Die Kino-Kritiker

«Gefühlt Mitte Zwanzig»

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Noah Baumbach versammelt ein Star-Ensemble aus Ben Stiller, Naomi Watts, Amanda Seyfried und Adam Driver um sich und lässt eine Generation aus Hipstern und eine Generation aus Spießern aufeinanderprallen. Das Ergebnis ist amüsant und trumpft mit einer angenehmen Lebensweisheit auf.

Filmfacts: «Gefühlt Mitte Zwanzig»

  • Kinostart: 30. Juli 2015
  • Genre: Tragikomödie
  • FSK: o.A.
  • Laufzeit: 97 Min.
  • Kamera: Sam Levy
  • Musik: James Murphy
  • Buch und Regie: Noah Baumbach
  • Darsteller: Ben Stiller, Naomi Watts, Adam Driver, Amanda Seyfried, Adam Horovitz, Maria Dizzia, Matthew Maher
  • OT: While We're Young (USA 2014)
Noah Baumbach ist ein Experte darin, das Gefühlsleben der „Generation Mitte Zwanzig“ zu ergründen und filmisch festzuhalten. Zuletzt war es seine hochgelobte Tragikomödie «Frances Ha», in der er seine gleichnamige Protagonistin durch die Irrungen und Wirrungen des Lebens begleitete. Für «Gefühlt Mitte Zwanzig» nimmt er sich nun direkt zweier Generationen an und kreiert aus den unterschiedlichen Lebensvorstellungen und -Plänen eine Art Culture Clash. Zu seinen Opfern macht er das moderne Hipstertum, denen er ein bezauberndes, jedoch mit allerhand persönlichen Problemen gesegnetes Pärchen in den frühen Vierzigern gegenüber stellt. In seiner rund eineinhalbstündigen Lebensphasenstudie kokettiert Baumbach, der hier einmal mehr als Regisseur und Drehbuchautor in Personalunion auftritt, hervorragend mit den Schwierigkeiten des Erwachsen- und Älterwerdens, seziert die Eigenheiten seiner Protagonisten genau und bringt seine ganz unterschiedlichen Hauptfiguren zur selben Erkenntnis wie sein Publikum: Am Ende haben doch alle Erwachsenen die gleichen Probleme.

Während all ihre Freunde Kinder kriegen, genießen Josh (Ben Stiller) und Cornelia (Naomi Watts) die Freiheiten, die ihnen ihre Zweisamkeit ermöglicht. Sie wohnen in Brooklyn, sind glücklich in ihren 40ern - werden aber irgendwie das Gefühl nicht los, dass das wahre Leben an ihnen vorbei zieht. Als sie Jamie (Adam Driver) und Darby (Amanda Seyfried) kennen lernen, ein junges Hipster-Paar Mitte Zwanzig, ist es Freundschaft auf den ersten Blick. Die beiden begegnen Josh und Cornelia mit einer Offenheit, die sie fasziniert und selbst wieder ein Stück jünger fühlen lässt. Immer mehr werfen sie die zur Gewohnheit gewordenen Spießigkeiten ihres Alters über Bord und schmeißen sich mitten hinein in das Leben von Jamie und Darby. Zur Verwunderung ihrer gleichaltrigen Freunde „verjüngen“ sie plötzlich ihren Kleidungsstil, entdecken Hip Hop-Tanz für sich oder besuchen gemeinsam spirituelle Sitzungen. Zwar sind Josh und Cornelia selbst etwas überrascht von sich und ihrer „Frischzellenkur“, aber was soll’s, man ist nur einmal wieder jung. Doch während die beiden Paare sich einander immer näher kommen, wird auch immer deutlicher, was sie voneinander trennt. Wäre Alter nur ein Gefühl, Josh und Cornelia wären wieder Mitte Zwanzig. Aber es ist eben mehr als das, und das Leben lässt sich nicht so einfach zurück drehen…

