«TV total» vs. «Harald Schmidt Show»
Schmidt startete seine Late-Night zwar schon im Jahr 1995, kommt aufgrund einer achtjährigen Pause und der Einstellung des Formats 2014 allerdings "nur" auf eine etwa elfjährige TV-Geschichte. Raab läuft seit 1999 durchgängig, seit Februar 2001 regelmäßig viermal die Woche.Der Dauerbrenner: «TV total»
Oft genug wurde der Qualitätsverlust der viermal wöchentlich ausgestrahlten Show bemängelt, die überschaubare Inspiration, mit der Raab seinen Stand-Up oftmals runterspult, das fehlende Interesse an zumeist nur zu Promo-Zwecken auftretenden Gästen. Bestreiten mag man diese Kritikpunkte allesamt nicht, gleichwohl sei jedoch darauf verwiesen, dass «TV total» für ProSieben von großer Bedeutung ist. Kein anderer großer deutscher Fernsehsender kann auf eine ähnlich große Konstanz im Spätabendprogramm verweisen, die darüber hinaus auch noch regelmäßig mit soliden bis guten Einschaltquoten einhergeht. In der aktuellen TV-Saison hatte man sogar mehrfach die 15-Prozent-Marke beim werberelevanten Publikum überboten - bis zu 16,5 Prozent wurden erreicht.
Gewiss kann man an dieser Stelle anfügen, dass auf der anderen Seite diverse Folgen unterhalb des Senderschnitts rangierten und die Einschaltquoten schon seit Jahren nicht mehr den Status der Alternativlosigkeit rechtfertigen. Doch andererseits zeigte die Formkurve zum einen in letzter Zeit wieder eher nach oben und andererseits dürften die Programmverantwortlichen schon glücklich damit sein, einen festen und verlässlichen Anker im Aufgebot zu haben, der jede Woche vier Stunden Sendezeit füllt. Oft genug musste - oder wollte - ProSieben am Abend auf weitere Wiederholungen seiner Hit-Sitcoms zurückgreifen, weil ein Neustart gefloppt ist, man neue Formate nicht gegen eine zu harte Konkurrenz verheizen wollte oder man völlig unvorbereitet mit dem Umstand konfrontiert wurde, dass da ja noch so fünf bis zehn Programmplätze zu füllen sind. Fiele «TV total» weg, gäbe es eine neue Baustelle - gut möglich, dass «The Big Bang Theory» und Co. auch hier einmal mehr ins Rennen geschickt würden.
Darüber hinaus dient seine tägliche Sendung auch dazu, die noch immer zahlreichen Primetime-Events zu bewerben. Nicht selten kam es in den vergangenen Jahren vor, dass sich das Team nicht zu schade war, gleich mehrere Einspieler zu zeigen, die den Zuschauer in erster Linie dazu animieren sollten, sich wahlweise Tickets zu sichern oder den betreffenden Ausstrahlungstermin zumindest für den eigenen Fernsehkonsum vorzumerken. Das nervt den Fan, der neben den Werbepausen auch noch üppige showimmanente Eigenwerbung über sich ergehen lassen muss, ist für Raab und ProSieben allerdings eine exzellente Möglichkeit zur Gewinn- und Quotenmaximierung. Beide Parteien profitieren also von der Weiterführung der Ausstrahlung - die Frage ist nur, ob die von vielen Zuschauern empfundene Lustlosigkeit auch Raab selbst in ausreichendem Maße bewegt, dass er sich künftig nicht mehr auf die Routine «TV total» einlassen möchte. Beim Sender dürfte dieses Szenario auf wenig Gegenliebe stoßen, zumal «Circus HalliGalli» meist schon in wöchentlicher Ausstrahlung schwächere Quoten generiert. Und ansonsten ist weit und breit kein adäquater Ersatz in Sicht.
Der Jahrhundert-Coup: «Schlag den Raab»
So sehr den Fan die Lethargie auch enttäuschen mag, die sich bei «TV total» in den vergangenen Jahren breit gemacht hat, so sehr wird er durch Raabs Auftreten in «Schlag den Raab» entschädigt. Seit neun Jahren schon ist die XXL-Sendung mit das erfolgreichste Show-Format, das im Privatfernsehen noch seinen Platz findet - und von Abnutzungserscheinungen kann keine Rede sein. Die fünf Ausgaben in der abgelaufenen TV-Saison erreichten zwischen 21,5 und 22,9 Prozent des werberelevanten Publikums, die durchschnittliche Zuschauerzahl lag bei knapp drei Millionen - was angesichts der oft bis weit nach Mitternacht reichenden Sendezeit eine Menge ist. Und so sehr der Protagonist auch durch sein Gequengel im Falle eines Misserfolgs oder seine dauernden Nachfragen nerven mag: In jeder Ausgabe ist er mit vollem Herzen dabei.
