Hingeschaut

«World Club Dome»: Die Rückkehr der Festivals ins Privatfernsehen?

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RTL II wagte sich am Sonntagabend daran, gleich drei Stunden seines Primetime-Programms mit einer Musik-Veranstaltung zu füllen. Die Musikauswahl war gewöhnungsbedürftig, aber namhaft - wenn denn einmal Musik zu hören war.

Infos zum World Club Dome

  • sehr junges Festival, existiert erst seit 2013
  • Radiosender "BigCityBeats" organisiert das Event
  • hatte 2013 rund 25.000 Zuschauer, 2014 an zwei Tagen jeweils 30.000
  • in allen drei Jahren dabei: David Guetta, Hardwell, Steve Aoki
Das Thema Musik findet bei den großen deutschen Privatsendern nach wie vor in erster Linie durch Show-Formate statt. Ob man hierbei an die Bohlen-Castings denkt, die musikalisches Mittelmaß mit der fragwürdigen Grundhaltung verknüpfen, dass Musik viel mehr mit der Gier nach Ruhm und Erfolg denn mit der Liebe an einer künstlerischen Betätigung verknüpft ist oder an weitaus sympathischere Alternativen wie derzeit wieder «Sing meinen Song» - man hat das Gefühl, musiziert werden darf gerade bei den Privaten nur, so lange es innerhalb eines Show-Konzepts geschieht. Die Künstler-Realität in Tonstudios, auf Tour oder eben auf Festivals bekommt der Zuschauer hingegen kaum geliefert. Insofern ist die Übertragung von «BigBityBeats World Club Dome» schon alleine aufgrund der Tatsache bemerkenswert, dass sie vorrangig Live-Bilder eines großen deutschen Festivals präsentiert - und vor allem, wann sie diese präsentiert: Am Sonntagabend, um 20:15 Uhr, dreistündig. Komplettes Vertrauen in das Musikbedürfnis des Zuschauers haben die Programmverantwortlichen dann allerdings doch nicht, zwischenzeitlich rücken die Künstler-Performances nämlich schon deutlich in den Hintergrund.

Der Titel der Fernsehsendung ist auch gleichzeitig jener des Festivals, das sich komplett der elektronischen Musik verschrieben hat. Dass RTL II als sehr jung und hipp daherkommender Sender sich zunächst einmal über Dance und Electro an die Festival-Präsentation herantastet, ist ebenso legitim wie nachvollziehbar. Elektronische Musik dominiert nicht erst seit diesem Jahr das Geschehen in den deutschen Charts komplett und vom chilligen Lounge-Dance über Dubstep und Trap bis hin zum allgegenwärtigen Dance-Pop gibt es derzeit eine Vielzahl von unterschiedlichen Stilen innerhalb der elektronischen Musik, mit denen beachtliche kommerzielle Erfolge verbucht werden. Der Zeitgeist verpflichtet einen nach hohen Einschaltquoten in der werberelevanten Zielgruppe strebenden Sender also nahezu dazu, ein Hauptaugenmerk auf den Electro- und Dance-Sektor zu legen.

Inhaltlich legen sich die Verantwortlichen sehr ins Zeug, ihrem Publikum abwechslungsreiche drei Stunden Abend-Unterhaltung zu präsentieren - vielleicht sogar eine Spur zu sehr. Denn zu sehen sind nicht nur Aufzeichnungen der Konzerte vom Freitag und Samstag sowie einige Live-Ausschnitte von den DJ-Weltstars Hardwell und David Guetta, sondern auch diverse weitere Einspieler und Aktionen. So begleitet man unter anderem Fans bei ihrer Vorbereitung auf die Veranstaltung, produziert Rankings, die unter anderem die angesagtesten DJs aus Deutschland und die bemerkenswertesten Newcomer der Szene vorstellen, lässt die Field Reporter Aaron Troschke und Oliver Pocher die Stimmung in der Commerzbank-Arena Frankfurt einfangen und führt Backstage-Interviews mit den Stars. Letzteres wird von Haupt-Moderatorin Collien Ulmen-Fernandes übernommen, die das Publikum durch die Veranstaltung führt und etwas Struktur in das Programm-Chaos bringen soll.

Doch so souverän und locker die einstige VIVA-Moderatorin ihre Arbeit macht, vermag es auch ihr nicht gelingen, das in vielerlei Hinsicht überladen wirkende Konzept so recht zu strukturieren. Es ist nicht ihr anzulasten, dass die Redaktion teilweise falsche Einspieler sendet, dass man von den eigentlichen Auftritten kaum etwas mitbekommt, da nach spätestens zehn Minuten Musik am Stück wieder zum nächsten Programmpunkt übergeleitet wird und man teilweise kaum weiß, was nun live und was vorproduziert ist. Sie macht ihre Sache gerade in den sympathischen Live-Interviews mehr als ordentlich und vermittelt noch am ehesten das Gefühl der Souveränität und Sicherheit in diesem sonst sehr hektischen Inhaltswust. Troschke und Pocher bringen derweil einerseits Kurzweil und Witz in die Übertragung, wirken in Anbetracht der ohnehin schon sehr knapp bemessenen Sendezeit für eine Zusammenfassung eines dreitägigen Festivals mitsamt Live-Musikstrecken aber dann doch ein wenig überflüssig.