Spießer gegen Hipster: Treffender ließe sich die Ausgangslage von «While We’re Young», wie «Gefühlt Mitte Zwanzig» im Original heißt, nicht ausdrücken. Da die aktuelle Hipster-Generation ohnehin oft zum Opfer polemischer Szenenentwicklungskritiker wird, ist die Zurschaustellung ihres Lebensstils auch hier nicht vollkommen ausdifferenziert. Jamie und Darby hören Vinyl, spielen Brettspiele und machen ihre Eiscreme selbst, während sie am Wochenende Flohmärkte besuchen und dem Mainstream unbekannte Arthouse-Dokumentationen gucken. Das mag den Kern der Hipster’schen Lebensphilosophie zwar immerhin streifen, kommt über die Bildung simpler Allgemeinplätze allerdings nicht hinaus. Die Zeichnung von Josh und Cornelia ist da schon wesentlich besser gelungen. Die Bezeichnung „Spießer“ passt zu den von Ben Stiller («Das erstaunliche Leben des Walter Mitty») und Naomi Watts («The Impossible») herrlich natürlich verkörperten Charakteren nur marginal. Die nie einen Hehl aus ihrer bevorzugten Unabhängigkeit machenden Eheleute befinden sich mitten in einer – schon lange anhaltenden – Selbstfindungsphase und scheinen mit dem Kennenlernen von Jamie und Darby diese endlich beenden zu können. Die von Amanda Seyfried («Ted 2») bezaubernd unabhängig verkörperte Darby wird zu einer Vorbildfigur für Cornelia, die in ihrer neuen Freundin all das zu finden glaubt, was sie an sich selbst vermisst. Selbiges gilt für ihren Mann Josh und Darbys Freund Jamie (spielt seine Rolle mit einer nie ganz einzuordnenden Attitüde: Adam Driver), nur dass sich die Positionen hier vertauschen. Jamie blickt zu Josh auf, verfolgt sogar ähnliche Karrierepläne, wodurch sich ein interessantes Konstrukt aus Abhängigkeit, Bewunderung und einer alles umspannenden Freundschaftsentwicklung ergibt.

Die starken Dialoge, die Noah Baumbach in «Gefühlt Mitte Zwanzig» kreiert, schaffen es auf weiter Strecke, mithilfe einer komplexen Zeichnung des Gefühlslebens die Schwächen in der recht oberflächlichen Prämissenskizzierung auszugleichen. Die technisch unauffällige Tragikomödie hantiert vor allem zwischen den Zeilen mit Charakterentwicklungen und fährt insbesondere im Rahmen der zwanglosen Interaktion der vier Hauptdarsteller Pluspunkte ein. Dabei verzichtet Baumbach auf allzu abgedroschene Plattitüden und gewinnt der einfachen Selbstfindungsprämisse interessante Sichtweisen ab. Weniger gelungen sind hingegen Momente, in welchen Baumbach Einzelszenen kreiert, die inhaltlich kaum in den unaufgeregten Kontext passen. Ein Subplot um einen Filmdreh, der sich mit der Zeit immer mehr zu einer Farce entpuppt sowie eine Sequenz auf einer spirituellen Sitzung, die den Plot selbst nicht weiterbringt, gliedern sich nur schwer in den ansonsten so leichtfüßigen Tonfall, der von Alltagsbeobachtung und wenig Effekthascherei geprägt ist. Jene Szene beim Schamanen ist hingegen eine Aneinanderreihung von mal mehr, mal weniger zündenden Pointen, die das Tempo von «Gefühlt Mitte Zwanzig» zwar für einen Moment nach oben schrauben, gleichzeitig jedoch auch zu gezwungen und gewollt wirken, um die federleichte Art der übrigen Inszenierung zu unterstreichen.

Fazit: «Gefühl Mitte Zwanzig» hat wenig Interesse daran, die Lebensweisen der Hipster und der Spießer genau auszuleuchten geschweige denn zu kommentieren. Stattdessen konzentriert sich der stilsicher inszenierende Regisseur Noah Baumbach auf das, was er am besten kann und liefert mit seiner neuesten Arbeit einen Film ab, der viele kleine Weisheiten bereithält, die er dem Publikum ohne Holzhammermethoden serviert. Schwierig wird es hingegen, wenn der Filmemacher bemüht Lacher zu generieren versucht. Die alleine auf den Gag abzielenden Pointen von «Gefühlt Mitte Zwanzig» können den Film nicht als alleinige Komödie tragen. Als kleine, aber feine Gesellschaftsstudie mit viel Lebensweisheit gesegnet ist Baumbachs Werk hingegen ein echter Geheimtipp.

«Gefühlt Mitte Zwanzig» ist ab dem 30. Juli in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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