Diese offenkundige Freude, der große Einfallsreichtum der Entwickler und diese im deutschen Fernsehen einmalige Eigendynamik, die ein spannender «Schlag den Raab»-Abend im Bestfall annehmen kann, macht die Sendung zu einem wahrhaftigen TV-Event im besten Sinne dieses Wortes - vor allem für das jüngere Publikum. Dementsprechend ist es nur allzu nachvollziehbar, dass im Zuge der aktuellen Spekulationen über Raab kaum um «TV total» gebangt wird, sondern viel mehr um dieses Meisterstück der Samstagabend-Unterhaltung. Um einen neuen Moderator wird man sich in jedem Fall bemühen müssen, schließlich wechselt nach Matthias Opdenhövel auch Steven Gätjen zu den Öffentlich-Rechtlichen. Doch da der Star der Sendung ohnehin viel eher Raab als der meist im Hintergrund agierende Moderator ist, sollte dies kein unüberwindbares Hindernis sein.
Seit 2009 gibt es darüber hinaus auch den Ableger «Schlag den Star», der zuletzt und auch in diesem Jahr wieder zur Überbrückung der Sommerpause dient. An die Klasse des Originals reicht diese Sendung weder aus Sicht der Einschaltquoten noch inhaltlich heran, doch je nach Verlauf der Duelle kann sich auch hierbei ein unterhaltsamer Abend entwickeln. Im vergangenen Jahr hatte man sich erstmals an dem Konzept versucht, gleich zwei Prominente gegeneinander antreten zu lassen, statt wie zuvor einen Promi und einen normalen Kandidaten - mit großem Erfolg: zwischen 15,1 und 19,2 Prozent der 14- bis 49-Jährigen sahen die vier produzierten Folgen, sodass man dieses Konzept zunächst einmal beibehält. Für «Schlag den Raab» bleibt jedoch zu hoffen, dass man sich dort diesem Promi-Trend nicht anpasst - immerhin lebt die Show von dem Aufeinandertreffen Davids und Goliats, bei dem im Bestfall ein totaler Normalo auf einem Schlag zum Millionär wird.
Die Dauerbrenner: Stock Car, Wok-WM und Turmspringen
Von gefeierten Innovationen hin zur jährlichen Routine haben sich einige «TV total»-Events entwickelt. Die Mutter all dessen ist die «Wok-Weltmeisterschaft», aber auch die «Stock Car Crash Challenge» und das «Turmspringen» sind zu festen Instanzen des ProSieben-Showangebots geworden. Eben jene Routine und Überraschungsarmut, die sich in den vergangenen Jahren zunehmend breit gemacht hat, beweinen viele Fans - allzu negative Auswirkungen hat dies allerdings nicht auf die Einschaltquoten. Die Wok-WM kam 2011 auf einen historischen Tiefstand von nur noch 12,7 Prozent des werberelevanten Publikums, um im Jahr darauf allerdings einen überraschenden Satz auf 17,1 Prozent zu machen. Die beiden jüngsten Ausgaben liefen mit 13,9 und 14,1 Prozent durchgehend zufriedenstellend, die Zuschauerzahlen lagen zuletzt meist bei gut zwei Millionen.
Ähnlich sieht es für die «Stock Car Crash Challenge» aus, wenngleich dort zuletzt ein Abwärtstrend nicht mehr von der Hand zu weisen war: In den vergangenen Jahren wurden nur noch 12,9 und 13,7 Prozent der Zielgruppe generiert, zwischen 2010 und 2012 waren noch Werte von 15 bis 18 Prozent möglich, vor sechs Jahren wurden letztmals gar mehr als 20 Prozent erzielt. Angesichts dieser Abwärtsspirale scheint es also durchaus möglich, dass sich die üppige Live-Show in Bälde nicht mehr lohnen wird. Erstaunlicherweise läuft das oftmals als recht zäh und stark professionalisiert wahrgenommene «Turmspringen» inzwischen sogar am besten, im vergangenen November wurden erst tolle 16,3 Prozent Zielgruppen-Marktanteil verzeichnet, auch in den Jahren zuvor wurden stets mindestens 14,7 Prozent generiert.