Headliner 2015

Hardwell, David Guetta, Avicii, Steve Aoki, Blasterjaxx, DVBBS, Krewella, Deep Dish, Dimitri Vegas & Like Mike, Krewella, Faithless, Jamie Jones, Robin Schulz, Sigma, Steve Angello und The Bloody Beetroots
Man stellt sich als Zuschauer gleichwohl auch die Frage, ob dieses Chaos vielleicht sogar forciert ist. Immerhin sind Abwechslungsreichtum und Kurzweil durchaus gegeben und könnten der Sendeanstalt wichtiger sein als all die Kritikpunkte, die man im Zuge dessen anbringen mag. Für Menschen, die gezielt nach neuer Musik suchen und sich in das Repertoire der diversen Acts einhören möchten, ist es allerdings zweifellos ärgerlich, was die Verantwortlichen hier abliefern: Länger als zehn Minuten am Stück ist quasi zu keinem Zeitpunkt Musik zu hören - sogar das groß durch einen Countdown am oberen Bildrand beworbene Konzert von David Guetta wird regelmäßig unterbrochen. Läuft dann doch einmal Musik, plappert die so genannte "BigCityBeats-Stimme" Karoline Mask von Oppen in die Auftritte hinein, sodass wieder kaum etwas vom Auftritt zu hören ist. Wenn dann auch noch Pseudo-Prominenz von «Berlin - Tag & Nacht» das Sofa besetzt, um im Interview auf die nur so mittel anspruchsvolle Frage von Collien, welche Songs von David Guetta einem denn so besonders gut gefallen, keinen einzigen Titel nennen zu können, muss man sich schon die Frage stellen, wie ernst man das eigentliche Festival noch nimmt - und wie wenig man seinem Publikum zutraut, wenn man ihm lieber inkompetentes Geschwafel vorsetzt als Guetta, Hardwell, Aoki und Co., die so oft angepriesen werden.

Wahre Musikfans wird man damit vom "vermutlich längsten Anglizismus, der je auf RTL II genannt wurde" - wie Collien den «BigCityBeats World Club Dome» treffend bezeichnet - wohl eher nicht gewonnen haben. Die waren am Sonntagabend wohl ohnehin in der Mehrzahl eher in Mendig oder schauten zumindest EinsPlus, um das etablierte Festival Rock am Ring zu verfolgen - weshalb das Electro-Festival ohnehin eher unglücklich geplant wurde, steht es doch im Schatten dieses Klassikers. Aber auch das Sender-Duell hat der kleine öffentlich-rechtliche Spartensender für sich entschieden, immerhin zeigte dieser weitaus üppigere Live-Strecken, hielt sich mit redaktionellen Inhalten deutlich bedeckter und schaffte es somit weitaus besser, ein wirkliches Festival-Feeling im heimischen Wohnzimmer aufkommen zu lassen.

«BigCityBeats World Club Dome» oder «Rock am Ring»: Was sahen Sie?
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38,7%
Habe zwar RTL II gesehen, bereue es allerdings im Nachhinein.
21,6%
Ich habe mich für Rock am Ring entschieden.
20,1%
Ich habe keines der beiden Festivals verfolgt.
19,6%


Der Vergleich mag allerdings auch etwas unfair anmuten in Anbetracht der Tatsache, dass EinsPlus rund 25 Sendestunden zur Verfügung stehen, Rock am Ring auszustrahlen - bei RTL II mussten sich die Verantwortlichen auf vergleichsweise mickrige drei Stunden beschränken, von denen auch noch ein nicht unerheblicher Teil Werbeunterbrechungen zum Opfer fiel. Somit ist zumindest einmal die Grundidee lobenswert, es am hart umkämpften Sonntagabend mit Musik-Konzerten zu versuchen, die ja nicht gerade den Ruf genießen, regelmäßig den Quoten-Gipfel zu erklimmen. In der konkreten Umsetzung sollte man sich künftig aber dringend ein wenig im Bezug auf redaktionelle Inhalte zurücknehmen, möchte man seinem Publikum auch nur ansatzweise das Gefühl des übertragenen Festivals näherbringen. Die Gewinner der Übertragung sind in erster Linie Collien und Aaron Troschke, die ihre jeweiligen Rollen sehr gut ausgefüllt und sich damit für weitere Einsätze empfohlen haben. Die Musik ist hingegen leider einmal mehr arg in den Hintergrund gerückt - weniger durch die spezielle, aber sehr namhafte Künstler-Auswahl, als durch die RTL II-Übertragung, bei der die Musik nur partiell wirklich im Vordergrund stand.

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