Die wichtigsten Reformvorschläge
- universality: Programm noch für jeden Bürger? Vorgeschlagen wird eine Reduzierung des Unterhaltungsangebots (Shows, Serien)
- Finanzierung: Mehrere Vorschläge, darunter das deutsche Modell, Abogebühren oder mehr Werbung
- Privatisierung des internationalen Arms BBC Worldwide
- veränderte Regulierung der BBC nach den jüngeren Skandalen (Jimmy Savile)
- Link zum Reformpapier (86 Seiten)
Es sind schwere Zeiten für die BBC, die 3,7 Milliarden Pfund Rundfunkgebühren pro Jahr erhält (über 5 Milliarden Euro). In einigen Jahren soll dieser Etat um mindestens eine Milliarde eingespart werden, wahrscheinlich werden dann über 1000 Stellen abgebaut. Alle zehn Jahre wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf seinen Auftrag, seine Rechtsgrundlage überprüft, so fordert es das englische Gesetz. Der Zeitpunkt ist 2016 da, und diesmal soll es der BBC an den Kragen gehen.Vor einigen Tagen hat die konservative Regierung ihr green paper mit Reformvorschlägen vorgelegt. Es liest sich wie Art Abrechnung mit der Institution. Dort stellt man die fundamentalste aller Fragen: Ob die BBC überhaupt noch den Auftrag bekommen soll, für jeden britischen Bürger Inhalte zu produzieren – oder nur noch für bestimmte Zielgruppen mit bestimmten Produkten. Es geht derzeit um Grundsätzliches im öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem Großbritanniens.
Zwei Seiten sind es, die jetzt gegeneinander kämpfen: Auf der einen Seite sind die Befürworter der Reform. Die konservative Regierung unter David Cameron, der die BBC verschlanken will. Politiker unterstellen dem Mediengiganten „imperialistische Ambitionen“ und ähnliches – Worte, die man früher selten hörte. Auch Unternehmer stimmen in den Tenor ein. Vor allem Zeitungsverleger freuen sich über die Vorschläge; ähnlich wie in Deutschland sehen sie im öffentlich-rechtlichen Angebot eine vermeintlich übermächtige Konkurrenz. Auch Rupert Murdochs TV-Imperium Sky würde massiv profitieren. Murdoch verfolgt die BBC-Debatte genüsslich, selbstverständlich auch der frei empfangbare private TV-Rundfunk. Viele Bürger beäugen die „alte Tante“ ebenfalls kritisch.
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Was sind die Streitpunkte?
Wichtigster Punkt im sogenannten green paper ist die Frage nach der „universitality“ der BBC, wie man es ausdrückt. Kurz: Soll die BBC überhaupt noch für alle Menschen Inhalte produzieren? Man müsse die Frage stellen, ob man sich – Zitat – „mit seinem Output auf Programme und Services für alle Zuschauergruppen fokussiert oder […] eher auf spezielles bzw. unterversorgtes Publikum.“ Anders ausgedrückt zielt dies auf die Änderung des bisherigen Rundfunkauftrags der BBC, die aus drei Säulen besteht: zu informieren, zu bilden und zu unterhalten. Ginge es nach den Reformern, soll der Unterhaltungsauftrag stark eingedämmt und privaten Anbietern überlassen werden. Viele Shows und Serien würden dann eingestellt, dürften nicht mehr produziert werden. So will man die Organisation verschlanken. Dann würde „die Öffentlichkeit weniger Rundfunkgebühren zahlen, und es wäre wahrscheinlich, dass der Markteinfluss reduziert wird.“
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Möglicherweise aber wäre es fatal, das Unterhaltungsangebot zu kappen: Denn Serien und Show-Lizenzen bilden eine große Einnahmequelle, da sie international gefragt sind. Gerade durch den anhaltenden Serienboom hat sich die BBC als Top-Produzent einen Namen gemacht und steht für hochwertige Unterhaltung – sowohl im Drama- als auch im Comedy-Genre. Würde das Reformprogramm in aktueller Form umgesetzt, dann fiele wohl ein Großteil dieser Einnahmen weg. Es liefe auf die angesprochene starke Verschlankung hinaus, um die Finanzlöcher zu stopfen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk würde kleiner – und damit wohl bedeutungsloser. Es ist die alte Frage, die auch den deutschen Rundfunk immer wieder beschäftigt: Wie populär, wie massentauglich muss das öffentlich-rechtliche Fernsehprogramm sein?
Die britische Regierung scheint darauf mittlerweile eine andere Antwort gefunden zu haben als hierzulande. Zwar schreibt man, dass „ein Element populärer Programme essentiell ist“, aber: „Es gibt Bedenken, dass die BBC in einem übertrieben kommerziellen Rahmen handelt; sie greift in TV-Genres und Formate ein, die gut von ihren kommerziellen Konkurrenten bedient werden können.“ Sprich: Unterhaltung soll bei den Privaten stattfinden, Bildung und Info bei der BBC. Das Problem ist, dass dann ein Teufelskreis entstehen könnte: Wenn die BBC nur noch 'elitäres' Programm macht, wird sie weniger Zuschauer haben. Und je weniger Zuschauer der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat, desto mehr wird seine Legitimation in Frage gestellt.
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Ob James Bonds, ob Daniel Craigs Worte und die der anderen Promis genug Gewicht haben, um David Cameron umzustimmen? Es ist unwahrscheinlich. Noch wird debattiert, aber dass die BBC auf eine umfassende Reform zusteuert, ist sicher. Dass sie nicht so radikal wird wie derzeit besprochen, ist aber ebenfalls realistisch. Auch in Deutschland könnten wir uns freuen, dürfte die BBC in Zukunft weiter großartig unterhalten. Auf «Sherlock», auf «Doctor Who», auf «Orphan Black» wollen wir auch hier nicht verzichten.
Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
02.08.2015 22:07 Uhr 1
03.08.2015 22:56 Uhr 2