Angesichts dieser Zahlen ist es nur allzu verständlich, dass die Veranstaltungen in jedem Jahr wieder neu aufgelegt werden, denn immerhin sind sie Garanten für Erfolge am in der Breite wenig stark aufgestellten Show-Abend am Samstag. Bis auf die Raab-Shows ist einzig «Joko gegen Klaas» regelmäßig für richtig überzeugende Einschaltquoten zu haben, nachdem «Himmel oder Hölle» nach einem starken Auftakt schon im zweiten Anlauf böse gefloppt ist. Wo RTL etliche Wochen des Jahres mit seinen Bohlen-Castings erfolgreich füllen kann, hat ProSieben keine Sendungen im Repertoire, die in regelmäßigen Ausstrahlungen funktionieren - deshalb haben Events wie Turmspringen, Wok-WM und Co. eine elementare Bedeutung im Wettbewerb mit den Kölnern.
Die Gelegenheits-Erfolge: Autoball und Eisfußball
Nicht alle Raab-Events werden jährlich ausgetragen. Neben einigen vergessenen Ideen wie dem Springreiten oder dem Parallelslalom gibt es auch Veranstaltungen, die zwar bis heute noch sehr lebendig sind, aber aufgrund ihrer geringeren Ausstrahlungsfrequenz nicht allzu großen Abnutzungserscheinungen unterliegen. In diesem Zuge sei vor allem auf die «Autoball»-EMs und -WMs verwiesen, die seit 2008 alle zwei Jahre vor dem Start des jeweiligen Fußballturniers gesendet werden. Den größten Erfolg verbuchte die WM 2010 mit beeindruckenden 2,71 Millionen Zuschauern und 25,1 Prozent Zielgruppen-Marktanteil. Doch auch die beiden Europameisterschaften zuvor und danach liefen mit 17,9 bzw. 17,8 Prozent mehr als überzeugend. Erst 2014 lief es mit 15,5 Prozent nicht mehr ganz so stark.
Zu einem überraschenden Comeback kam derweil der «Eisfußball Pokal» im Mai dieses Jahres, nachdem er zuvor ein einziges Mal im Jahr 2009 gezeigt wurde. An die tollen 18,1 Prozent des Erstlings konnte man mit 14,3 Prozent zwar nicht anknüpfen, klar über dem Senderschnitt rangierte man beinahe standesgemäß allerdings trotzdem - auch beim Gesamtpublikum, wo die einmal mehr bis weit nach Mitternacht reichende Sendung 7,6 Prozent bei 1,70 Millionen verbuchte. Prinzipiell erscheint diese Form des "Event-Recyclings" ohnehin attraktiv, um für mehr Abwechslung und eine größere Bandbreite an Shows zu sorgen.
Im zweiten Teil der großen Raab-Bilanz blicken wir dann am Sonntag unter anderem auf die außergewöhnliche Kooperation von ARD und ProSieben im Rahmen des «Eurovision Song Contest» und benennen Flops und Enttäuschungen der vergangenen Jahre.
Es gibt 11 Kommentare zum Artikel
04.06.2015 18:46 Uhr 1
04.06.2015 19:03 Uhr 2
Zu der jetzigen Entwicklung kann ich nix sagen.
05.06.2015 13:11 Uhr 3
Zu Raabs Charakter und Vita passt es eigentlich gar nicht, die nun seit vielen Jahren eingespielten und mittlerweile stark abgenutzten TV-Formate immer weiter abzuspulen. Man hätte vom ihm eigentlich schon vor Jahren was erwartet. Gut, mit dem Grand Prix und der Musik hatte er eine lange Zeit ein weiteres Betätigungsfeld, das scheint mir in den letzten Jahren aber ziemlich brach zu liegen.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass er bald mal einige Zeit von der Bildfläche verschwindet und dann mit was ganz anderem und vermutlich auch auf einem anderen Sender wieder auftaucht.
05.06.2015 16:09 Uhr 4
Wieso ist es Raabs Versäumnis keinen Nachfolger gesucht zu haben? In der Pflicht steht doch wohl viel eher Pro 7.
05.06.2015 18:45 Uhr 5
Danke cooky :!:
06.06.2015 16:20 Uhr 6
Vielleicht, weil er Gesellschafter von Brainpool ist und große Anteile an der Tochterfirma Raab TV hält? Dem strömt es doch aus jeder Pore, dass ihm TV Total keinen Spaß mehr macht. Mit einem Nachfolger könnte er sich auf Neues konzentrieren. Und die Mitarbeiter bei TV Total hätten weiter einen sicheren Job.
