Denn lässt man sich einmal durch den Kopf gehen, in welchen seiner Kreationen Raab vergleichweise leicht ersetzbar wäre, steht «Schlag den Star» ziemlich weit oben in der Rangliste. Zwar moderiert er die Sendung seit ihrer sehr erfolgreichen Neuorientierung im vergangenen Jahr wieder, doch zwischenzeitlich war Raab lediglich als Joker beteiligt und damit in das Show-Geschehen beinahe überhaupt nicht mehr involviert - dem Unterhaltungswert abträglich war diese Degradierung kaum. Problematisch: Neben Raab verlässt auch Steven Gätjen den Sender, Matthias Opdenhövel ist schon seit einigen Jahren augenscheinlich glücklich für die ARD tätig. Man müsste also wohl einen mit dem Franchise gänzlich unerfahrenen Moderator finden, der das Konzept auf Kurs hält. Sicher keine anspruchslose, aber gewiss auch keine völlig unlösbare Aufgabe.
Eine ebenfalls wichtige Frage im Zuge der potenziellen «Schlag den Star»-Beförderung ist die nach der Investitionsbereitschaft. In Anbetracht des Quoten-Erfolgs lassen sich gewiss Argumente dafür finden, schlicht die jährliche Episodenzahl von vier auf mindestens sechs zu erhöhen, sobald der große Bruder in Rente geht. Sollte man allerdings mit dem Gedanken einer Beförderung in die Kernsaison spielen - was in Anbetracht des drohenden Mangels an Alternativen im Show-Sektor alles andere als unwahrscheinlich ist -, müsste man sich künftig unter deutlich härteren Bedingungen beweisen. Und so erfolgreich der Ableger auch sein mag: An die grandiosen «Schlag den Raab»-Marktanteile von in aller Regel mehr als 20 Prozent kam er bisher noch kein einziges Mal heran. Es wäre also nicht schlecht, zusätzliche Anreize zu schaffen, wo die Sendung doch mit ihrem Erfinder schon einen verliert.
Doch welche zusätzlichen Anreize sollten das sein? Zum einen sollte sicherlich die Gewinnsumme erhöht werden, die mit 50.000 Euro pro Show doch relativ knausrig daherkommt in Anbetracht dessen, dass das Original mal eben mit dem Zehnfachen dessen aufwartet. Auch die Anzahl der Spiele könnte relativ leicht von maximal neun auf 15 erhöht werden. Doch das Kernproblem, das die Sendung bis dato immer sehr klein hatte wirken lassen, ist das fehlende Live-Feeling. Und das hat bei dieser Show wahrlich auch funktionale Gründe: Denn eines der zentralen Elemente, die «Schlag den Raab» zur wohl spannendsten Show der zurückliegenden neun Jahre gemacht haben, war die Unvorhersehbarkeit hinsichtlich ihres Ausgangs. Dass man eine Stunde lang gebannt vor dem Fernseher verfolgt, wie zwei Menschen vergeblich versuchen, einen Stahlring an einem Haken zu befestigen, klingt ebenso absurd wie genial - und ist ein ebenso skurriles wie selten gewordenes Phänomen in einem meist starr durchchoreografierten Business.
Dieses Gefühl des Live-Events ging «Schlag den Star» stets ab, da es oft schon Wochen vor der Ausstrahlung aufgezeichnet wurde und ein schneller Blick in den Videotext reicht, um exakt zu sehen, wann die Sendung endet. Das bringt eine gewisse Vorhersehbarkeit mit sich, was insbesondere in der Endphase jeder Ausgabe bedauerlich ist, da es auch den Spielausgang mitunter schon vorzeitig prognostizierbar macht. Andererseits würde es die Suche nach geeigneten Prominenten, die sich als Spielpartner zur Verfügung stellen, wohl eher erschweren, sollten man diese für eine Live-Sendung engagieren müssen.
