im Jahr 2000 wurde der Firmensitz von Berlin in die TV-Metropole Köln verlegt.
Sylvia Fahrenkrog-Petersen, im nächsten Jahr wird „Good Times“ volljährig – Ihre Bilanz?
Ich finde, die Firma hat sich unglaublich entwickelt. Wir haben lange darunter gelitten, dass wir zu den kleineren Firmen gehörten, die oft nur als Subproduzent gearbeitet haben oder für Containerformate zusammen mit mehreren Produzenten. Ich bin Axel Kühn bis heute dankbar, dass er uns bei RTL II mit dem «Trödeltrupp» vor sieben Jahren die Chance gegeben hat, mal etwas länger Laufendes, Eigenes als Produktionsfirma auf den Schirm zu bringen. Es hat für uns eine rasante Entwicklung genommen, die einem manchmal sogar Angst macht. Es sind mittlerweile wahnsinnig viele Mitarbeiter, das Rad wird immer größer. Wir haben momentan 132 Mitarbeiter – da denkt man manchmal schon: Hups, das ist jetzt schon sehr groß (lacht).

Der TV-Trend der „Punkte-Tafel-Bewertungen“ ist auch in Ihren Formaten häufig wiederzufinden. NDR-Programmdirektor Frank Beckmann kritisierte bei uns die Klagen über Ideenlosigkeit der TV-Branche. Können Sie das nachvollziehen?
Naja, Du überträgst die Systematik von einem erfolgreichen Format auf andere Formate. Das ist ganz normal. Man muss auch sagen, dass die deutschen Programmentscheider nicht an die deutschen
Man muss auch sagen, dass die deutschen Programmentscheider nicht an die deutschen Formatideen glauben! Ich habe beispielsweise «Mein Lokal, Dein Lokal» fünf Jahre lang angeboten.
Good Times-Chefin Sylvia Fahrenkrog-Petersen über Frank Beckmann, Vorabendkoordinator des Ersten und NDR-Programmdirektor
Formatideen glauben! Ich habe beispielsweise «Mein Lokal, Dein Lokal» fünf Jahre lang angeboten. Erst als die gesehen haben, dass diese Systematik mit der Punkte-Vergabe beim Zuschauer funktioniert und im Ausland gut läuft – nämlich bei der englischen Variante von «Mein himmlisches Hotel» («Three in a Bed») – erst dann haben die daran geglaubt! Angeboten habe ich das schon viel früher. Aber die Deutschen glauben nicht an ihre deutschen Produzenten! Wenn Du hierzulande eine eigene Idee hast, kommst Du nicht weiter. Nur, wenn Du John de Mol heißt, kannst Du alles verkaufen. So sieht´s aus! Das gilt insbesondere für die ARD und den NDR mit Frank Beckmann. Da redet erst gar keiner mit Dir! Beim NDR haben wir drei oder vier Monate um ein Format gepitcht. Wir waren da drei, vier Mal. Allein diese Vorgespräch-Phase ging über ein halbes Jahr. Das Konzept haben wir so häufig umgeschrieben, da könnten wir schon ein Buch darüber schreiben. Dann sagen die Abteilungsleiter dort völlig ohne Begründung: Och nee, doch nicht! Und die Idee ist tot, ohne dass Beckmann oder die „PEI“ – deren Entwicklungsgremium, die jedes angedachte Format bewerten – diese je zu Gesicht bekommen haben. Bei dem Tempo bin ich in Rente, wenn unsere Ideen beim Beckmann aufschlagen! (lacht)

