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«Club De Cuervos»: Das kommt mir Spanisch vor

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Eine Telenovela im Netflix-Style: Mit der Comedyserie «Club De Cuervos» beginnt Netflix seine Offensive auf dem lateinamerikanischen Markt.

Cast & Crew

  • Autoren: Gaz Alazraki, Mike Lam
  • Executive Producers: Gaz Alazraki, Leo Zimbròn, Mike Lam
  • Regisseur: Gaz Alazraki
  • Cast: Luis Gerardo Méndez, Mariana Treviño, Stephanie Cayo, Daniel Giménez Cacho, Ianis Guerrero, Antonio de la Vega, Jesús Zavala, Emilio Guerrero
  • Produktionsunternehmen: Alazraki Films
«Club de Cuervos» ist der erste Schritt einer spanischsprachigen Offensive des US-amerikanischen Streaminganbieters Netflix. Das Unternehmen kündigte zuletzt bereits einige Produktionen für den lateinamerikanischen Raum an, unter anderem Telenovelas, Dramen («Ingobernable» und «Narcos»), Komödien und Kinderserien. Der Anbieter verdankt das unter anderem den Kooperationen mit Univision, UniMas oder Telemundo – allesamt spanischsprachige Fernsehunternehmen mit Sitz in den USA.

An Netflix kommt man in der Unterhaltungsindustrie definitiv nicht mehr vorbei. Das erklärte Ziel des Streaminganbieters, der 1997 als DVD-Verleiher per Mail angefangen hat, ist eine schnellstmögliche internationale Expansion, wobei sich der Profit erst mal hinten anstellen muss. Laut Angaben des Unternehmens gab es im Jahr 2014 über 57 Millionen Abonnenten weltweit – Trend steigend. Zwischen 2015 und 2016 soll fast jedes Land der Welt Zugang zu Netflix bekommen.

Nachdem Netflix in Lateinamerika schon über einen längeren Zeitraum hinweg seine Services anbietet, kommt nun die zielgruppenorientierte Produktion für die Region. Die Serie «Club De Cuervos» möchte die mexikanische „New Wave“ der Unterhaltungsindustrie nutzen und auf diese Art und Weise Zielgruppen im spanischsprachigen Raum erschließen. Schon bei «Sense8» versuchte der Streaminganbieter, die Identifikation der Zuschauer mit der Serie mittels regionaler Produktion und Einfärbung zu erhöhen. Nun geht Netflix also noch einen Schritt weiter und veröffentlicht seine erste gänzlich spanischsprachige Serie:

Der Präsident eines mexikanischen Fußball-Erstligisten stirbt völlig unerwartet und hinterlässt seinen Kindern die patriarchalen Strukturen seines Klubs, den er einst aus dem Nichts geschaffen hat. Es beginnt ein Machtkampf um die künftige Vereinsführung: Wer darf den Vater als Präsident der „Cuervos of Nuevo Toledo“ beerben? Auf der einen Seite steht der gutaussehende Playboy Chava (Luis Gerardo Méndez), auf der anderen seine gebildete, etwas temperamentvolle Schwester Isabel (Mariana Treviño), die beide jeweils 50 Prozent der Anteile am Verein halten. Doch es kommt noch dicker: Nicht nur, dass die beiden allein um ihr Erbe kämpfen müssen, nein, die Geliebte des Vaters behauptet auf seiner Beerdigung, dass sie von ihm schwanger sei und ihr Kind somit auch ein Anrecht auf Anteile am Fußballverein hat.

Wer nun erwartet, dass Netflix eine typisch spanische Telenovela mit viel Temperament und dramatisierten Handlungen auf dem Markt geworfen hat, wird eines besseren belehrt. Die Produktion ist hochwertig, die schauspielerischen Leistungen sind ordentlich. Hauptdarsteller Luis Gerardo Méndez dürfte dem ein oder anderen ein Begriff sein, da er bereits in «Die Kinder des Señor Noble» (Nosotros los Nobles), einem der umsatzstärksten Filme in der mexikanischen Geschichte, mitgespielt hat – verantwortet von «Club De Cuervos»-Autor und -Regisseur Gaz Alazraki sowie Produzent Leo Zimbrón.

Letztendlich wollen wir eine tolle Story erzählen und Fernsehen produzieren, wie es so noch nie zuvor in Mexiko und Lateinamerika gesehen wurde.
Executive Producer Leo Zimbrón über «Club De Cuervos»
Aber trotz der hochwertigen Produktion und der Abgrenzung von typischen spanischen Telenovelas kommt «Club De Cuervos» nicht ohne die klassischen Stereotypen und Intrigen aus. Chavas, der sein Leben in vollen Zügen genießt, natürlich mit Partys, Sex und Drogen. Isabel, die sich 15 Jahre lang der Geschäftsführung des Vereins gewidmet hat, aber trotzdem immer nur im Schatten ihres Bruders steht. Beide haben natürlich völlig unterschiedliche Vorstellungen über die Zukunft des Vereins. Ergänzt wird die klischeehafte Liste vom korrupten Trainer, der religiösen Spielerfrau und der Geliebten, die das Geld des verstorbenen Vaters verprasst.

Trotzdem versuchen die Autoren, substantielle Fragen anzuschneiden und deren Lösung anzuregen. Vor allem die Skepsis in der mexikanischen Fußballwelt gegenüber Frauen in Führungspositionen wird in den ersten Folgen deutlich betont. Aber auch familiärer Zusammenhalt oder die Auswirkung einzelner Machtkämpfe auf andere Menschen werden thematisiert.

Mal abgesehen von der hierzulande eher unbekannten mexikanischen Fußballwelt und den Strukturen im Land: Dem deutschen Publikum ist die Serie aus eher praktischen Gründen nicht zu empfehlen. Netflix bietet nur das spanische Original mit deutschen Untertiteln zum Abruf an. Für eine Comedyserie ist das ein echtes Manko, da viele Witze während des Lesens der Untertitel verloren gehen. Dabei sollte man aber betonen, dass die Gags in «Club De Cuervos» zum größten Teil vorhersehbar sind und deshalb ihre Wirkung so oder so verfehlen würden. Das liegt wohl in erster Linie an einem grundlegenden Problem der Serie: Sie kann sich nicht entscheiden, ob sie Comedy oder Drama sein möchte: „Das Leben ist ein Spiel. Und es ist vergänglich. Am Ende ergeht es uns allen gleich. Am Ende sterben wir. Oder etwa nicht?“ Wenn eine Serie bereits mit einem solchen Zitat beginnt, sind die Weichen für ein hochgradig komödiantisches Erlebnis nicht gestellt.

Fazit: «Club De Cuervos» ist eine ordentliche Dramedy, die als rein spanischsprachige Serie für den deutschen Zuschauer eher ungeeignet ist. Sie legt aber eine interessante Grundlage für künftige spanische Produktionen des Streaminganbieters.

Die 13 Folgen von «Club De Cuervos» sind seit dem 7. August auf Netflix abrufbar. Originalton Spanisch, Untertitel in Deutsch.

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