Raabs Duell-Bilanz
In 52 «Schlag den Raab»-Folgen siegte der Entertainer bemerkenswerte 36 Mal, nur 16 Folgen konnte der jeweilige Kandidat für sich entscheiden. Zum Vergleich: In den 20 «Schlag den Star»-Ausgaben mit Normalos gewannen die Promis lediglich neun Duelle.Wahrscheinlicher ist aus diesem Grund wohl, mit wechselnden prominenten Duellanten aufzuwarten. Womit sich gleich die Frage aufdrängt, ob man wie aktuell gleich zwei bekannte TV-Persönlichkeiten gegeneinander antreten lassen möchte oder wieder umschwenkt auf die Konstellation Star gegen Normalo. Die Mehrzahl der Gameshow-Fans dürfte wohl auf letztgenannte Variante plädieren, zumal es ausreichend Fernsehshows gibt, in denen Prominente mehr oder minder ambitioniert ihrem Spieltrieb folgen können. Das Massenpublikum votierte zuletzt allerdings für das Promi-Duell: Tolle 17,4 Prozent Zielgruppen-Marktanteil fuhren die vier Ausgaben der vergangenen Staffel ein, in den beiden Vorjahren standen vergleichsweise unspektakuläre 13,5 und 13,1 Prozent zu Buche. Die mittelfristige Planungssicherheit wäre hingegen wiederum eher bei einem unprominenten Duellanten gegeben - und auch der Verschleiß an attraktiven Promi-Duellanten wäre so geringer.
Diese Überlegungen, die im Rahmen dieses Artikels spekulativer Natur sind, allerdings zeitnah auch in Unterföhring angestellt werden dürften - oder bereits jetzt angestellt werden -, offenbaren ebenso Möglichkeiten wie Schwierigkeiten einer stärkeren Fokussierung auf «Schlag den Star». Erfolg und Relevanz, die das «Schlag den...»-Imperium in den vergangenen Jahren weit über die Landesgrenzen hinweg generiert hat, verbietet eine Einstellung dieses Meilensteins eigentlich komplett, gleichwohl gehen die Pläne der Neuausrichtungen, in welche Richtungen sie auch zeigen mögen, mit Risiken und Unabwägbarkeiten einher. Stellt man das Format als neues «Schlag den Raab» auf, ist es denkbar, dass man an den eigenen und fremden Quoten- und Entertainment-Ansprüchen scheitert, sollte die Sendung ohne ihren eigentlichen Star an Attraktivität und Spannung einbüßen. Belässt man es aber beim aktuellen "graue Maus"-Status, würde man ein Konzept verschwenden, das zweifellos über die Klasse verfügt, dem Raabschied zumindest ein wenig den Schrecken zu nehmen.
Es ist also letztlich auch eine Frage des Mutes, ob und wie der Privatsender die Show in Zukunft weiterführt. Und wäre wohl auch eine Frage der Alternativen, wenn sich diese nicht kurz und bündig mit dem Wort "überschaubar" beantworten ließe. Fernab von Raab hat ProSieben schließlich am Samstag mit «Joko gegen Klaas» lediglich ein wirkliches Hit-Format zu bieten, «Mein bester Feind» muss sich erst noch beweisen und «Galileo Big Pictures» steht in der Regel eher für Solidität denn für die schillernden Erfolgsmeldungen. Falls es also in Unterföhring nicht plötzlich neue Erfolgsrezepte regnen sollte oder man «The Voice» ins Haifischbecken Samstagabend werfen möchte, bleiben wenig Alternativen dazu, die Raab-Kreation in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Den seit Jahren schwächelnden Bohlen-Castings das Feld zu überlassen und den Samstag zur ambitionslosen Abspulstation alter Spielfilme oder weiterer «The Big Bang Theory»-Episoden zu degradieren, wird wohl kaum zur Debatte stehen. Hoffentlich.
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05.07.2015 13:10 Uhr 1
06.07.2015 10:01 Uhr 2