06.06.2015 16:35 Uhr 7
TV Total ist ein Format das Raab begründet hat und das ausschließlich mit ihm verbunden wird, da kannst du nicht einfach einen anderen Moderator oder Entertainer platzieren. Da braucht es schon ein eigenständiges Format. Und auch dort ist Brainpool ja engagiert.
Das Raab seit längerem keine wirklliche Freude mehr an TV Total hat sehe ich genauso, allerdings scheint das mittlerweile auch bei manchen Events der Fall zu sein. Bei TV Total hat er kaum noch Freude, wobei es manchmal auch Ausnahmen gibt. Allgemein aber spult er das völlig unambitioniert, lustlos, statisch runter. An seinen Gästen zeigt er zudem selten Interesse, wobei dies ansich nicht neu ist.
06.06.2015 17:35 Uhr 8
Ich sehe das aus einer anderen Perspektive. Raab ist unantastbar. Da würde sich niemand trauen den Vorschlag eines Nachfolgers in den Raum zu stellen. Das kann nur von ihm selbst kommen.
Und mit TV Total hat man eine etablierte Marke, die vom Konzept her kaum Konkurrenz in
Deutschland hat, weil es sonst keinen mehrtägigen klassischen Late Night Talk mehr gibt. Da jemanden aufzubauen würde sicherlich eine geraume Zeit dauern. Dazu müsste man etwas Geld in die Hand nehmen und unverbrauchte, talentierte Leute als "Außenreporter" und regelmäßige Dialogpartner für Raab im Studio anstellen. Mit etwas Glück wäre dann da der Richtige dabei.
Man könnte es natürlich auch einfach einstampfen und was Neues machen. Aber ob das einfacher oder erfolgsversprechender ist?
06.06.2015 23:03 Uhr 9
Will ich ihm auch gar nicht so sehr vorwerfen, dass er dort die Meinung geändert hat, die fehlende Motivation kann man ihm allerdings vorwerfen.
Die Frage ist ja wieso sollte sich jetzt plötzlich was tun? Das ist ja keine neue Entwicklung, das geht seit jahren so. Interesse an den Gästen hatte er ja nie, wenn es dann trotzdem unterhaltsam wäre wäre das ja auch das kleinste Problem. Gerne mal etwas krawalliger als diese Jimmy Fallon Scheiße.
Und gucken tun es Leute immernoch. Zum Einschalfen finde ich es niht schlecht und er profitiert sich von keiner Konkurrenz. Aber was da im Standup teilweise geboten wird ist absolut peinlich. Da bin ich mir sicher, dass man dort lustigere Autoren finden konnte ohne es überhaupt anspruchsvoller zu machen, wenn das die Angst sein sollte.
So ein Late Night Standup ist in Zeiten von Social Media in denen natürlich hundert tausende Witze über aktuelle Themen machen natürlich generell schwierig, aber TV Total ist nur unterirdisch.
Teilweise verstehe ich aber auch da Publikum dort nicht. Bei Gastcomedians wird kaum gelacht, manche sind natürlich noch beschissener als der TV Total Standup, aber auch bekannte Namen, die Hallen füllen und Leute zum lachen bringen zünden dort eigentlich nie. Und häufig sind die Humorfarben auch gar nicht so anders als Raab selbst.
07.06.2015 02:21 Uhr 10
Bei TvTotal fehlt einfach diese Raab-eifer den er früher hatte, um dahin zu gelangen wo er heute ist. Aber warum sollte er sich diese Mühe auch machen? Ich meine, das Geld bleibt so oder so gleich, bekannter werden kann er nicht mehr und die Einschaltquoten passen auch.
Ich denke wenn TvTotal ausstirbt, wird es nichts und niemanden geben der Raab dort beerben kann. Selbst Circus Haligali holt mit wöchentlicher Ausstrahlung und hundertmal höherem Budget pro Folge schlechtere Einschaltquoten... Luke Mockrige hat seine Show wohl auch schon an die Wand gefahren.. Wer sollte Raabs Position übernehmen können?
Fakt ist: Raab ist für Pro7 unverzichtbar. Auch wenn seine Events "nur" 15% Marktanteil haben, ist das trotzdem ein unglaublicher Erfolg. Man muss mal bedenken, dass eine Sendung 4-5 Stunden geht wovon gefühlt 3 Stunden Werbung kommt.. Das Kann Pro7 mit Filmen oder Sitcoms nicht ersetzen. Selbiges gilt für die Konstante TvTotal.