Da schwingt eine Prise Frust mit… Sicherlich ist es als mittelständisches Unternehmen schwieriger sich gegen noch größere Produzentenhäuser zu behaupten – wie auch zuletzt durch Produzenten-Fusionen in der Branche?
Ja, das ist so. Wir haben aber das Glück, dass wir den «Trödeltrupp» und «Mein Lokal, Dein Lokal» haben. RTL II schätzt uns extrem. Das heißt, wir haben da eine offene Tür, das ist ganz toll. Da haben wir ja auch mehrere Formate. Bei kabel eins ist das auch so. In der Daytime sieht es für uns bei ProSieben auch gut aus. Aber für kleinere Produzenten ist es im Primetime-Bereich bei den großen Sendern wie der ARD, Sat.1, ProSieben oder auch RTL sehr schwierig. Die fragen dann immer: Könnt Ihr das überhaupt? – Wir machen mit dem «Trödeltrupp» ein Format, das aus dem Stand acht bis neun Prozent um 20.15 Uhr holt! Dabei kostet es ein Zehntel von dem, was RTL für drei Prozent mehr Marktanteil sonst macht. Das muss man erst mal schaffen! Dann uns zu fragen, ob wir das können, halte ich persönlich schon fast für dekreditierend! Denn natürlich können wir das! Wenn wir für unsere Produktionen das Geld hätten, das RTL für Produktionen wie «Mamma Mia» oder ähnliches ausgibt, dann würden wir nochmal eine ganz andere Show daraus machen. Trotzdem bleiben wir auch bei den großen Sendern weiter hartnäckig. Wir sehen das eher als Ansporn. Wir haben Gott sei Dank kein Auftragsloch. Das läuft für uns super mit zwei Dailys im Rücken als unabhängiger Produzent. Wir müssen keine Aktionäre ruhig stimmen. Aber es bleibt extrem schwierig.

Wie sehen Sie als Produzentin eigentlich die Entwicklung bei den Kollegen von Talpa und «Newtopia»?
Wenn ich sehe, was «Newtopia» für ein riesen Budget hat, da könnte ich die gesamte Daytime von kabel eins wahrscheinlich für ein ganzes Jahr rauf und runter bestücken.
Good Times-Chefin Sylvia Fahrenkrog-Petersen über «Newtopia»
Wenn ich sehe, was «Newtopia» für ein Riesenbudget hat, da könnte ich die gesamte Daytime von kabel eins wahrscheinlich für ein ganzes Jahr rauf und runter bestücken! Ich bewundere John de Mol, denn das muss man mit Talpa erst mal schaffen. Der ist ein großer Fernsehmacher, keine Frage! Er hat Trends gesetzt und Formate geprägt, das ist schon super. Aber man sieht auch, dass er ein super Geschäftsmann ist. Der hat Talpa genau im richtigen Moment verkauft und hat richtig abgesahnt. Hätte der das nach den letzten Entwicklungen bei «Newtopia» etwas später verkauft, dann wüsste man nicht mehr, ob die Aktien dafür so gut stehen.

Zurück zu „Good Times“: Wie viele Haushalte gibt es in Deutschland eigentlich noch zum Ausmisten?
John de Mol hat Trends gesetzt und Formate geprägt, das ist schon super. Aber man sieht auch, dass er ein super Geschäftsmann ist.
Good Times-Chefin Sylvia Fahrenkrog-Petersen
Unendlich viele! (lacht) Wir kriegen jeden Tag 30 bis 50 Bewerbungen. Wir haben 1.500 Fälle „on-hold“, die wir alle so schnell gar nicht bearbeiten können. Die Geschichten gehen uns also nicht aus. Wir machen das jetzt seit sieben Jahren und ich habe am Anfang auch gedacht: Die Geschichten sind doch irgendwann alle gleich. Aber nein! Wenn wir uns hier im Team die Casts anschauen, sehen wir, dass uns die Geschichten nicht ausgehen und alle anders sind.

Warum funktioniert «Der Trödeltrupp» so gut beim Zuschauer?
Ich glaube, unser Format funktioniert in erster Linie so gut, weil wir echt sind. Unsere Geschäfte da sind echt, unsere Experten haben alle das Fachwissen, die kommen aus den Bereichen. Die Geschichten sind alle echt, das macht den Erfolg aus. «Der Trödeltrupp» ist ein Format, das wirklich jeden betrifft: Jeder hat Eltern oder eine Oma, jeder hat Bekannte, die irgendetwas sammeln. Die jungen Leute stehen immer vor den Problemen, die ihnen die Alten hinterlassen haben. Am Anfang haben uns alle gesagt, «Der Trödeltrupp» sei so ein altes Format für alte Leute. Genau das ist es nicht! Denn die jungen Leute müssen sich mit dem Krempel rumschlagen, nicht die Alten. Die Alten sitzen ja meistens in ihren Wohnungen, die sie verlassen müssen oder wenn sie sterben. Die waren bis dahin ja ganz zufrieden mit den ganzen Sachen, die die Wohnung vollstopfen. Aber wenn sich dann etwas an deren Lebenssituation verändert, müssen sich die jungen Menschen damit auseinandersetzen. Das ist ein reales Problem. Die meisten Zuschauer, die dieses Problem jetzt vielleicht noch nicht haben, gucken das auch, weil sie eben schauen, was wäre eigentlich, wenn sie selbst mal in diese Situation kommen.

