An der Spitze ist VOX derzeit zumindest am Dienstagabend herausragend aufgestellt: Mit «Sing meinen Song» und «Die Höhle der Löwen» versuchte sich der Privatsender gleich zwei Mal ebenso qualitativ herausragend wie erfolgreich an unkonventionellen Konzepten, die man in dieser Form hierzulande zuvor noch nicht gesehen hat - und setzte damit im vergangenen Jahr mehr Akzente im Show-Sektor als so manch größerer Sender. In der Breite mangelt es dem Sender jedoch an Zugkraft, sodass die Idee naheliegt, die Stars der beiden großen Hits noch stärker ins Programm zu integrieren. So durfte sich nun eine Woche vor dem Start der zweiten «Die Höhle der Löwen»-Staffel erstmals "Teleshopping-Queen" Judith Williams mit einer eigenen Dokusoap namens «Heimlich verliebt» versuchen. Sonderlich ambitioniert war das Format allerdings nicht, eher setzte man auf klassische Genre-Elemente - und ein Finale, das derart kitschtriefend daherkam, dass es beinahe zur Selbstparodie verkam.
Wie so oft bei televisionären Help-Formaten nimmt auch hier die Moderatorin eine derart dominante Rolle ein, dass sich der Zuschauer des Eindrucks kaum verwehren kann, es ginge eher darum, Williams ein wenig Publicity zu bescheren, als Menschen zu helfen. Offiziell lautet die Intention jedoch, der schüchternen Lisa dabei zu helfen, ein Date mit ihrem im Stillen angehimmelten Andreas zu arrangieren, damit sie ihm vor laufender Kamera endlich ihre Liebe gestehen kann. Nach einer skurril anmutenden telefonischen Terminabsprache von Seiten Williams bleiben den beiden Damen noch fünf Tage Zeit, um Lisa auf die Zusammenkunft vorzubereiten.
Womit diese fünf Tage gefüllt werden? Williams und ihr ebenfalls aktiv an der Sendung partizipierender Mann kommen zu dem Schluss, dass man Lisa zwingend in Challenges herausfordern muss - die sukzessive an Sinnhaftigkeit verlieren, dafür jedoch ein wachsendes Maß an Absurdität aufweisen. Zunächst soll Lisa mit Anleitung im Park wildfremde Männer anflirten, um Erfahrungen in diesem für sie noch weitgehend unerschlossenen Bereich der zwischenmenschlichen Kommunikation zu sammeln. In der Praxis bekommt dieser Plan einen Touch, der abwechselnd Anlass zu Mitleid und Fremdscham gibt, doch der Sinn des Ganzen erschließt sich im Hinblick auf das Sendungsziel immerhin noch ein wenig. "Learning by Doing" kann man hier als Schlagwort nennen.
Ob man einer jungen Frau unbedingt ihren nach Einschätzung von Williams zu farbarmen Kleidungsstil austreiben muss, indem man mit ihr einkaufen geht und sie zwischen drei aufgedrängten Outfits wählen lässt, ist hingegen schon relativ fragwürdig. Zumindest vor der Kamera gibt Lisa allerdings ihre Zufriedenheit mit dem auserwählten Outfit zu Protokoll. Schließlich hat sie dann noch ihre Höhenangst zu überwinden, indem sie sich auf eine riesige Wasserrutsche traut. In welchem Zusammenhang diese höchst wertvolle Challenge nun mit Lisas Unvermögen stehen soll, positiv auf ihren Angebeteten zuzugehen? Nunja, die Überwindung der Höhenangst hat genauso mit Mut zu tun wie das Gestehen der Liebe. Irgendwo besteht da also schon eine Parallele - man muss sie sich nur intensivst herbeireden.
Den Tiefpunkt der Glaubwürdigkeit hebt man sich allerdings für das Finale auf, wo die modisch wie kosmetisch verschlimmbesserte Lisa endlich auf ihren Andreas trifft. Hierfür fahren die Macher arg schwere inszenatorische Geschütze auf: Im Hintergrund läuft die Uptempo-Ballade "A Moment Like This", die ebenso zum Standard-Repertoire eines jeden Dokusoap-Produzenten gehört wie die obligatorische Zeitlupen-Technik, welche die schönsten Gesichtszüge der Protagonisten nochmal so richtig auskostet. Und als Lisa nach vielen Monaten des Wartens, einigen Tagen Dreharbeiten und einer Stunde Sendezeit Andreas endlich ihre Gefühle mitteilt, eröffnet dieser ihr, es sei ihm schon vor Monaten genauso ergangen. Und so findet auch diese Dokusoap ihr ebenso überzeichnetes wie obligatorisches Happy End - und Judith Williams darf auch noch einmal in die Kamera lächeln.
Mit «Heimlich verliebt» rührt VOX sehr vorhersehbar im Brei der Help-Dokusoaps, die es in ähnlicher Form zuhauf schon im deutschen Fernsehen zu sehen gibt. Mit einer Kandidatin, die sowohl intelligent als auch im normalen Leben stehend daherkommt, driftet man gewiss nicht in die wirklich unangenehmen Unterhaltungsformen ab, mit denen die inhaltlichen Tiefpunkte dieses stark in Verruf geratenen Genres aufwarten, der Schmalzfaktor ist dafür allerdings vor allem zum Ende hin umso höher. Judith Williams agiert als Liebesengel gewohnt telegen und äußerst souverän, hängt dabei allerdings sehr stark an der Kamera. Ob dieses Format eine Fortsetzung erhalten wird, könnte schon in wenigen Stunden klar sein, wenn seine Einschaltquoten veröffentlicht werden. Inhaltlich stellt es jedoch keine Bereicherung für die deutsche Fernsehlandschaft dar - und wird gewiss auch keine Nominierung für den Grimme-Preis erhalten.