Ihr Team arbeitet derzeit an einem neuen Format, das sich mit dem Thema Arbeiten in Deutschland beschäftigt – «Wallraff» lässt grüßen?
Das Format ist aber nicht so wie bei Günther Wallraff – wir haben auch unverpixelte Menschen.
Good Times-Chefin Sylvia Fahrenkrog-Petersen über eine neue RTL II-Primetimeshow
(lacht) Ja, ein sehr ambitioniertes Format für die Primetime bei RTL II. Lohnt sich arbeiten in Deutschland überhaupt noch? Es wird um Hartz IV-Empfänger gehen, aber auch um die Angestellten in Deutschland. Das Format ist aber nicht so wie bei Günther Wallraff – wir haben auch unverpixelte Menschen (lacht). Wir sind nicht an den Jobcentern dran, sondern an den Menschen, die davon betroffen sind. Das ist der Hauptunterschied zu Wallraff. Wir begleiten Menschen in ihrem Alltag. Was sind die Hürden? Was kommt auf die zu? Der Mindestlohn spielt da auch eine aktuelle Rolle. Wir finden glücklicherweise noch Menschen, die ganz offen über Gehälter und Lohn vor der Kamera sprechen – und wie man damit über die Runden kommt. Das ist gut, dass wir da eben nicht diese Schattenwand haben oder immer verpixeln müssen.

Die mittlerweile weit verbreiteten „Punkte-Tafeln“ vom «Perfekten Dinner» sind auch bei Ihrem «Mein Lokal, Dein Lokal» zu finden. Haben Sie keine Bedenken, dass sich die Zuschauer an diesem Bewertungselement irgendwann satt sehen?
Es ist sicherlich ein Trend und das kann passieren, klar. Das ist wie bei allen Trends, sei es damals die Talkshows oder der Trend der Gerichtsshows. Es wird irgendwann wieder andere Erzählformen geben. Aber jetzt ist es für den Zuschauer ein gelerntes System. Die Leute wissen genau, wie das abläuft und dann funktioniert es. Natürlich wird sich das irgendwann abnutzen wie zuletzt bei den Scripted-Realitys mit den Polizei-Streifen, die sich irgendwann auch keiner mehr ansieht. Ich bin gespannt, wie lange das dauert. Manchmal dauert es fünf, manchmal acht, manchmal zehn Jahre und dann ist es vorbei.

Apropos Punkte-Tafeln: Bei Ihrem neuen RTL II-Format «Family Queen» wird man das auch wiederfinden?
(lacht) Ja, das ist schon ein ähnliches Spielsystem. Aber ähnlich wie beim «Trödeltrupp» ist das Alltäglichste mit im Spiel, das jeder kennt: Jeder hat eine Mutter und jede Mutter im Bekanntenkreis hält ihren eigenen Erziehungsstil und ihre Haushaltsführung für die Besten überhaupt. Das passiert jeden Tag auf der Welt: Mütter reden über die Erziehungsmethoden und Haushaltsführungen anderer Mütter - und wir bringen es auf den Bildschirm. Das ist echt spannend. Denn wie zum Beispiel auch bei «Mein Lokal, Dein Lokal» ist das für die Protagonisten ein ganz essentielles Thema. Es geht schließlich um die eigene Familie - da kann man sich vorstellen, wie sehr die Mütter kämpfen (lacht).

Vielen Dank für das Gespräch, Sylvia Fahrenkrog-Petersen!

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